Polen und die EU suchen die Annäherung
8. März 2018Polen hat den umstrittenen Umbau seiner Justiz erneut gegen die Kritik der EU-Kommission verteidigt. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (Artikelbild links) übergab Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel ein sogenanntes Weißbuch, das die Reformen als Fortschritt für die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung beschreibt. Juncker will dies nun prüfen, wie sein Sprecher Margaritis Schinas sagte.
Die nationalkonservative Regierung in Warschau hat seit ihrem Amtsantritt 2015 mit etlichen Gesetzen die polnische Justiz umgebaut. Kritiker monieren, damit gewinne die Regierungspartei PiS Einfluss auf die Gerichte. Die EU-Kommission hatte deshalb im Dezember nach jahrelangen Beschwichtigungsversuchen erstmals überhaupt ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet, aber eine Drei-Monats-Frist für eine Kurskorrektur gestellt. Diese läuft rechnerisch bis 20. März. Den Polen drohen in dem bisher einmaligen Verfahren Sanktionen, die bis zum Stimmrechtsentzug auf EU-Ebene führen könnten.
Polen warnt vor "anti-europäischer Stimmung"
Die achtseitige Zusammenfassung des polnischen Positionspapiers verweist zunächst darauf, dass das polnische Justizsystem "wenig Vertrauen der Öffentlichkeit" genieße, ineffizient und noch von Richtern aus der Zeit des Kommunismus durchsetzt sei. Bislang habe es eine Schieflage zwischen Exekutive und Judikative gegeben, da Richter niemandem Rechenschaft schuldeten. Dies habe Warschau durch "verhältnismäßige und gerechtfertigte Reformen" ändern wollen.
Polen wies dabei Vorwürfe aus Brüssel zurück, die Unabhängigkeit von Richtern werde untergraben. Das Artikel-7-Verfahren gegen Polen sei nicht gerechtfertigt und könnte eine "anti-europäische Stimmung" und "populistische politische Kräfte" fördern, warnt Warschau.
Ungarn droht Veto gegen EU-Entscheidung an
Breiten Raum nimmt in dem Weißbuch der Vergleich der polnischen Reformen mit der Lage in anderen Mitgliedstaaten ein. Alle Änderungen hätten "ihre Entsprechung in den Rechtssystemen anderer europäischer Staaten", heißt es. Andererseits gebe es etwa in Deutschland gar keinen Landesrichterrat wie in Polen als unabhängiges Gremium für die Richterernennung. In Deutschland würden die Richter "überwiegend durch Politiker nominiert".
Sollte der Konflikt zwischen Brüssel und Warschau nicht beigelegt werden, wären die 27 anderen EU-Mitgliedsländer am Zug. Sie könnten zunächst mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Deutschland und Frankreich hatten zuletzt den Druck erhöht und sich eindeutig auf die Seite der Kommission gestellt. Die ungarische Regierung hat bereits klargemacht, dass sie im Falle einer Feststellung der "Gefahr" ihr Veto einlegen würde.
cw/rb (afp, dpa)