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Sorgen vor dem Terror

Carsten Grün, Oberhausen21. Juli 2016

Das Attentat in Würzburg war ein Schock. Aber wie gehen junge Flüchtlinge damit um, wenn Täter aus dem gleichen Kulturkreis stammen? So wie der mutmaßlich afghanische Attentäter von Würzburg? Aus Oberhausen Carsten Grün.

Gruppe von Flüchtlingen in Oberhausen, Foto: DW
Bild: DW/C. Grün

Ein idyllisches Haus im Grünen. Mittagszeit - es riecht nach Essen. "Es gab Auberginen", sagt Othmane Abouelfath, Betreuer der Flüchtlingsgruppe der Evangelischen Kirche in Oberhausen lächelnd. Etwas müde wirken die sechs jungen Männer, alle zwischen 15 und 17 Jahren. Sie stammen aus Afghanistan, dem Irak und Somalia. Sie haben, bis auf Hanad aus Somalia, seit morgens im Sprachkurs gesessen. Hanad ist erst seit einigen Tagen in der Gruppe und immer noch erschöpft von den Strapazen. Jetzt sind sie zuhause in ihrem Jugendhaus, in dem sie für mehrere Monate leben.

"Alle, die hier um den Tisch sitzen, kennen das Chaos, das im Fernsehen täglich beschrieben wird. Krieg, Gewalt, Flucht, Trennung - und Terror. Vor dem sind sie geflohen und irgendwie holt sie der immer wieder ein", so Abouelfath. Wie bei dem Attentat in einem Regionalzug bei Würzburg, als ein junger Flüchtling mehrere Menschen schwer mit Axt und Messer verletzte. "Ich habe das über Facebook mitbekommen und später im Fernsehen. Am Anfang wusste ich gar nicht, dass der Täter erschossen wurde", sagt Reza R., 17 Jahre aus Afghanistan. Sein Gesicht wirkt deutlich älter. Wenn er spricht, macht er Pausen, denkt nach. Es ist das Gesicht eines zu schnell gealterten Kindes, das in sehr kurzer Zeit viel verarbeiten musste und wahrscheinlich aber nicht verarbeiten konnte.

Vor acht Monaten flüchtete er nach Deutschland. Er kennt den Schrecken der Gewalt. "In Kabul war das alltäglich. Ich bin wie viele andere Afghanen so aufgewachsen. Wir kennen das gar nicht anders." Und dennoch macht Reza dieser Anschlag nachdenklich - vor allem, wenn es stimmt, was anfangs über die Herkunft des Täters berichtet wurde. "Er war Afghane wie ich. Ich mache mir schon Sorgen, dass das ein schlechtes Bild auf die anderen Flüchtlinge wirft."

Ali aus dem Irak lebt nach seiner Flucht über Griechenland seit 2015 im Jugendhaus in OberhausenBild: DW/C. Grün

Angst vor Repressalien

Auch Reza H., ebenfalls Afghane, hat die Befürchtung, dass sich solche Attentate auf das Asylverfahren für ihn und andere Flüchtlinge auswirken könnten. Die Tat kann sich der junge Mann auch nicht erklären. "Vielleicht ist er so erzogen worden, ist dazu angeleitet worden oder er war einfach nur labil. Vielleicht hielt er die Tat für was Gutes und wusste nicht, was er damit anrichtet", so Reza H.

Für die Flüchtlinge sind solche Attentate eine Belastung. Die Angst, mit den Tätern in einen Topf geworfen zu werden, ist groß. Ali aus dem Irak kennt solche Momente. "Ich bin im Bus schon mal dumm angesprochen worden oder werde beäugt." Allerdings halten sich im Ruhrgebiet, einer Region mit einer klassischen Zuwanderertradition, fremdenfeindliche Übergriffe im Vergleich zu anderen Gegenden Deutschlands in Grenzen.

Sorgen bei den Politikern

Auch die deutsche Politik sieht hier ein Gefahrenpotenzial und warnt davor, nach dem Zug-Attentat bei Würzburg Flüchtlinge unter einen Generalverdacht zu stellen. "Die grausame Tat eines Einzelnen kann nicht eine Gruppe von vielen Tausend diskreditieren", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert zu dem Vorfall. Bei den Anschlägen in jüngster Zeit wie etwa in Paris, Brüssel und Nizza seien die Täter in den meisten Fällen keine Flüchtlinge gewesen, sondern zum Teil in Europa geboren oder lebten schon sehr lange Zeit dort, so Seibert weiter.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere will keinen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terror herstellen. Man könne nicht sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus gebe. Hinweise zu angeblichen Kontakten von Migranten zu Terrororganisationen hätten sich in den allermeisten Fällen als falsch herausgestellt.

Bei dem Attentat am 18. Juli in Würzburg wurden mehrere Menschen verletztBild: picture-alliance/AP Photo/K.-J. Hildenbrand

Kritik an Medien

Kritisch sehen alle Jugendlichen die Berichterstattung in den Medien. "Es wird immer nur das Negative gezeigt, positive Dinge tauchen einfach nicht auf", sagen alle. Dem stimmt Betreuerin Maya Jovancevic zu. "Es gibt immer gute Beispiele wie gute Schulabschlüsse oder als ein Flüchtling viel Geld gefunden und es abgegeben hat. Aber darüber wird kaum berichtet."

Reza R. sieht in der Berichterstattung eine Schieflage. "In Afghanistan, dem Irak, Syrien passiert viel mehr. Täglich sterben dort Menschen. Die Medien in Europa zeigen aber wochenlang Berichte über die Anschläge in Frankreich. Reza R. reicht es mit der Gewalt. "Ich bin vor solchen Dingen wie Terror und Attentaten geflohen. Und ich möchte nicht, dass solche Dinge jetzt auch hier in Deutschland passieren."

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