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Junckers glücklose Bilanz

Bernd Riegert, Brüssel29. Juni 2005

Am 30. Juni endet turnusgemäß der Vorsitz des Landes Luxemburg in der Europäischen Union. Nur eines seiner drei ehrgeizigen Ziele konnte der viel gelobte Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker erreichen.

Jean-Claude Juncker hat gekämpft, durchsetzen konnte er sich aber nichtBild: dpa

"Wir haben den Stabilitäts- und

Wachstumspakt reformiert und eine lange Phase

der Unsicherheit beendet."

Das ist der einzige große Erfolg, den Jean-Claude Juncker verbuchen kann: Im März 2005 wurde beschlossen, die Defizitregeln für Haushaltssünder wie Deutschland und Frankreich zu lockern. Außerdem haben die Luxemburger versucht, den so genannten Lissabon-Prozess, also eine wachstums- und innovationsorientierte Wirtschaftspolitik, wiederzubeleben.

"Man muss sagen, Europa steckt nicht nur in einer Krise, sondern in einer wirklich tiefen Krise."

Am sehr frühen Morgen des 18. Juni 2005 erlebte luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker den absoluten Tiefpunkt seiner Ratspräsidentschaft: Nach 60 Stunden Verhandlungen musste er das glücklose Ende des EU-Gipfels bekannt geben. Zuvor waren die Verhandlungen über einen Finanzrahmen hauptsächlich am Widerstand des britischen Premiers Tony Blair gescheitert, der eine grundlegende Änderung des EU-Kurses verlangt. Verbittert stichelte Juncker, er könne Blair, der ihm als Ratspräsident zufällig nachfolgt, keinen Rat mit auf dem Weg geben. Denn Blair nehme keinen Rat an.

Jean-Claude Juncker ist der dienstälteste Regierungschef Europas, der seit Jahren meisterhaft auf der Klaviatur des Kompromisses spielt. Einige Tage nach dem Gipfel-Schock gab er sich bereits wieder kämpferisch.

"Der erste Moment der Ernüchterung ist vorbei

und macht entschlossener als je zuvor.

Unsere Generation hat nicht das Recht,

das zu zerstören, was Generationen

vor ihr aufgebaut haben."

Vorwürfe, er habe den EU-Gipfel, der die Lösung der Verfassungkrise und der heiklen Finanzfragen letztlich nur verschieben konnte, überfrachtet, wies Jean-Claude Juncker empört zurück.

"Ich möchte für Europa und die Interessen

der Bürger arbeiten. Ich habe keine Zeit,

um Theater zu spielen."

Diplomatisches Theater und Schönreden sind seine Sache nicht, wie Juncker einige Tage nach dem Debakel dem Europäischen Parlament nochmals mitteilte. Das Theaterspielen erledigten andere: Die Franzosen und die Niederländer lehnten in ihren Volksabstimmungen die EU-Verfassung ab. Jean-Claude Juncker versuchte es daraufhin mit Durchhalteparolen. Doch dieser Weg erwies sich rasch als realitätsfern und nicht gangbar, sodass nun eine so genannte "Denkpause" bei der Ratifizierung gilt: Die Verfassung ist mindestens bis 2008 auf Eis gelegt.

Das Leben geht weiter

Hochgelobt wird selbst von den Briten die äußerst effektive Organisation der Präsidentschaft. Schließlich musste der Zwergstaat Luxemburg mit relativ wenigen Mitarbeitern Dutzende von Sitzungen und Treffen in seinen sechs Monaten organisieren und leiten. Die Anstrengungen waren Jean Asselborn, dem Außenminister, und Jean-Claude Juncker anzusehen. Jetzt wird sich der scheidende EU-Ratspräsident in den Wahlkampf in Luxemburg stürzen, denn am 10. Juli 2005 muss er eine Volksabstimmung zur Verfassung gewinnen. Sonst will Jean-Claude Juncker zurücktreten.

Für den Chef der Sozialisten im Europäischen Parlement, Martin Schulz, steht fest, dass der konservative Jean-Claude Juncker einen Platz in den Geschichtsbüchern bekommen wird: "Es ist vielleicht heute noch zu früh, aber ich bin sicher, es wird nach uns Leute geben, die sagen, Jean-Claude Juncker gehört in die Galerie der ganz großen Europäer."

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