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Junckers Wahl

Christoph Hasselbach10. September 2014

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat seine neue Mannschaft vorgestellt. Dabei gab es einige Überraschungen - und bereits Ärger.

Juncker zeigt mit dem Finger Foto: Reuters/Y. Herman
Bild: Reuters/Y. Herman

Wer was wird bei der Kommission, ist allein Sache des Kommissionspräsidenten. Die einzelnen Länder, und seien sie noch so mächtig, können also nicht bestimmte Ressorts für ihre jeweiligen Kandidaten beanspruchen. Auch wird immer wieder vergessen, dass Kommissare, sobald sie im Amt sind, nicht ihrem Herkunftsland, sondern der gesamten Europäischen Union verpflichtet sind. Regierungen können "ihren Mann" oder "ihre Frau" also nicht als verlängerten Arm in Brüssel verwenden und damit ihre politischen Vorstellungen in ganz Europa nach vorn bringen. Regierungen, die das versucht haben, mussten schon oft feststellen, wie unabhängig plötzlich ihr früherer Verbündeter in Brüssel auftrat und dass er keinerlei Loyalität mehr gegenüber dem Entsenderland kannte.

Kann ein Schuldenland den Wirtschaftskommissar stellen?

Trotzdem versuchen Regierungen nach wie vor, Druck auf den Kommissionspräsidenten auszuüben, um für ihre Kandidaten möglichst wichtige Ressorts herauszuschlagen. Oder sie versuchen, andere zu verhindern. So haben einige deutsche Politiker aufgeschrien, als bekannt wurde, der frühere französische Finanzminister Pierre Moscovici könne eventuell Währungskommissar werden und damit großen Einfluss auf die europäische Finanz- und Haushaltspolitik nehmen. In Berlin und anderswo scheinen viele zu glauben, jeder Kandidat aus dem wirtschaftlich angeschlagenen Frankreich sei für diesen Posten von vornherein disqualifiziert. Moscovici hat nun sogar ein erweitertes Schlüsselressort bekommen, in dem Wirtschafts-, Währungs- und Steuerfragen zusammengefasst sind.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (l.) versteht sich persönlich mit Pierre Moscovici, politisch bekämpft er ihn aberBild: dapd

Zugeständnisse an die Briten

Davon ausgespart hat Juncker allerdings das Thema Finanzdienstleistungen. Dafür ist jetzt der Brite Jonathan Hill zuständig. Das ist ganz nach dem Geschmack der Briten, denn ihnen ist nichts so heilig wie ihr Finanzplatz London. Die britische Regierung wäre sicher auf die Barrikaden gegangen, hätte eine Person mit restriktiven, interventionistischen Ansichten in Bankenfragen den Zuschlag erhalten. Die Wahl Hills dürfte nebenbei ein Versuch Junckers sein, die Briten von einem Austritt aus der EU abzuhalten. Auch die Ressorts für den Finnen Jyrki Katainen und den Letten Valdis Dombrovskis kann man als eine Art Ausgleich für Moscovici sehen. Der frühere finnische Ministerpräsident vertrat bisher ein grundsolides Nordland. Er ist künftig für den Großbereich Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständig, Dombrovskis für die Gemeinschaftswährung Euro. Dazu kommt noch, dass Moscovici "einfacher" Kommissar werden soll, Katainen und Dombrovskis aber Vizepräsidenten und somit Moscovici übergeordnet.

Die polyglotte Schwedin treibt Handel

Eines der wichtigsten Ressorts ist das des Wettbewerbskommissars. Er ist für das Funktionieren des Binnenmarktes zuständig und ist der oberste Kartellwächter der EU. Der bisherige Amtsinhaber Joaquín Almunia hat immer wieder hohe Kartellstrafen verhängt und sich mit Wirtschaftsgiganten wie Google angelegt. Die Dänin Margrethe Vestager folgt ihm nach. Den wichtigsten Posten beim EU-Außenhandel hat die bisherige Innenkommissarin, die Schwedin Cecilia Malmström, bekommen. Sie wird jetzt zum Beispiel für die Ausarbeitung des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA verantwortlich sein. Dabei wird sie erneut ihre Sprachkenntnisse einsetzen können: Malmström spricht neben Schwedisch fließend Englisch, Französisch und Spanisch, daneben recht gut Deutsch und Italienisch, sie war damit das wohl polyglotteste Mitglied der bisherigen Kommission. Als Außenbeauftragte war bereits die Italienerin Federica Mogherini gesetzt. Wegen ihrer geringen Erfahrung war bereits Kritik laut geworden, als Europas Stimme in der Welt sei sie eine schlechte Wahl.

Um die Regulierung der Banken kümmert sich künftig ein BriteBild: Getty Images

Oettinger bekommt einen Vorgesetzten

Die Bundesregierung in Berlin hatte erneut den bisherigen Energiekommissar Günther Oettinger nominiert. Er übernimmt nun den Bereich der digitalen Wirtschaft, hat aber einen Vizepräsidenten über sich, den Esten Andrus Ansip. Manche Europapolitiker empfinden das als Degradierung. Überhaupt, der gesamte Aufbau der Kommission ist nicht nur neu zugeschnitten, sondern auch hierarchischer geworden: Es gibt über den Fachkommissaren sieben Vizepräsidenten, die deren Arbeit koordinieren und umfassendere Zuständigkeiten haben, und noch über ihnen ist die "rechte Hand" Junckers, der Niederländer Frans Timmermans. Von dieser Struktur verspricht sich der Kommissionspräsident eine effektivere Arbeit.

Spießrutenlaufen im Parlament

Die Kommission ist damit zwar vollzählig, doch muss jeder einzelne Kommissar erst noch durch die Mühle einer stundenlangen Anhörung im jeweiligen Fachausschuss des Europaparlaments, wo seine Kompetenz und Integrität geprüft werden. Besonders der Franzose Pierre Moscovici muss sich dabei auf einiges gefasst machen. Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Parlament, spricht bereits von einer bevorstehenden "harten Prüfung, weil er die Schuldenpolitik Frankreichs bislang mitgestaltet hat". Doch selbst wenn das Parlament an einem Kommissar etwas Schwerwiegendes auszusetzen hat, kann es nur die gesamte Kommission ablehnen. Bei den Kommissionen 2004 und 2009 musste das Parlament das nur androhen, die beanstandeten Kommissare wurden ausgetauscht.

Günther Oettinger wechselt vom Energieressort zur DigitalwirtschaftBild: picture-alliance/dpa
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