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Junge Araber lehnen den IS ab

Lewis Sanders / Ba13. April 2016

Eine Studie zeigt: Die Mehrheit der jungen Menschen im Nahen Osten hat keine Sympathie für die Terrormiliz IS. Viele kritisieren vor allem die zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Probleme, die den IS stärken.

Ein junger Mann schaut traurig an einem Kontrollpunkt in der Nähe der Stadt Brega gesehen, Ost-Libyen (Quelle: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Konstantinidis

Wie blicken junge Menschen in der Arabischen Welt auf ihre Region? Um das herauszufinden, hat die PR-Firma ASDA'A Burson-Marsteller (ABM) 3.500 Frauen und Männer zwischen 18 und 24 Jahren in 16 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas befragt.

Die zentrale Aussage der Studie: "Die überwältigende Mehrheit der jungen Araber lehnen Daesh (das arabische Akronym für die Terrormiliz "Islamischer Staat") ab und sind überzeugt, dass die Gruppe mit dem Ziel, einen islamischen Staat zu errichten, scheitern wird", heißt es in dem Bericht.

Auf die Frage, ob sie den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) unterstützen würden, wenn die Miliz weniger Gewalt anwenden würde, gaben 78 Prozent "Nein" an. Fast genauso viele widersprachen der Aussage, wonach es dem IS gelingen wird, einen islamischen Staat in der arabischen Welt zu errichten.

Ein Problem: Zu wenige Chancen für junge Menschen

Die Hälfte der Befragten gab zudem an, der Aufstieg der Terrorgruppe "ist das größte Hemmnis im Nahen Osten", während Arbeitslosigkeit und zivile Unruhen von 35 und 34 Prozent genannt wurden. Mehrfachnennungen waren möglich. Der Studie zufolge werden vor allem "zu wenige Arbeitsplätze und Perspektiven für junge Menschen" als Gründe dafür genannt, dass junge Menschen dem IS beitreten.

Das bestätigt Mohamed Abdelmaguid, Nahost- und Afrika-Experte der "Economist Intelligence Unit". Das Fehlen von guten Jobs werde der Terrormiliz auch in der Zukunft in die Hände spielen, sagt er der DW. "Es wird schlechter, bevor es besser wird."

"Diese Erkenntnis ist wichtig, weil die Wachstumsraten in den meisten Volkswirtschaften im Nahen Osten unter dem Wert liegt, der nötig ist, um ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen." Offizielle Statistiken gingen nicht auf dieses Phänomen ein, sagt Abdelmaguid.

Gewaltfrei gegen den IS

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"Gleichzeitig hat die herrschende Elite in der Region kein ernsthaftes Interesse an wirtschaftlichen und politischen Reformen. Deshalb werden die steigende Arbeitslosigkeit, die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich sowie die anhaltenden politischen Repressionen auf kurze Sicht weiter einen Nährboden bilden für solche Gruppen."

Gute Bildung, schlechte Perspektive

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) berichtete im vergangenen Jahr, dass der Nahe Osten und Nordafrika weltweit die Regionen mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit sind. Sie liegt demnach bei 28,2 und 30,5 Prozent. Die Zahlen "sind schlimmer geworden seit 2012, insbesondere für junge Frauen", heißt es in dem Bericht.

Trotz der steigenden Arbeitslosigkeit ist die Alphabetisierungsquote in der Region sehr hoch, betont Paul Salem vom "Middle East Institute" mit Sitz in Washington. Er sagte der DW, 92 Prozent der jungen Menschen könnten Lesen und Schreiben. Dadurch entstehe eine Schere "zwischen den Fähigkeiten der Menschen und den Möglichkeiten, die ihnen offen stehen".

Frustration als Auslöser für den IS-Beitritt

Salem sagte weiter: "Die Studie zeigt vor allem, das aus Sicht der jungen Menschen Arbeitslosigkeit das größte Problem ist. Es ist normal, dass sie diese deshalb als wichtigsten Grund nennen, dem IS beizutreten. Für sie ist es das Schlimmste."

Der Experte betonte, es sei wichtig festzuhalten, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Arbeitslosen in der arabischen Welt sich weder dem IS noch anderen radikalen Gruppen anschließe. "Der Auslöser, dem IS beizutreten, ist eine Kombination aus jugendlicher Frustration - vor allem Arbeitslosigkeit, aber auch das Fehlen politischer Rechte und Mitbestimmung - und aus dem Vorhandensein von radikalisierenden Ideologien und Netzwerken."

Das Problem bleibt - mit oder ohne IS

Die Terrormiliz nutze diese Situation zur Rekrutierung neuer Mitglieder, sagt Hassan Hassan vom "Tahrir Institute for Middle East Policy" in Washington. "Die Organisation floriert wegen politischem, wirtschaftlichem, sozialem und religiösem Versagen. Daesh könnte schwächer werden und ganz verschwinden, aber die tiefer liegenden Probleme bleiben und ähnliche Gruppen werden ihren Platz einnehmen, wenn die Probleme nicht angegangen werden." Er fügt hinzu: "Die Ergebnisse der Studie sollten eine Mahnung an alle sein, dass Daesh nicht einfach vom Himmel gefallen ist."

Vor fünf Jahren noch gingen Hunderttausende - vornehmlich junge Menschen - in ihren Städten auf die Straße, um politische Veränderungen zu fordern. Viele, die an den Aufständen in Ägypten, Syrien, Libyen, Jemen und anderswo teilnahmen, mussten mit ansehen, wie ihre Revolutionen von Konflikten oder wieder auflebenden autoritären Systemen verdrängt wurden.

Die Hoffnungen und Wünsche aus der Zeit des Arabischen Frühlings haben sich in Ägypten nicht erfülltBild: AFP/Getty Images/M. Khaled

Junge Menschen ein Gewinn, keine Gefahr

Deshalb ist es keine Überraschung, dass die Mehrheit der befragten Araber sagte, sie schätzte die "Förderung der Stabilität der Region" stärker als die "Förderung von Demokratie". "Mehr als 200 Millionen junge Menschen leben im Nahen Osten und in Nordafrika. Sie sind immer engagiert, aber auch oft frustriert. Sie sind entweder der größte Gewinn für die Region oder aber die größte Bedrohung", sagt Sunil John, Gründer und Präsident von ABM.

"Es ist meine persönliche Überzeugung, dass sie ein Gewinn sind. Sie sind eine noch nicht erschlossene Quelle voll mit Potenzial, und damit Konkurrenz für jedes Öl- oder Gasfeld, und von Nutzen für die Region und die Welt. Die Regierungen des Nahen Ostens und Nordafrikas können es sich nicht leisten, sie im Stich zu lassen."

Der Wunsch nach Stabilität bedeutet aber nicht, dass Menschen- und Freiheitsrechte hinten anstehen. Zwei Drittel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass "arabische Führer mehr tun sollten, um persönliche Freiheit und die Menschenrechte ihres Volks zu verbessern."

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