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Gesellschaft

Deutsche Juden, die alles zurücklassen

Dana Regev chal
5. März 2019

Zunehmender Antisemitismus und ein generelles Gefühl des Fremdseins veranlasst in Deutschland aufgewachsene Juden, nach Israel auszuwandern. Auch wenn dort nicht alles einfach ist, ihre Entscheidung bereuen sie nicht.

Skyline Tel Aviv
Bild: imago/Dean Pictures

Menschen, die in Israel geboren und aufgewachsen sind, kriegen selten zu hören, jemand sei neidisch auf ihre Herkunft. Das Land liegt im blutigen Konflikt mit den Palästinensern, und der Militärdienst ist Pflicht. Die Einkommensungleichheit ist der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zufolge in nur wenigen Ländern größer. Außerdem gehört Israel zu den Ländern mit den längsten Arbeitszeiten.

All dies macht Israel nicht gerade zu einem offensichtlichen Einwanderungsland, besonders nicht für Menschen aus Deutschland - einem weiteren OECD-Mitglied, das Israel gleich in mehreren Vergleichen schlägt, darunter beim Durchschnittsgehalt und beim PISA-Test. Einigen deutschen Juden sind diese trockenen Fakten jedoch egal. Sie haben sich trotz allem dazu entschieden, nach Israel auszuwandern - und bereuen es nicht.

"Schau nur, was sie anhaben"

"Kann ein Jude in Deutschland auch nur sein Haus verlassen, ohne wie ein Museumsstück behandelt zu werden? Nicht wirklich", sagt Alon Kogan. Der 22-Jährige wurde in Offenbach am Main geboren und ging 2015 nach Israel. "Ich bin mir früher immer wie eine Touristenattraktion vorgekommen", erzählt er. "Hier in Israel fühle ich mich nicht länger wie ein Außenseiter."

Kogan wuchs in der Nähe von Frankfurt auf - in einer Gemeinde mit etwas mehr als 6500 Juden. Das habe aber nicht gereicht, um sich mit seiner Religion wohl zu fühlen. "Die Leute sind immer am Tuscheln: 'Sieh mal! Da sind Juden! Schau nur, was sie anhaben!', wenn eine Gruppe Orthodoxer über die Straße geht. Es ist, als ob sie immer noch erstaunt darüber sind, dass es Juden auf der Welt gibt."

Maya Rosenfeld war es leid, sich für ihre Religion ständig rechtfertigen zu müssenBild: privat

Auch Antisemitismus habe es immer wieder in seiner Umgebung gegeben. "Mir passierte nie etwas Schlimmes, aber Freunde haben mir regelmäßig von kleineren Vorfällen berichtet", sagt Kogan. "Nach dem Gymnasium erzählte mir ein Freund, dass er nach Israel ausgewandert sei. Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich das auch machen will, als ob es genau das Richtige für mich wäre."

Ein Gefühl des Dazugehörens

Staatliche Erhebungen zeigen einen zehnprozentigen Anstieg bei Verbrechen mit antisemitischem Hintergrund im Jahr 2018 - 1646 Delikte gegenüber 1504 im Jahr 2017. Auch Gewaltverbrechen gegen Juden nahmen zu, mit 62 gegenüber 37 im Jahr davor.

Für die 28-jährige Lina war es jedoch nicht der Antisemitismus, sondern mehr ein generelles Gefühl des Fremdseins, das sie vor fünf Jahren dazu bewegte, nach Israel zu gehen. Sie war sieben, als ihre Familie von Lettland nach München zog. Sie habe sich immer mehr wie ein Gast gefühlt, auch wenn sie fließend deutsch sprach und in Deutschland studierte. "Ich hatte immer andere Wurzeln als die anderen", sagt sie. "Darum waren meine engsten Freunde immer diejenigen, die selbst auch einen Migrationshintergrund hatten."

Je mehr Kontakt Lina zur jüdischen Gemeinschaft bekam, umso mehr habe sie darüber nachgedacht, nach Israel auszuwandern. "Die Israelis, die ich traf, schienen viel normalere Leben zu führen. Ihre Geschichten klangen wie etwas, das auch ich erfahren wollte", erzählt sie. "Ich stellte mir vor, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich in Israel aufgewachsen wäre. In Deutschland suchte ich immer nach einem Gefühl des Dazugehörens."

Eine Fremde in der eigenen Heimat

Maya Rosenfeld ging ebenfalls vor drei Jahren nach Israel. "Ich war es leid, mich die ganze Zeit rechtfertigen zu müssen, war es leid, der Welt das Judentum zu erklären", erzählt die 22-Jährige. "Immerzu wurde ich gefragt, warum Juden ihre Söhne beschneiden, oder ich sollte die israelische Politik erklären. Das ist nicht meine Aufgabe; bildet euch selbst."

Während ihrer Schulzeit in Köln schrieb jemand "Judenschwein" auf ihren Stuhl. Ein anderes mal sagte jemand, dass Juden für die Anschläge vom 11. September verantwortlich seien, und behauptete, dass dabei keine Juden gestorben seien. "Das ist einfach nicht wahr, schlag es doch einfach bei Google nach", habe sie damals geantwortet.

Frankreichs Juden fliehen

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Ein Schüler habe eines Tages eine Zeitung mit in die Schule gebracht und sie gefragt, was sie den Menschen im Gaza-Streifen antäte. "Für ihn war ich dafür verantwortlich, weil ich Jude bin", sagt Rosenfeld.

Doch auch nach der Schulzeit habe sie sich weiter verteidigen müssen. "Du glaubst, dass die Menschen über 30 Jahre ein besseres Verständnis des Judentums hätten als Schulkinder. Aber selbst während meiner Ausbildung bekam ich immer dieselben merkwürdigen Fragen zu hören."

Rosenfeld sagt, einige ihrer Freunde in Deutschland würden ihre jüdische Identität geheim halten, um ihre Ruhe zu haben. Für sie sei das jedoch nie eine Option gewesen. Also entschied sie sich 2016, nach Israel zu gehen. "Ich wollte mich nicht länger wie eine Fremde im eigenen Land fühlen", sagt sie.

Die Ignoranz der anderen Seite

"Ich habe mich oft gefragt, ob ich das richtige tue, mein gemütliches Leben in Deutschland hinter mir zu lassen - besonders am ersten Tag des Militärdienstes", sagt Alon Kogan. "Aber wann immer ich Israel besuchte, fühlte es sich wie ein Zuhause an. Also folgte ich meinem Herzen, und es war die richtige Entscheidung."

Es sei nicht länger merkwürdig oder exotisch, wenn jemand zur Synagoge gehe oder jüdische Feiertage begehe, sagt Maya Rosenfeld. So froh sie auch sei, nun in Israel zu leben, völlig unbeschwert ist ihr Leben dort nicht. "Jetzt begegne ich der Ignoranz von der anderen Seite", sagt sie. "Manche Menschen erzählen mir, dass sie wegen dem Holocaust niemals nach Deutschland gehen würden. Als wenn wir alle Nazis wären."

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