Jung & international: das Bundesjugendballett
9. April 2012Sie lachen und albern herum, aber trotzdem sind sie hoch konzentriert. Die Tänzer des Bundesjugendballetts stehen in einem Probenraum des Hamburger Ballettzentrums. Sie feilen an den letzten Schritten und Posen für eine neue Choreografie, die sie selbst entwickelt haben. Auch das gehört beim Bundesjugendballett dazu, nicht nur das Tanzen. Die jungen Künstler sollen hier vor allem in ihrer Kreativität gefördert werden. "Sie sagen nicht einfach zu uns: 'Tu das und das'", sagt Winnie Dias aus Brasilien. Sie habe hier gelernt, etwas Eigenes zu erarbeiten. Die 21-Jährige tanzt seit ihrem fünften Lebensjahr, nach der Tanzausbildung in ihrem Heimatland und in Deutschland hatte sie schon erste Engagements. In Hamburg schätzt sie die hohe Qualität und dass sie mit großen Künstlern zusammenarbeiten kann.
Immerhin wurde das Bundesjugendballett auch von dem legendären Ballettmeister John Neumeier gegründet. Seit September vergangenen Jahres ist es nun in dem großen Backsteinbau seines Ballettzentrums beheimatet. Die Bundesregierung unterstützt das innovative Projekt, das zunächst für vier Jahre angesetzt ist, mit gut 2,8 Millionen Euro. "Wir wollen den Tanz als Kunstform in der Gesellschaft weiter festigen", sagt Neumeier. Für den 70-Jährigen ging damit ein Traum in Erfüllung.
Zum Tanzen nach Deutschland
Auch für Maurus Gauthier ist die Jugend-Compagnie, wie er selber sagt, ein Traum. Der Schweizer hatte sich gerade dazu entschieden, die Abschlussklasse von Neumeiers Ballettschule zu wiederholen, weil er sich noch nicht fit genug für die Profikarriere fühlte. Dann kam die Ausschreibung für das Bundesjugendballett. "Das Schwierigste als Tänzer ist, einen Job zu finden", sagt Gauthier. Durch die Erfahrungen im Bundesjugendballett hofft er, bessere Chancen zu haben. Dafür sind einige seiner Tanzpartner extra nach Deutschland gekommen. Etwa Natalie Ogonek aus Kanada. Sie mag den Umgang der Deutschen mit Kunst und Kultur. "Hier ist das etwas ganz Normales, und Künstler werden nicht als abgehoben wahrgenommen", findet sie. Gabriela Finardi, die aus Brasilien stammt und an der Schule des Hamburg Ballett ihre Ausbildung gemacht hat, schätzt an Deutschland, dass es hier so viele Tanzensembles gibt.
Alle acht Mitglieder der Junior-Compagnie sind bereits ausgebildete Profis. "Das Bundesjugendballett ist so etwas wie ein Masterstudium", sagt der organisatorische Leiter Lukas Onken. Daher legt man auch Wert darauf, sich mit allem auseinanderzusetzen, was zur Kunstform des Tanzes gehört. Theaterluft atmen, Werkstätten kennen lernen: vom Kostüm über die Maske bis hin zum Bühnenaufbau. Die zwei Jahre sollen eine Brücke bilden zwischen Ausbildung und Beruf und dabei auch neue Perspektiven öffnen.
Erste Berührung mit Ballett
"Ich könnte mir vorstellen, mal als Choreograf zu arbeiten", sagt Patrick Eberts. Auch er tanzt seit seiner frühesten Kindheit. Von den Anfängen an der Tanzschule seiner Mutter in Bamberg führte ihn seine Leidenschaft schließlich nach Hamburg an die Ballettschule. Der junge Mann sitzt auf einem Holzstuhl am Rand des Ballettsaales, während seine Kollegen zu Schuberts Oktett in F weiter proben. Eine Verletzung an der Schulter zwingt ihn derzeit zu pausieren. Doch nicht nur Eberts schaut heute zu. Auf dem Fußboden nahe der Eingangstür sitzen Schüler einer Hamburger Stadtteilschule. Sie dürfen bei den Proben dabei sein. Denn das Bundesjugendballett ist nicht nur eine Plattform für junge Tänzer, sondern soll auch eine Brücke zu Menschen herstellen, die sonst mit Ballett nicht in Berührung kommen.
"Tanz steckt in jedem Menschen"
Darum trainieren die jungen Profis in Workshops gemeinsam mit Laien. "Es ist eine Inspiration, mit so unterschiedlichen Leuten zusammenzutreffen", sagt Yukino Takaura aus Japan. Als die Profis eine Mittagspause machen, dürfen die Siebtklässler aufs Tanzparkett. Einige tragen Jogginghosen, andere ihr Straßen-Outfit. An ihre Schule haben sie kleine Tanzchoreografien eingeübt, die sie jetzt zeigen dürfen. Eine Gruppe will das Gefühl von Wut tänzerisch darstellen. Mit hochrotem Kopf stapfen die 13-bis 14- Jährigen auf Socken durch den Saal. Sie strengen sich an, manche wirken verschämt, anderen sieht man den Spaß an der Bewegung an. "Ich sehe keine Wut", so das ernüchternde, aber ehrliche Urteil von Ballettmeister Stegli. Dann gibt er den Schülern Tipps, wie sie ihre Aufführung verbessern können.
"Wir sind ja noch schlecht", sagt ein Junge später. Aber es mache ihm Spaß, von den richtigen Tänzern zu lernen. Genau wie seinen umstehenden Klassenkameraden, die ihm gleich beipflichten. Auch die jungen Tänzer sind begeistert von der ungewohnten Zusammenarbeit. "Jeder kann sich bewegen", meint der Ballettmeister der Truppe, Yohan Stegli: "Tanz steckt in jedem Menschen."