Junge Wähler in Polen: "Das Duopol zerstören"
4. Juni 2025
"Ich habe aus einem einfachen Grund für Karol Nawrocki gestimmt: Ich will nicht, dass die regierende Bürgerkoalition (KO) die volle Macht hat", sagt der 19-jährige Maciej aus der polnischen Kleinstadt Sieradz, in der Nähe von Lodz. Er hat gerade sein Abitur bestanden und bei der polnischen Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag zum ersten Mal gewählt. Er ist einer von fast drei Millionen Anhängern des rechtsextremen Slawomir Mentzen und seiner Partei Konfederacja. Diese große Gruppe vor allem junger Wähler trug letztendlich zum Sieg von Karol Nawrocki in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Polen bei.
Es war ein Sieg um Haaresbreite: Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 72 Prozent erhielt der rechtskonservative und EU-skeptische Kandidat der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 50,89 Prozent der Stimmen. Der liberale Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, der für das Regierungslager angetreten war, unterlag mit 49,11 Prozent.
Junge Polen und das Mentzen-Phänomen
Die zweite Runde der Präsidentschaftswahl war geprägt vom Kampf um die Stimmen der jungen Wähler zwischen 18 und 39. Sie hatten im ersten Wahlgang überwiegend Kandidaten gewählt, die keinem der beiden großen Lager PiS oder KO angehören. Ihr Favorit war der rechtsextreme Slawomir Mentzen. Er erreichte im ersten Wahlgang mit 14,8 Prozent der Stimmen (2,9 Millionen Wähler) den dritten Platz.
Hätten jedoch nur die jüngsten Wähler (18 bis 29 Jahre) den ersten Wahlgang entschieden, wären Mentzen und der Kandidat der Linkspartei Razem, Adrian Zandberg, in die zweite Runde weitergekommen. Laut der Wahltagsbefragung des Forschungsinstituts Ipsos stimmten fast 35 Prozent der jüngsten Wähler für Mentzen und fast 20 Prozent für Zandberg. Auch in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen gewann der Kandidat der Rechten.
Die Wahlbeteiligung unter den jungen Wählern war ebenfalls hoch: 76 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gingen an die Urnen. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei 71,7 Prozent.
Zerstörung des Duopols
Was wollen die jungen Polen und warum ist es den liberalen Kräften nicht gelungen, sie für sich zu gewinnen? "Wir möchten dieses Duopol, das die Polen zwei Jahrzehnte lang nur gespalten hat, zerstören", so der 19-jährige Maciej. Die PiS und die KO hätten "20 Jahre lang ununterbrochen regiert und sich gegenseitig gedroht, die Gegner ins Gefängnis zu sperren".
Ähnlich sieht es ein anderer Mentzen-Anhänger: "Ich habe die Nase voll von diesen Parteien, in denen alte Politiker die Strippen ziehen. Ich möchte, dass frisches Blut diese abgeschottete Bühne aufmischt", sagt der 37-jährige Michal aus Torun in Nordpolen, ein Angestellter im öffentlichen Dienst. Lange hatte er überlegt, ob er überhaupt zur Stichwahl gehen sollte. Schließlich ging er hin und stimmte für den Liberalen Trzaskowski.
Mateusz, 31, aus Warschau, Mitarbeiter eines großen Konzerns, wählte im ersten Wahlgang den Linken Adrian Zandberg und im zweiten ebenfalls Trzaskowski. Er kritisiert die beiden großen Parteien, die seit Jahren die Politik in Polen prägen. Sie verfolgten keine nachhaltige Politik. "Deshalb beobachte ich sowohl die Konfederacja als auch die Linke mit Interesse. Obwohl sie zwei gegensätzliche politische Pole darstellen, haben sie einen gemeinsamen Nenner: Sie kommen nicht aus dem KO-PiS-System."
Diesen Trend, keines der beiden großen Lager zu unterstützen, bestätigt der Soziologe Pawel Marczewski. "Es handelt sich vor allem um eine Anti-Duopol-Wählerschaft. Sie will etwas Neues, und Mentzen hat das geboten", erklärt er.
Selbst Nawrocki habe versucht, sich in der entscheidenden Wahlrunde von der PiS zu distanzieren. Die Details seiner Vergangenheit als Ex-Hooligan mit angeblichen Kontakten in die Unterwelt, die in den vergangenen Wochen öffentlich gemacht wurden, könnten ihn bei den jungen Leuten sogar glaubwürdiger gemacht haben. "Sie haben gezeigt, dass er weder eine weitere Inkarnation der PiS noch ein typischer konservativer Intellektueller ist", so Marczewski.
Nein zur Migration, Ja zur Armee
Der Forscher ist Mitautor eines Berichts über die Wahlentscheidung der jungen Polen bei der Präsidentschaftswahl. Er wurde von der Stefan-Batory-Stiftung finanziert, die sich seit den 1980er Jahren der Förderung der Demokratie in Polen verschrieben hat. Der Bericht beschreibt detailliert die Präferenzen junger Menschen in Polen: Sie sind eine heterogene Gruppe, aber im Allgemeinen mit ihrem Leben zufrieden. Sie erwarten vom Staat vor allem eine bessere Gesundheitsversorgung, mehr Sicherheit, niedrigere Lebenshaltungskosten und Migrationskontrolle. Im Gegensatz zu älteren Polen haben junge Menschen mehr Angst vor Migration und weniger vor der Bedrohung durch Russland.
Was ist sonst noch wichtig für junge Erwachsene in Polen? "Die Wirtschaft", antwortet Maciej. "Ich kann einer Person vertrauen, die einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften hat und genug Geld verdient, um nicht das Gehalt eines Abgeordneten annehmen zu müssen", fügt er mit Blick auf seinen Favoriten, den promovierten Wirtschaftswissenschaftler Slawomir Mentzen hinzu.
Weitere wichtige Themen seien für ihn die illegale Migration und das Militär. "Ich möchte nicht, dass mein Land wie Schweden, Frankreich oder Deutschland aussieht, so dass meine Kolleginnen Angst haben müssen, das Haus zu verlassen", erklärt er. "Wir sollten mehr Geld für Munitionsfabriken oder die Grundausstattung der Armee ausgeben. Und unsere Truppen nicht in die Ukraine schicken."
In diesen Politikfeldern zählt Maciej auf Nawrocki, nicht auf die Regierung und deren Kandidaten Trzaskowski: "Mit Präsident Nawrocki ist die Chance größer, dass wir den schädlichen Migrationspakt und den Green Deal ablehnen. Und wir können uns sicher fühlen wie bisher."
Mehr Debatte mit der Jugend
Die Berichte über Nawrockis dunkle Vergangenheit, die vor allem in den Tagen vor der Wahl die Debatte in Polen bestimmt hatten, schreckten die Wähler offenbar nicht ab. Der rechte Flügel und seine Medien stellten die Richtigkeit dieser Berichte ohnehin in Frage. Auch Maciej stimmt zu: "Es war unangemessen, Nawrocki als Zuhälter oder Gangster zu bezeichnen, solange er nicht verurteilt ist."
Keine Überraschungen traten dagegen während des Wahlkampfs über Trzaskowski zutage. Über seinen persönlichen und politischen Werdegang ist alles bekannt. Trotzdem trauen ihm viele junge Leute nicht. Im Wahlkampf seien er und die ihn unterstützende Regierungskoalition nicht genug auf sie zugegangen, kritisieren sie. "Rafal Trzaskowski ist für mich ein Mann mit null Glaubwürdigkeit", sagt Maciej. Er wirft dem Politiker vor, dass er eine Debatte im rechten Fernsehsender Republika abgelehnt habe. Dafür lobt er Mentzen, der im Wahlkampf beide führenden Kandidaten auf seinem Youtube-Kanal interviewt hatte.
Der Kampf um das Präsidentenamt in Polen hat eine Veränderung bei den jungen Wählern gezeigt. Bis vor Kurzem waren sie als Wählergruppe überwiegend passiv. Doch wenn sie in der alternden Gesellschaft ihres Landes gehört werden wollen, müssen sie sich in die politischen Debatten einmischen. "Die gesamte Gruppe der 18- bis 39-Jährigen ist in Polen bereits kleiner als die der über 60-Jährigen", erklärt der Soziologie Pawel Marczewski. "Sie wissen, dass sie wählen gehen und aktiv sein müssen. Sie suchen nach jemandem, der ihnen das Gefühl gibt, sie zu vertreten."