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Politik

Justizposse um Puigdemont

Barbara Wesel
17. November 2017

Die Verhandlung über die Auslieferung des abgesetzten katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont in Brüssel ist auf Anfang Dezember vertagt. Der Fall hat in Belgien offenbar keine Eile.

Belgien Carles Puigdemont vor Gericht
Bild: picture alliance/dpa/abaca/D. Aydemir

Ein riesiges Presseaufgebot hatte sich seit dem frühen Nachmittag in der Eingangshalle des monströsen Brüsseler Justizpalastes versammelt. Carles Puigdemont und seine vier Mitstreiter aber kamen zur Anhörung durch die Tiefgarage ins Gebäude, zur Frustration der wartenden Journalisten. Niemand wusste, ob der erstinstanzliche Richter den Beschluss zur Auslieferung und Überstellung der Spanier noch am selben Tag verkünden würde. Aber wie sich bald zeigte,  mahlen die Mühlen der belgischen Justiz viel langsamer, als es das beschleunigte Verfahren zum europäischen Haftbefehl vorsieht.

Medienstar Puigdemont

Was immer die Katalanen und politische Freunde inzwischen über Puigdemont denken mögen, für die internationale Presse ist sein Schicksal immer noch ein Thema. Mit in der Meute im Brüsseler Justizpalast warteten auch mehrere Kamerateams russischer Sender. Deren Interesse hat sich vielleicht verstärkt, nachdem der abgesetzte katalanische Ministerpräsident einem Kollegen, nämlich dem ehemaligen schottischen Regierungschef Alex Salmond,  beim Sender "Russia Today" ein Interview gab.

Alex Salmond und Carles Puigdemont sinnieren bei "Russia Today" über die UnabhängigkeitBild: Twitter/BBCJohnBeattie

Salmond hatte sein Amt niedergelegt, als sein eigenes Unabhängigkeitsreferendum in Schottland 2014 schiefgegangen war. Jetzt versucht er sich als Talkmaster beim russischen Auslandssender. Und der Katalane bekräftige dem Schotten in dem Gespräch, dass man am Ende siegen und die Demokratie sich durchsetzen werde. Er meinte dabei wohl Spanien und nicht Russland. 

Auch die spanische Regierung hat sich übrigens inzwischen über russische Einmischung per Twitter und Social Media im Umfeld des verbotenen Referendums Anfang Oktober und der Unabhängigkeitsforderungen in Katalonien beklagt. 

Die Justiz schleppt das Verfahren hin

Carles Puigdemont hatte sich einen flämischsprachigen Richter ausgesucht, um seinen Fall zu entscheiden. Das belgische Recht gibt jeweils die Wahl zwischen einem Franzosen oder einem Flamen. Er hofft wohl auf Sympathien, da die flämische N-VA, größte Partei in der belgischen Föderalregierung, sich seit seinem Eintreffen zum Fürsprecher des Katalanen-Führers gemacht hatte. In der Koalition in Brüssel begann es deshalb zu knirschen. Obwohl die N-VA ihre eigenen Abspaltungsgelüste kaum noch aktiv vertritt und lediglich mit Verbalradikalismus auffällt.

Puigdemont Verteidiger Paul Bekaert hat schon einmal eine Auslieferung nach Spanien verhindern könnenBild: DW/B. Wesel

Deutlich aber scheint, dass die belgische Justiz mit dem Auslieferungsverfahren des Katalanen und seiner vier Kollegen keine Eile hat. Nach der Anhörung am Freitag ging ein leises  Stöhnen durch die Presse, als Anwalt Paul Bekaert auf der majestätischen Treppe des Gerichtes mitteilte, es werde erst am 4. Dezember mit einer erneuten Anhörung weitergehen.

Die Staatsanwaltschaft wolle dem Auslieferungsgesuch nachkommen, so erklärte er weiter. Da allerdings das belgische Recht Straftaten wie "Rebellion" und "Sezession" nicht kennt, wird ein Paragraph zur Begründung der Auslieferung angewendet, der den vorsätzlichen Missbrauch eines öffentlichen Amtes beschreibt. 

Endgültige Entscheidung im nächsten Jahr

Bis Anfang Dezember können die Anwälte sich nun zu den konkreten Strafvorwürfen äußern. Die Entscheidung des erstinstanzlichen Richters kommt erst nach der nächsten Anhörung, soll aber noch vor Weihnachten fallen. Carles Puigdemont, der weiter auf freiem Fuß bleibt, kann sich vorläufig in Belgien häuslich niederlassen, denn ihm stehen noch zwei Berufungsinstanzen offen. Er war in Brüssel auch schon beim Friseur, der seine provinziellen Ponyfransen etwas modernisierte. 

Als die Staatsanwaltschaft nach dem kurzen Auftritt der Verteidiger dann noch zu einer eigenen Pressekonferenz lud, strömte die Journalistenmenge dorthin in der Erwartung, man könne etwas über die  möglicherweise komplizierte Rechtslage hören. Stattdessen wurde nur eine Mitteilung verlesen, dass man keine Erklärungen abgeben werde, das aber in Englisch, Französisch, Flämisch und Spanisch. 

Carles Puigdemont mit katalanischen Bürgermeistern in Brüssel - Wahlkampf aus der Ferne Bild: picture-alliance/G.Vanden Wijngaert

Prima Haftbedingungen in Spanien

In den 1990-Jahren hatte es schon einmal eine Krise zwischen Spanien und Belgien gegeben, weil die belgische Justiz die Auslieferung zweier mutmaßlicher ETA-Unterstützer verweigerte. Als Grund galten damals miserable Haftbedingungen in spanischen Gefängnissen, und der Anwalt hieß Paul Bekaert. Auf Anfrage schickte jetzt allerdings die spanische Justiz Details über das neue hochmoderne Gefängnis Estremera bei Madrid an die belgischen Kollegen, wo Puigdemont und seine Minister eigene Zellen mit Dusche und Toilette erwarten würden. 

Politische Nebenschauplätze 

Am Rande des Sozialgipfels im schwedischen Göteborg trafen sich am Freitag auch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und sein belgischer Kollege Charles Michel, um den Krach wegen Puigdemont und der katalanischen Separatisten auszubügeln. Belgien hatte als einziges EU-Land die Spanier offen zur Wahrung demokratischer Normen gemahnt. Denn der frankophone Ministerpräsident sitzt hier zwischen den Stühlen: Er muss sich irgendwie auch den Wünschen der flämischen NV-A beugen.

Rajoy wiederum betonte in Göteborg, man respektiere selbstverständlich die Verfahren und Entscheidungen der belgischen Justiz. Dabei ist zu bezweifeln, dass Madrid Puigdemont und seine Mitstreiter besonders schnell zurück haben möchte. Wenn sie den katalanischen Wahlkampf aus weiter Ferne in Belgien begleiten, ist das der spanischen Regierung vermutlich recht. Und in Belgien hat man sich mit dem unerwünschten Gast inzwischen auch einigermaßen eingerichtet, denn die Aufregung über mögliche Nachahmer in Flandern hat sich wieder gelegt.

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