Vor der Beatles-Blitztournee hatte man in Deutschland nur eine leise Ahnung, was diese "Beatlemania" bedeutete. Doch als die Band im Juni 1966 deutschen Boden betrat, wurde sofort klar, was das hieß.
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Juni 1966: Die Beatles machen Deutschland verrückt
Vor der Beatles-Blitztournee hatte man in Deutschland nur einen Hauch von Ahnung davon, was diese "Beatlemania" bedeutete. Doch als die Band im Juni 1966 deutschen Boden betrat, wurde auch dem Letzten klar, was das hieß.
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Drei Tage Ausnahmezustand
1962 beginnt die Karriere der Beatles im Hamburger Star-Club, einem Rockschuppen, der für viele Bands ein Sprungbrett ist. Kurze Zeit später sind sie Superstars und lösen, wo sie auch hinkommen, hysterische Anfälle aus. Nach vier Jahren kommen sie zurück nach Deutschland und versetzen die Jugend in kollektive Ekstase. In den drei Tagen ihrer Blitztour gibt es kaum ein anderes Thema in der Presse.
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
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Als die Maschine am 23.06.66 um 12:56 auf dem Flughafen München-Riem landet, ist auf dem Rollfeld kein Halten mehr. 200 Polizisten versuchen die Fans in Schach zu halten, doch die Presse stürmt die Treppe. Paul lächelt freundlich, hinter ihm gestikuliert Manager Brian Epstein: "Ruhig Blut, Leute...". John bahnt sich mit gestresster Miene den Weg, die anderen Beatles verschwinden im dichten Gewühl.
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Hotelbelagerung
Fans warten vor dem "Bayerischen Hof", wo die Beatles residieren. Solch einen Auflauf "langmähniger Teenager in Gammlerjacken" hat München noch nicht gesehen. Die Kids brüllen Sprechchöre, während im Hotel noch schnell die Zimmersituation geklärt werden muss. Versehentlich sind Doppelzimmer gebucht worden, was den Herren nicht behagt. Später kommen sie tatsächlich ans Fenster und grüßen ihre Fans.
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Als Geschenk ein paar Krachlederne
Die "vier Sängerknaben" sind bei ihrer Ankunft "zu ihrem Entzücken" ("Die Welt") zünftig beschenkt worden: Lederhosen mit Hirschhornknöpfen und weiße Trachtenhemden. Um 16:00 findet eine Pressekonferenz in ihrem Hotel statt, mit vielen dümmlichen Reporterfragen. "Bild" fragt Ringo, ob ihm die Lederhose nicht zu groß sei. Und Ringo: "Kann sein. Dann warte ich, bis das Baby mit reinwächst."
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Fab Four mit Handicaps
Während Deutschlands Jugend in diesen Junitagen komplett durchdreht, zeigen sich ältere Leute eher unmutig ("Deppen", "Paviane"). Die Presse wundert sich über den Erfolg der Beatles. Der "Münchener Merkur" schielt auf die äußerlichen Nachteile: "Der kurzsichtige John Lennon, der Linkshänder Paul McCartney, George Harrison mit den abstehenden Ohren und Ringo Starr mit der übergroßen Nase."
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Erster Auftritt im Münchener Circus Krone
Am 24. Juni geben die Beatles zwei Konzerte, eins am Nachmittag, eins am Abend. Sie spielen jeweils eine halbe Stunde und werden vom hysterischen Publikum niedergekreischt. Reporter der "Süddeutschen Zeitung" sorgen sich um die Dachkonstruktion des Zirkusbaus. "Als die Gitarren ihren harten Rhythmus beginnen, wird der Lärm so stark, dass es aus ärztlicher Sicht ratsam wäre, das Weite zu suchen."
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Oh mein Gott! Oh mein Gott!
Zum ersten Mal zeigt sich auch in Deutschland, was wahre Fanhysterie bedeutet. Schreien vor Entzücken, Schwärmen bis an die Schmerzgrenze. Der Reporter vom "Main-Echo" hält Momente des Konzerts fest: "18:56 Uhr: Ein 16-jähriges Mädchen ist aufgesprungen, rennt die paar Stufen zur Bühne hinunter, stürzt zu Boden, kreischt auf. Sanitäter packen entschlossen zu und tragen das Kind hinaus."
Bild: Rockmuseum München, Foto: Rainer Schwanke/Archiv Herbert Hauke
Riesensause in Essen
Nach zwei Auftritten in München geht es direkt weiter nach Essen. Warum ausgerechnet in dieser vergleichsweise kleinen Stadt im Ruhrgebiet? Berlin stand vor der Tour in Verhandlungen mit dem Management. Die Beatles wollten weder auf der Waldbühne noch im Olympiastadion spielen. Stadionkonzerte waren auf der Blitztour nicht vorgesehen. Also treten sie in der Essener Grugahalle vor 8000 Leuten auf.
Bild: picture-alliance/Bildarchiv/Hemann
Zurück in Hamburg
"Hamburger Morgenpost": "25 Minuten lang rasten Hamburgs Teenager im Beatles-Taumel. Vor allem die Mädchen wanden sich stöhnend und heiser schreiend unter dem peitschenden Rhythmus ihrer Idole. Es war der größte Massenrausch, den man je in dieser Halle erlebt hat." 5700 Fans sehen die beiden Konzerte in der Ernst-Merck-Halle. Die "Bild" schreibt trocken: "Sie schrien. Sie weinten. Sie fielen um."
Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Ducklau
Abflug Richtung Japan
Es ist vorbei. Am Hamburger Flughafen verabschieden Fans das "weltberühmte Beat-Quartett". Die Beatles fliegen nach Tokio, wo ihre Asien-Tour startet. Großes Aufatmen in der Presse: "Wir haben die Beatles überstanden ohne Schaden zu nehmen an Leib und Seele", schreibt die "Sonne" aus Baden-Baden. Die Bilanz der Blitztour: Zehntausene gebrochene Teenie-Herzen und neun zerbrochene Stühle.
Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Lohmann
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Die Jugendzeitschrift "Bravo" holt die Fab Four im Juni 1966 für drei Tage nach Deutschland. Erstmals seit 1962 sind sie wieder da - das Fieber ergreift nicht nur die Fans, die ohnehin seit Jahren verrückt nach den Beatles sind, sondern auch die Presse. Die hat schon lange die steile Karriere der "vier Sängerknaben aus Liverpool" mit mehr Argwohn als Neugier verfolgt. Aber nicht ohne eine gewisse Faszination. Und genau diese Mischung schlägt zu Buche, als die mittlerweile "weltberühmte Beat-Band" für drei Tage nach Deutschland kommt und eine Welle der Hysterie - den Höhepunkt der deutschen Beatlemania - auslöst.
Plötzlich muss man sich mit den Fans beschäftigen, diesen "langmähnigen Teenagern", die man im vermufften Nachkriegsdeutschland eigentlich für verrückt hält. Zeitungen bemühen sich um Interviews mit Psychologen, um das merkwürdige Verhalten der Teenager besser deuten zu können und zu klären, dass von diesen Leuten keine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht.
Krawalle gibt es auch zunächst nicht. Nur immer wieder Anhäufungen von schreienden Teenagern, die meisten davon weiblich, "knapp bekleidet in ihren Miniröcken". Sie erwarten die Beatles am Münchener Flughafen - und kreischen. Sie belagern das Hotel - und kreischen. Sie besuchen die Konzerte - und kreischen.
Jedes Detail wird zur Nachricht
Währenddessen verfolgt die Presse die Fab Four auf Schritt und Tritt - die Münchener Abendzeitung will sogar beobachtet haben, dass die vier Herren sich nach ihrer Ankunft im Münchener Luxushotel in ihre Suiten zurückgezogen, Schallplatten gehört und Tee mit Milch und Zitrone getrunken haben. Am späteren Abend gibt es eine Poolparty auf dem eigens für sie reservierten Hoteldach. Paul schwimmt. Die anderen ziehen es vor, Whisky zu trinken.
Auch das Frühstück wird genauestens beschrieben: "Die Pilzköpfe schlafen lange, essen relativ einfach und trinken gewaltig", schreibt der "Mittag", eine Zeitung aus dem Ruhrgebiet. "Sie verzehrten ein Frühstück, das aus Tee mit Milch, Cornflakes, und für Paul und Ringo zusätzlich aus Schinken und Spiegeleiern, für George und John aus Filetsteaks und Salaten bestand. Dazu brachte der Ober nicht weniger als sechs Flaschen Cola, drei Flaschen Whisky, zwei Flaschen Wein und 36 Flaschen Seven Up." Die Fans saugen jedes dieser Details auf. So ist anzunehmen, dass die schreibende Zunft in diesen Tagen die eine oder andere Tatsache auch mal "frisiert" hat, um mehr Leser anzulocken.
Lärm, Krach und Gebrüll
Nach zwei Konzerten in München geht es weiter nach Essen, wo die Beatles ebenfalls zwei Konzerte geben, bevor sie in den Nachtzug nach Hamburg steigen. Hier sollen sie - anstatt zu schlafen - sich ordentlich einen hinter die Binde gekippt haben.
Die Fans fallen weiterhin nur durch Lautstärke und hysterische Zusammenbrüche auf. Doch während die Band ihr zweites Konzert in Hamburg spielt, rotten sich draußen die "Rowdys" zusammen - Krawallbrüder, die randalierend durch die Straßen ziehen, Schaufensterscheiben einwerfen und Autos umkippen. Es fällt der Presse schwer, die Krawalle von den Beatleskonzerten zu trennen. Denn für die meisten Journalisten ist das, was sich in den Hallen abspielt, Lärm und Teufelszeug. Da "reißen sich junge Mädchen die Kleider vom Leib", andere müssen wegen Schreikrämpfen psychologisch behandelt werden. Die "Kölnische Rundschau" beobachtet, wie zwei Jungen in Ekstase verfallen und noch zappeln, als sie bewusstlos fortgeschleppt werden.
Und der Krach auf der Bühne erst! Statt mit ihren alten 100 Watt-Verstärkern rücken die Beatles nun mit vier 150 Watt-Verstärkern an und drohen mit ihrer Lautstärke hunderte Trommelfelle zu zerfetzen. Manche ängstigen sich um die Dachkonstruktionen der Hallen. (Funfact: Keine zehn Jahre später pusten Deep Purple ihre Fans bereits mit 10 000 Watt um, heute bringen die Verstärkeranlagen bei großen Festivals bis zu 200 000 Watt.)
Lasst die Kinder doch machen
Als die Beatles nach drei Tagen weiter nach Japan fliegen, schüttelt sich Deutschlands Presse: Die Hysterie ist abgeflaut, der kollektive Wahnsinn ist vorbei. Die Hotels sind glücklich, dass nichts zu Bruch gegangen ist, Hamburg hat lediglich neun zerbrochene Stühle zu beklagen. Journalisten, die einen klaren Kopf behalten haben, bitten ihre Leser, es ihnen gleich zu tun. Der damals sehr beliebte deutsche Schauspieler Harald Leipnitz schreibt in einer Kolumne folgende Sätze: "Ihre Haare sind zwar lang, aber sehr gepflegt. Ihre Hemden sind extravagant, aber sauber. Ich finde die Beatles sympathisch." Zum Schluss seines Textes haut Leipnitz in eine empfindliche Kerbe der Deutschen: "Gerade wir Erwachsenen, die wir schon so eine fatale politische Hysterie erlebt haben, müssten dem Überschwang harmloser pubertärer Begeisterung wohl ein wenig Toleranz entgegen bringen."