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Politik

"Justice for Stanislav Tomas"

Gilda-Nancy Horvath
3. Juli 2021

Als Reaktion auf den Tod des tschechischen Rom Stanislav Tomas nach einem umstrittenen Polizeieinsatz in Teplice ruft die transnationale Roma-Community die EU-Kommission dazu auf, die Grundrechte der Roma zu garantieren.

Tschechien Gerechtigkeit für Stanislav Tomas
#JusticeForStanislavTomasBild: ERIAC

Nach dem gewaltsamen Polizeieinsatz gegen einen Angehörigen der Roma-Minderheit in der tschechischen Stadt Teplice fordern immer mehr Stimmen die Aufklärung des Falls. Der Mann war während seiner Festnahme gestorben, nachdem ein Polizist sechs Minuten lang mit dem Knie auf sein Genick gedrückt hatte. Die Video-Aufnahmen des Vorfalls gingen um die Welt.

Es sei "nur einer von vielen Fällen von Polizeigewalt gegen Roma in Europa" - und meistens käme es zu keinen weiteren Untersuchungen, heißt es in einem offenen Brief der Roma-Communities an die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Dies werde auch im Bericht der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) aus dem Jahr 2017 belegt.

Die Reaktionen der EU waren bisher verhalten. Ein Kommissions-Sprecher antwortete auf DW-Anfrage: "Wir wissen, dass dieser Vorfall Gegenstand einer nationalen Untersuchung ist, zu der sich die Kommission nicht äußern kann." Es sei bekannt, dass die tschechische Ombudsstelle am 30. Juni ihre unabhängige Untersuchung zu diesem Fall bekannt gegeben habe. Die Kommission erwarte eine unabhängige und gründliche Untersuchung durch die zuständigen tschechischen Behörden, so der Sprecher. 

Mahnwache für Stanislav Tomas im tschechischen Teplice am 26. Juni 2021Bild: Ondrej Hajek/CTK/AP Photo/picture alliance

Das Schweigen der EU-Institutionen wird in dem Brief vor allem im Kontext des Lobes der tschechischen Behörden für die "gute Arbeit der Polizei" in Teplice kritisiert: "Der Mord an George Floyd in den USA führte zu weltweiten Bekundungen der Solidarität durch die Menschen und durch die Politik. Bei Stanislav Tomas blieb die EU bisher allerdings stumm."

Appell an EU und Medien

Im Brief an die EU-Kommission wird eine unabhängige und vollständige Untersuchung der Umstände gefordert, die zum Tod von Stanislav Tomas geführt haben, sowie der garantierte Schutz von Augenzeugen. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sich die tschechischen Behörden ihrer Verantwortung entzögen. Zudem wird eine klare Haltung der EU zu diesem Fall von Polizeigewalt verlangt. An die Medien wird appelliert, objektiv über den Fall zu berichten und nicht ohne jede Recherche die Informationen der tschechischen Behörden zu übernehmen.

In einem Appell in den Sozialen Medien verurteilte Romeo Franz, der für die Grünen im Europaparlament sitzt und selbst deutscher Sinto ist, die Tat und forderte eine lückenlose Aufklärung.

 

Das European Roma Rights Center (ERRC) unterstützt die Familie des verstorbenen Stanislav Tomas nun bei ihrer Beschwerde gegen die tschechische Polizei und betont: "Wir verbünden uns mit den Menschenrechtsorganisationen in Tschechien und werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, die der Rechtsweg national und auf EU-Ebene bietet, damit der Familie Gerechtigkeit widerfahren kann."

Die umstrittene "Intervention" durch die Polizei am 19. Juni 2021 in Teplice gegen Stanislav Tomas sowie dessen Tod und die Reaktionen der tschechichen Behörden haben die Roma-Communities in ganz Europa schockiert und zu mehreren Mahnwachen und Demonstrationen geführt.

Mahnwache in Wien: Gerechtigkeit für Stanislav TomasBild: Aslan Kudrnovsky/HÖR

Während Aktionen in Wien, Berlin, Barcelona, Bukarest, London und Budapest mit jeweils 200 bis 500 Teilnehmern friedlich verliefen, wurde die Mahnwache in Teplice von bisher noch unbekannten randalierenden Gruppierungen gestört, die nicht zur Gemeinschaft der Roma gehören. Mehrere tschechische Medien stellten die Eskalationen bei der Mahnwache jedoch als von den Roma gewollte Provokation dar. Bereits zuvor hatte die Community ihre Sorge vor einer Täter-Opfer-Umkehr bekundet.

Verteidigung europäischer Werte

Im offenen Brief an die EU werden weitere Mahnwachen und Demonstrationen in ganz Europa angekündigt: "Wir fordern, ein Leben führen zu dürfen, das frei von Angst und Gewalt ist. Leider fühlen wir uns nicht sicher in unseren Ländern, denn wir erleben täglich Rassismus durch Justiz und Polizeibehörden, deren Ursache tiefsitzende Vorurteile und Stereotype über uns sind. Daher organisieren wir in den nächsten Wochen friedliche Proteste in Rumänien, Bulgarien, Italien, der Slowakei, Nordmazedonien sowie in Serbien."

Auch in Berlin hielten Demonstranten eine Mahnwache für Stanislav Tomas abBild: Oliver Feldhaus/Roma Trial

Zeljko Jovanovic vom Netzwerk "Roma Initiatives Office" ist einer der Initiatoren des offenen Briefes und bringt auf den Punkt, warum die EU jetzt reagieren sollte: "Erstens, um europäische Werte zu verteidigen, zweitens, weil sie eine Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte hat, drittens, weil Antiziganismus und Gewalt Manifestationen der rechtsradikalen Kulturen sind, die die EU selbst gefährden."

Das Netzwerk repräsentiert insgesamt rund 100.000 Roma und Sinti. Unterstützt wird die Initiative von den Partnerorganisationen "Roma Education Fund" (REF), "Roma Entrepreneurship Development Initiative" (REDI) und "European Roma Institute for Arts and Culture" (ERIAC).

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