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Politik

Jurist: "Sperrzonen im Corona-Kampf möglich"

1. März 2020

Mit der Ausbreitung des Coronavirus steigt in Deutschland die Verunsicherung. Auch Fragen zur Rechtslage häufen sich. Im Interview mit der Deutschen Welle erklärt der Kölner Rechtsanwalt Solmecke, was man wissen muss.

Deutschland 2014 Freiburg | Symbolbild Coronavirus | Polizeiabsperrung
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

DW: Herr Solmecke, welche Möglichkeiten hat der Staat, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen?

Christian Solmecke: In Deutschland ist alles ganz gut geregelt. Wir haben das Infektionsschutzgesetz und das regelt auch, wann man Menschen in Quarantäne geben kann. Auch gegen deren Willen, nämlich immer dann, wenn eine Gefahr für die Allgemeinheit droht. Das passiert ja im Moment auch, dass Menschen in Quarantäne gebracht werden. Die meisten sind allerdings so vernünftig und begeben sich entweder selbst in häusliche Quarantäne oder stationär, falls entsprechende Anzeichen gegeben sind.

Eine von den Behörden beschlossene Quarantäne würde die freiheitlichen Bürgerrechte einschränken. Wäre das ohne Sonderregelungen möglich?

Wir haben zwar unsere Freizügigkeit in Artikel 11 des Grundgesetzes geregelt. Allerdings gibt es auch für den Katastrophenfall oder den Seuchenfall - der ist quasi eingetreten - Ausnahmeregelungen. Mit ihnen kann der Staat die Freizügigkeit zum Schutze aller Bürger einschränken. Insofern haben wir die Freizügigkeit zwar grundrechtlich gewährt, aber eben nicht schrankenlos. Es kann eine Schranke gesetzt werden in einem Fall, wie wir ihn im Moment erleben.

Gesundheitsminister Jens Spahn und Bundesinnenminister Horst Seehofer berichten über die Lage im Kampf gegen das CoronavirusBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Und wer soll dann diese Quarantäne konkret umsetzen? Wer ist dafür verantwortlich?

Zunächst ist das Landessache. Das heißt, die Landesbehörden oder die Gemeinden sind für die Umsetzung verantwortlich. Wenn allerdings eine Epidemie größer wird, gibt es zentrale Koordinationsstellen, wie sie jetzt gebildet worden sind. So gibt es einen Krisenstab, der von der Bundesregierung aufgestellt worden ist. Hier stimmen sich die Behörden untereinander ab. Vor Ort sind es meistens die Gesundheitsämter, die dann die Entscheidungen treffen.

Könnte im Ernstfall auch die Bundeswehr eingesetzt werden?

Die Bundeswehr ist theoretisch nur für den Kriegsfall da und darf im Inneren keinesfalls eingesetzt werden. In extremen Ausnahmefällen könnte man aber auf die Bundeswehr zurückgreifen. Hierfür sehe ich allerdings im Moment noch keine Anhaltspunkte. Doch wenn es wirklich darum geht, dass Polizei und Ordnungsämter nicht hinterherkämen und immer mehr Corona-Infizierte bewusst durch die Gegend laufen und andere Menschen anstecken würden, könnte man die Bundeswehr einschalten.

Welche weiteren Möglichkeiten gäbe es, könnten Sperrbezirke eingerichtet werden – ähnlich wie in China?

Rechtsanwalt Christian SolmeckeBild: privat

Im Infektionsschutzgesetz sind so weitreichende Befugnisse für den Staat vorgesehen, dass er auch ganze Sperrzonen einrichten kann. Er hat sogar die Möglichkeit, den Verkehr lahm zu legen. Dann hätte man zumindest im Kleinen etwas ähnliches, wie wir es in China erleben, nämlich das Absperren ganzer Zonen. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Das wäre für den Fall ganz schlimmer Horrorszenarien möglich. Ich weiß nicht, ob das Coronavirus schon dafür ausreicht, dass wir zu solch extremen Maßnahmen greifen. Meines Erachtens müsste es sich um ein tödlicheres Virus handeln, als es Corona ist.

Kann ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter ins Ausland schicken, auch wenn es sich um eine Reise in ein Land handelt, in dem das Virus sehr verbreitet ist?

Zunächst einmal muss ich in meinem Arbeitsvertrag schauen, ob überhaupt Auslandsreisen infrage kommen und ob das so vereinbart ist. Falls das der Fall ist und es keine Reisewarnung für ein Land gibt, wie zum Beispiel aktuell Italien, dann kann ich mich nicht so einfach weigern und muss der Weisung des Arbeitgebers folgen. Es sei denn, es liegen sehr persönliche Gründe vor. Beispielsweise eine Vorerkrankung. Das heißt, jemand hat bereits einen schweren Lungenschaden und die Gesundheitsgefahr würde sich für ihn durch eine solche Reise nochmals enorm erhöhen. Wenn solche Anhaltspunkte vorliegen, kann ich mir vorstellen, dass es im Einzelfall Ausnahmen gibt. Generell gilt aber, solange keine Reisewarnung vorliegt, muss man den Weisungen des Arbeitgebers folgen.

Wie sieht die Rechtslage für Ausländer aus, die sich in Deutschland aufhalten oder nach Deutschland reisen wollen, wie etwa Touristen?

Auf alle Fälle wäre es möglich, dass der deutsche Staat die Grenzen immer weiter dicht macht. Dass er Flüge aus China, dem Iran oder woher auch immer stoppt, falls sie eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen könnten. Und genauso wie man Deutsche unter Quarantäne stellen könnte, kann der deutsche Staat auch Touristen unter Quarantäne stellen, wenn er sieht, dass von ihnen eine besonders hohe Ansteckungsgefahr für die Allgemeinheit ausgeht.

Sind in diesen Fällen diplomatische Konflikte mit den Herkunftsländern zu befürchten?

Ich glaube nicht, dass es zu diplomatischen Schwierigkeiten kommen könnte. Man muss sich folgenden Fall vorstellen: ein Tourist tötet einen Deutschen. Der wird hier genauso wegen Mordes verurteilt, muss auch hier lebenslang ins Gefängnis. Da kommt es nicht zu diplomatischen Verwirrungen. Denn letztlich müssen sich Touristen auch an deutsches Recht halten. Das gilt in Zeiten in denen wir kein Coronavirus haben, ebenso wie in Zeiten, in denen das Virus grassiert.

Das Messen der Körpertemperatur ist in China Alltag geworden - selbst an der Börse von ShanghaiBild: Reuters/A. Song

Wie sieht die Rechtslage für Organisationen wie dem Technischen Hilfswerk THW oder dem Roten Kreuz aus?

THW und Rotes Kreuz sind zunächst einmal Hilfskräfte. Sie unterstützen die Behörden dabei, die gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen umzusetzen. Das heißt aber auch, dass sie keine eigenen behördlichen Befugnisse haben. Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes oder des THW wäre deshalb nicht befugt, Menschen festzunehmen oder in Quarantäne zu stellen. Das ist den Behörden vorbehalten.

Christian Solmecke ist Mitglied der Kölner Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE. Neben seiner Kanzleitätigkeit ist er Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School.

Das Interview führte Ralf Bosen.

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