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Junge Exil-Tibeter im Einsatz für ein freies Tibet

Veronika Meier 15. April 2008

In der Schweiz lebt die größte Gemeinschaft von Exil-Tibetern in Europa - etwa 3500. Mit Wut und Trauer müssen sie mit ansehen, was in ihrem Heimatland passiert. Einige wehren sich und tun auch etwas dagegen.

Human rights and pro-Tibet activists demonstrate for human rights in China and against the Olympic Games in Beijing outside the International Olympic Committee, IOC, headquarters, in Lausanne, Switzerland, 05 April 2008. EPA/LAURENT GILLIERON +++(c) dpa - Bildfunk+++
Exil-Tibeter und pro-Tibet-Aktivisten protestieren in der Schweiz gegen Chinas Missachtung der Menschenrechte und die Olympischen Spiele. (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Bonstetten im Kanton Zürich in der Schweiz: Täglich schaltet Rigzin Gyaltag den Fernseher ein, um zu sehen, was derzeit in Tibet, in China und rund um den olympischen Fackellauf passiert und was andere Exil-Tibeter von ihren Familienangehörigen in Tibet erzählen. Das alles wühlt ihn auf. Draußen regnet es in Strömen und die tibetischen Gebetsfahnen auf dem Balkon hängen schlaff herunter. Drinnen im Wohnzimmer, mit dem tibetischen Altar in der Ecke, versucht Rigzin Gyaltag in Worte zu fassen, was er fühlt: "Momentan verspüre ich doch sehr viel Wut".

Es ist die Wut über die chinesische Regierung, Wut über deren Politik. Tibet ist bereits seit 1949/50 von den Chinesen besetzt. Rigzin Gyaltag sagt, er wisse und wusste schon immer, wie die Chinesen mit den Tibetern in Tibet umgehen. Jetzt, da die Chinesen in Tibet eine Art Kriegsrecht ausgesprochen haben und alle Touristen und Medienleute aus dem Land gejagt haben, fühle er sich noch ohnmächtiger und noch wütender, weil er genau wisse, dass die Chinesen nun machen, was sie wollen.

Protest gegen China im Ausland

Proteste während des olympischen Fackellaufs in London - auch Rigzin war dort.Bild: picture-alliance/dpa

Doch der 25-Jährige resigniert nicht, er engagiert sich - etwa im Tibeter Jugendverein Europa. Und er will protestieren. Er und seine Freunde waren bereits in London dabei, als der olympische Fackellauf - die "Reise der Harmonie" wie die Tour der olympischen Flamme in China genannt wird - durch massive anti-chinesische Demonstrationen gestört wurde. Protest, sagt Rigzin, sei wichtig. Gerade jetzt, da Chinas Tibet-Politik wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt sei. Wegen der olympischen Spiele könne es sich niemand leisten, einfach wegzusehen.

Rigzin Gyaltag studiert Publizistik und weiß genau, wie man die Menschen dazu zwingen kann auch tatsächlich hinzusehen: Indem man die Medien dazu bringe, über die Protestaktionen zu berichten, sagt er. So wie es die jungen Tibeter derzeit machen. In der Hinsicht, seien sie eben anders als die Generation ihrer Eltern. "Die sind es nicht gewohnt, dass man in erster Linie medienwirksam arbeiten muss, sodass die Leute wirklich kommen und darüber schreiben wollen. Die älteren Generationen, die wollen wahrscheinlich den Protest am eigenen Leibe spüren."

Friedliche Lösung für die Probleme Tibets

Gewalt sei für ihn allerdings keine Lösung, betont Rigzin. Auch wenn er Verständnis habe für jene Landsleute in Tibet, die Chinesen angegriffen und chinesische Einrichtungen und Symbole beschädigt haben.

Tibet 1959 - Tausende tibetische Frauen versammelten sich in Stille vor dem Palast des Dalai Lama, um gegen die chinesische Besatzung zu protestieren. (AP Photo)Bild: AP

Nach 50 Jahren der Unterdrückung seien viele von ihnen auch im Gefängnis gewesen, so wie sein Onkel, sagt Rigzin. "Er war drei Jahre in Einzelhaft und danach ein gebrochener Mann." Auch seine Großmutter sei zwei Jahre im Gefängnis und seine Tante in einem Arbeitslager gewesen. "Da muss man einfach verstehen, dass das auch zu Gewaltausbrüchen führen kann."

Vollblut-Tibeter mit Schweizer Wurzeln

Rigzin sitzt da, leger gekleidet und mit wachem Blick. Er spricht engagiert, klopft immer wieder mit der Hand auf den Tisch, so als wolle er seinen Aussagen damit Nachdruck verleihen. Er ist in der Schweiz aufgewachsen, hat den Schweizer Pass und fühlt sich dennoch als Tibeter. Seine tibetischen Wurzeln sieht man ihm an, auch das führe zu Distanz zu den Schweizern. "Man wird dann nicht als Schweizer wahrgenommen", sagt er. Außerdem habe er auch die eine oder andere Angewohnheit, die sicher nicht sehr schweizerisch sei wie Unpünktlichkeit.

In Tibet selbst war Rigzin allerdings noch nie. Er kennt es nur aus Büchern und aus den Erzählungen seiner Großmutter - und seiner Mutter Dolkar. Die 59-Jährige hat einen Teil ihrer Kindheit in Tibet, in Lhasa verbracht. Ihr Vater war damals Finanzminister in der tibetischen Regierung, die Mutter Hausfrau. An den Druck der Chinesen, erinnere sie sich noch gut, erzählt sie. Mit sieben ging sie dann mit der Mutter und den Geschwistern nach Indien. Mit elf in die Schweiz.

Wann kommt die Lösung? - Tibeter warten schon lange

Das alles ist nun schon mehr als 40 Jahre her. Die Geduld zu haben, sagt Dolkar, das sei schwer. "Der Westen hofft noch immer, dass bei florierender Wirtschaft auch die Demokratie nach China kommt. Das ist eine Illusion - das hat man jetzt auch gemerkt."

Doch dennoch sollen die Tibeter weiterhin Geduld haben. Dolkar sagt, sie könne noch diese Geduld aufbringen, aber was sei mit den Leuten, die umgebracht und gefoltert werden. Das seien dann die Opfer dieser Geduld, die man den Tibetern auferlegt habe. Doch Aufgeben wollen sie alle nicht – erst recht nicht Rigzin. Er arbeitet weiter für seinen Traum: "Ich will als Tibeter zurück nach Tibet reisen können und dort als freier Tibeter leben."

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