Junge Algerier gehen auf die Barrikaden
8. Januar 2011Seit Beginn der gewaltsamen Proteste gegen die hohen Lebensmittelpreise in Algerien sind in dem Land bereits drei Menschen ums Leben gekommen. Der algerische Innenminister Dahou Ould Kablia sagte am Samstag (08.01.2011) im Fernsehen, er könne den Tod von drei jungen Menschen bestätigen. Zuvor lag die Zahl der Toten bei zwei Demonstranten. Die Vorfälle ereigneten sich demnach in den Städten M'sila, Tipaza und Boumerdès, die zwischen 50 und 300 Kilometer von der algerischen Hauptstadt Algier entfernt liegen.
Bei den seit Mittwoch andauernden Unruhen wurden nach Angaben der algerischen Regierung bislang außerdem 400 Menschen verletzt, darunter 300 Polizisten.
Regierung kündigt Preisnachlässe an
In einer ersten offiziellen Reaktion auf die Unruhen sagte der Jugendminister Hachemi Dijar, "Gewalt hat noch niemals Ergebnisse gebracht". Die Regierung kündigte unterdessen vorübergehende Preisnachlässe für Speiseöl und Rohzucker an. Die Maßnahmen beträfen Nachlässe bei der Mehrwertsteuer und bei Importsteuern auf die Lebensmittel, hieß es in einer Stellungnahme der Regierung. Die Nachlässe gelten demnach vorerst bis Ende August.
Ärger über Verteuerung der Grundnahrungsmittel
Die Wut der Demonstranten entzündete sich an den Anfang des Monats stark gestiegenen Preisen für Grundnahrungsmittel, richtet sich jedoch auch gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge sind 75 Prozent der Algerier jünger als 30 Jahre, mehr als 20 Prozent von ihnen sind arbeitslos. Nach Angaben der algerischen Gewerkschaft der Händler und Handwerker stiegen die Lebenshaltungskosten zuletzt um 20 bis 30 Prozent. Am stärksten betroffen seien die Preise für Zucker und Öl. Auch die Preise für Milch und Mehl wurden in den vergangenen Tagen heraufgesetzt.
Vereinte Nationen warnen vor Hungerunruhen
Die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) zeigte sich beunruhigt über den weltweiten Anstieg der Preise von Lebensmitteln in den vergangenen sechs Monaten. Der Preis für Grundnahrungsmittel sei auf dem höchsten Stand seit 1990 und damit höher als zur Zeit der weltweiten Hungerunruhen 2008. Dieser Preisanstieg sei "sehr beunruhigend, da er Millionen Menschen trifft, vor allem wenn es um Grundnahrungsmittel wie Getreide geht", sagte der FAO-Getreideexperte Abdolreza Abbassian in Paris.
Auch im Nachbarland Tunesien gibt es seit Tagen Proteste aus Verzweiflung über die Armut, aber auch die Repression der Führung unter Präsident Ben Ali. Trotz des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gehen inzwischen auch regierungstreue Beamte auf die Straße.
Autorin: Annamaria Sigrist (afp, dpa, dpad)
Redaktion: Reinhard Kleber