1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Juristischer "Sieg für die Seenotrettung"

1. August 2022

Immer wieder werden Seenotrettungsschiffe in italienischen Häfen kontrolliert und festgesetzt. Die Helfer beklagen Schikane. Der EuGH urteilt nun, dass die Behörden konkrete Gründe für Kontrollen nachweisen müssen.

Das Rettungsschiff "Sea-Watch 4"an einer Kaimauer
Italien setzte immer wieder Schiffe der Organisation Sea-Watch fest - wie hier 2020 die "Sea-Watch 4" in ParlermoBild: Chris Grodotzki/dpa/picture-alliance

Geklagt hatte die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch, deren Schiffe oft lange Zeit in italienischen Häfen festgesetzt wurden. Jetzt entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass italienische Behörden Rettungsschiffe nicht ohne Anhaltspunkte für eine Gefahr in ihren Häfen kontrollieren dürfen.

Die EU-Regeln zu den Kontrollen eines Hafenstaats seien auch auf Schiffe humanitärer Organisationen anwendbar, urteilten die Richter in Luxemburg. Für eine Kontrolle müssten die Behörden detailliert nachweisen, "dass belastbare Anhaltspunkte für eine Gefahr für die Gesundheit, die Sicherheit, die Arbeitsbedingungen an Bord oder die Umwelt vorliegen". Allein die Anzahl der Personen an Bord - Rettungsschiffe steuern oft mit Hunderten Flüchtlingen und Migranten die Häfen an - sei für sich genommen kein Grund für eine Überprüfung.

Auf überfüllten uns oftmals maroden Schlauchbooten machen sich die Migranten auf in Richtung Europa (Archivbild) Bild: Hermine Poschmann/Mission Lifeline/dpa/picture alliance

Der EuGH betonte, dass es im Völkerrecht die Pflicht gebe, Personen in Seenot zu helfen. Menschen, die nach einem Rettungseinsatz an Bord seien, müssten bei Sicherheitsüberprüfungen außer Betracht bleiben. "Die Anzahl der Personen an Bord, selbst wenn sie weit über der zulässigen Anzahl liegt, kann daher für sich genommen keinen Grund darstellen, der eine Kontrolle rechtfertigt", teilte der EuGH mit.

Nachdem die Geretteten von Bord gegangenen seien, dürfe der Hafenstaat das Schiff jedoch kontrollieren. Bei der Begründung einer solchen Kontrolle dürfe auch berücksichtigt werden, dass ein als Frachtschiff zertifiziertes Schiff systematisch als Rettungsschiff im Einsatz sei. Jedoch dürften nur Nachweise über Zeugnisse verlangt werden, die auch im Flaggenstaat nötig sind. Falls eine Kontrolle Mängel ergebe, dürfe der Hafenstaat Maßnahmen ergreifen, die "geeignet, erforderlich und angemessen" seien.

Sea-Watch begrüßt das Grundsatzurteil

Bei dem aktuellen EuGH-Grundsatzurteil ging es konkret um die Schiffe "Sea-Watch 3" und "Sea-Watch 4". Italien hatte sie im Sommer 2020 festgehalten. Die Organisation klagte daraufhin in Italien dagegen, mit der Begründung, dass die Schiffe in Deutschland bereits zertifiziert worden seien. Das zuständige italienische Gericht bat den EuGH daraufhin um Auslegung des EU-Rechts. Über die Klagen von Sea-Watch muss nun das Gericht in Italien entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden.

Sea-Watch sprach nach dem Urteil von einem "klaren Sieg für die Seenotrettung". In Zukunft würden die Schiffe "somit weiter das tun, was sie am besten können: Menschen retten, anstatt willkürlich im Hafen festzusitzen", kündigte die Hilfsorganisation an.

Wieder Menschen aus Seenot gerettet

Das Rettungsschiff "Sea-Eye 4" hat 88 Geflüchtete im Mittelmeer an Bord genommen. Die Besatzung habe die Menschen aus ihrem Holzboot in der maltesischen Such- und Rettungszone evakuiert. Die Insassen seien bereits drei Tage unterwegs und stark dehydriert gewesen, teilte die Organisation Resqship mit, die das Schiff betreibt.

In den vergangenen Tagen waren innerhalb kurzer Zeit ungewöhnlich viele Menschen auf dem Mittelmeer gerettet worden. Fast 380 Geflüchtete wurden von Organisation SOS Méditerranée gerettet. Die "Ocean Viking" erhielt am Wochenende die Erlaubnis, sie im italienischen Salerno an Land zu bringen. Die "Sea-Watch 3" erreichte bereits am Samstag den ihr zugewiesenen Hafen von Tarent mit mehr als 430 Flüchtlingen. Derzeit ist die "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen mit fast 660 Flüchtlingen an Bord auf dem Mittelmeer unterwegs und wartet auf die Zuweisung eines Hafens.

qu/ehl (dpa, epd, afp)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen