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Juristisches Tauziehen um NS-Raubkunst

13. März 2009

Die Bundesregierung legt Berufung ein gegen ein Urteil des Berliner Landgerichts, wonach eine von den Nazis geraubte Plakat-Sammlung an die Erben zurückgegeben werden muss. Opfervertreter zeigen sich enttäuscht.

Das Deutsche Histiorische Museum in Berlin (Foto: AP)
Hier lagert auch geraubte Kunst: Das Deutsche Histiorische Museum in BerlinBild: AP

Die Entscheidung werfe "grundsätzliche Fragen auf, die weit über diesen Fall" hinausgingen, erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) am Freitag (13.03.2009) in Berlin. Er habe die Berufung gegen das Urteil in Absprache mit dem Bundesfinanzministerium eingelegt. In einer umstrittenen Entscheidung hatten die Richter des Berliner Landgerichts im Februar die Eigentumsansprüche des Erben an einem Titelblatt der Zeitschrift "Simplicissimus" aus dem Deutschen Historischen Museum (DHM) stattgegeben, obwohl dessen Vater bereits für den Verlust entschädigt worden war. Außerdem erkannten sie grundsätzlich den Anspruch des Sohnes Peter Sachs auf die gesamte Sammlung an.

Neumann will "Rechtssicherheit"

Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat "grundsätzliche Fragen"Bild: picture-alliance/ dpa

Deutschland stehe aber weiterhin "uneingeschränkt zu seiner moralischen Verantwortung" für die Rückgabe von NS-Raubkunst, erklärte Neumann weiter. Mit der Berufung solle "Rechtssicherheit" für deutsche Behörden erlangt werden. Das Urteil des Landgerichts steht nach Auffassung der Bundesrepublik im Widerspruch zu den Gesetzen über Rückerstattung aus den Jahren 1947 und 1957, dem Vermögensgesetz von 1990 sowie Entscheidungen von Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof.

Bereits vor Einlegen der Berufung hatte die Jewish Claims Conference die Bundesregierung für ihre Absicht kritisiert. Dieser juristische Schritt widerspreche dem Geist der auch von Deutschland 1998 unterzeichneten "Washingtoner Erklärung", erklärte der Dachverband zur Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen jüdischer NS-Opfer am Freitag in Frankfurt am Main. In dem Abkommen hatten sich mehr als 40 Staaten verpflichtet, in Museen und Archiven nach NS-Raubkunst zu suchen und mit den Erben gerechte Lösungen auszuhandeln.

"Unabsehbare Folgen"

Nach dem Berliner Urteil hatte die Debatte um die Rückgabe von NS-Raubkunst neue Schärfe gewonnen. Der Berliner Anwalt Peter Raue, der häufig in prominenten Kunst-Streitfällen vor Gericht auftritt, hatte nach der "sensationellen Entscheidung" des Landgerichts "unabsehbare" Folgen auch für andere Streitfälle befürchtet. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, müsste der Präsident des Landgerichts eine neue Entschädigungskammer eröffnen, "um der Prozessflut Herr zu werden". Der auf Kunstrestitution spezialisierte Berliner Anwalt Gunnar Schnabel hatte jedoch erklärt, viele Betroffene wollten sich nun nicht mehr weiter hinhaltenlassen. Sie wollten nun ihre Eigentumsrechte einklagen, falls nötig auch über ausländische Gerichte.

Verschwunden und doch da: die Sammlung Sachs

Die Plakat-Sammlung des Berliner Zahnarztes Hans Sachs war in der NS-Zeit von der Gestapo beschlagnahmt worden. 1938 emigrierte Sachs in die USA. Nach dem Krieg hielt er seine mehrere tausend Blätter umfassende Sammlung für verschollen. 1961 wurde Sachs von der Bundesregierung für den Verlust entschädigt. Fünf Jahre später erfuhr er, dass 8000 Blatt im DDR-Museum für Geschichte im Ost-Berliner Zeughaus lagen. Dessen Bestände übernahm nach der Vereinigung das Deutsche Historische Museum (DHM).

Der Kläger Peter Sachs erfuhr erstmals 2005 von der Existenz der Plakate seines Vaters im DHM. Er forderte über seine Anwälte die Restitution. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Schlichtungskommission unter Vorsitz der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, empfahl, die Plakate im Museum zu belassen. Dies entspräche eindeutig dem Willen des verstorbenen Sammlers.

Die Jewish Claims Conference wurde 1951 als Dachverband von 24 internationalen jüdischen Organisationen gegründet. Sie vertritt die jüdische Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern. Sie ist Rechtsnachfolgerin für nicht beanspruchtes jüdisches Vermögen. (sam)

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