Es gibt sie fast überall, in manchen Kulturen isst man sie, in anderen müssen sie kämpfen. Einige können ihre Feinde sogar mit explosiven Chemikalien beschießen. Willkommen in der faszinierenden Welt der Käfer.
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Dank unserer Eitelkeit denken wir Menschen oft, wir beherrschten die Welt. Da liegen wir falsch. Käfer sind die wahren Herrscher über den Planeten.
Fast 400.000 wissenschaftlich beschriebene und zahllose unentdeckte Arten besiedeln fast alle Lebensräume der Erde, wahrscheinlich sind Käfer die vielfältigste Tiergruppe der Erde.
Ihren Aufstieg verdanken sie verschiedenen Faktoren, sagt Patrice Bouchard, Autor von "The Book of Beetles" ("Das Buch der Käfer") und Entomologe, der für Kanadas Landwirtschafts- und Lebensmittelbehörde arbeitet.
"Ihr Erfolg ist ziemlich erstaunlich", sagte Bouchard gegenüber DW. "Sie sind wirklich zäh und haben ein hartes Exoskelett. Ihre Flügel falten sich unter ihre Flügeldecken."
Diese besondere Anpassung der Flügel erlaubt es ihnen, an Orten zu leben, wo es andere Insekten wie Fliegen oder Wespen, die offen liegende Flügel haben, nicht können, erklärt Bouchard.
Käfer können zwischen Steine kriechen, unter die Rinde von Bäumen und in Früchte hinein. Sie leben in Süßwasser, in den Tropen, in Wüsten und in extrem eisigen Temperaturen. Käferlarven und ausgewachsene Tiere können auch in verschiedenen "Mikrohabitaten" leben. So stehen sie nicht im Wettbewerb um Ressourcen.
"Dadurch waren sie im Laufe der Zeit so erfolgreich und konnten viele verschiedene Veränderungen in ihrer Umwelt überleben", sagt Bouchard, der sich auf das Studium von Schwarzkäfern spezialisiert hat. Mit mehr als 20.000 Arten sind sie eine der größten Familien von Käfern.
Eine spezielle Anatomie
In der Tat haben Käfer als Gruppe viele gemeinsame Eigenschaften, die zu ihrem Erfolg beitragen, der inzwischen Hunderte von Millionen von Jahren anhält. Aber sie werden noch interessanter, wenn man sich einige Arten mal genauer ansieht.
Nehmen wir den Bombardierkäfer, der seinen Namen seinem ausgefeilten Verteidigungsmechanismus verdankt. Er schießt kochend heiße Chemikalien aus seinem Unterleib und macht dabei ein ploppendes Geräusch. Die Männchen anderer Käferarten besitzen große Unterkiefer oder Hörner, mit denen sie gegen Paarungsrivalen um die besten Plätze für die Eiablage kämpfen.
In Japan haben Fans aus dieser Eigenschaft ein Hobby gemacht und lassen männliche Riesenkäfer in gladiatorenartigen Kämpfen aufeinander los. Käferkampfenthusiasten im Land der aufgehenden Sonne können die beliebten Krabbeltiere sogar in Automaten oder in Kaufhäusern erstehen — was Tierschützer allerding kritisieren.
Inspirierende Eigenschaften
Inzwischen untersuchen Wissenschaftler auch, wie Überlebensmechanismen einiger Käferarten auch uns Menschen zugute kommen könnten — ein Forschungsbereich, der sich Bionik nennt. In diesem Kontext ist der Nebeltrinker-Käfer, einer der ultimativen Überlebenskünstler, für die Wissenschaft von großem Interesse.
Das Tier lebt in der harschen Namib, einer Trockenwüste an der Westküste Afrikas. Dort gibt es extrem wenig Wasser, aber die Nebeltrinker haben eine Lösung gefunden: Wenn die feuchten Atlantikwinde bis weit ins Landesinnere vordringen, stellen sich die Käfer auf den Kopf. So können Wassertröpfchen an ihrem Körper kondensieren und dann zu ihrem Maul herunterlaufen.
"Wir untersuchen, wie sie ihren Körper mit Strukturen auf ihrem Exoskelett einsetzen", sagt Bouchard, "damit wir das, was wir in der Natur sehen, nachbilden und dann für unsere Zwecke nützen können."
Käfer, Käfer, überall Käfer
Dadurch, dass Käfer quasi überall sind, kommen auch wir Menschen ständig mit ihnen in Kontakt. Das läuft nicht immer glatt. Die Tiere können beispielsweise Bauern und Förstern Probleme bereiten, wenn sie Bäume und Nutzpflanzen in großem Stil angreifen.
Invasive Arten, also solche, die an einem Ort nicht heimisch sind, können für heimische Arten tödlich sein, wenn diese keine natürliche Verteidigung gegen die Neuankömmlinge entwickelt haben.
Deshalb kämpfen Länder wie Kanada, wo Bouchard lebt, darum, dass nicht-heimische Käfer nicht zufällig mit Flugzeugen, die Obst und Gemüse ins Land bringen, oder auf Frachtschiffen eingeschleust werden.
Aber gut geplante Einführungen können nützlich sein.
Bouchard und andere in seiner Behörde untersuchen auch sehr sorgfältig, ob es sinnvoll wäre, europäische Rüsselkäfer absichtlich ins Land zu holen, um invasives Unkraut auf kanadischen Weideflächen zu bekämpfen, ohne dadurch anderen Pflanzen und Tieren zu schaden.
"In der Vergangenheit haben Leute verschiedene Arten an verschiedenen Orten angesiedelt, ohne vorher gründlich untersucht zu haben, welche Probleme diese Ansiedlung mit sich bringt. Daher muss man diese Dinge sehr sorgfältig betrachten", sagt Bouchard.
Kulturkäfer
In vielen antiken und modernen Kulturen werden Käfer sehr geschätzt. Die alten Ägypter verehrten den Scarabaeus, den heiligen Pillendreher. Sie assoziierten die Art, wie er Kugeln aus Dung rollt, mit der Sonne, die jeden Tag über das Firmament gleitet. Dadurch wurde das Tier ihr Symbol für das ewige Leben.
In Asien und Lateinamerika sind Käfer und ihre Larven als Nahrungsmittel weit verbreitet. In Thailand isst man etwa 100 verschiedene Käferarten, während die Menschen im Hochland Ecuadors um die 30 verschiedene heimische Käferarten verspeisen.
Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zufolge leiden fast 800 Millionen Menschen auf der Welt unter Mangelernährung. Bouchard und andere glauben, Käfer und andere Insekten könnten in Zukunft im großen Stil gezüchtet und als nachhaltige Nährstoffquelle genutzt werden. Wenn man sie zum Beispiel zu Mehl zermahlt, könnten auch Menschen in Kulturen, in denen man traditionell keine Insekten isst, über den Ekelfaktor hinwegkommen.
Bedrohte Käfer
Bouchard glaubt, dass wir noch viel über Käfer lernen können. Manche Arten wurden bisher erst ein einziges Mal gefunden, und selbst solche, die wir besser kennen, lassen sich zum Teil schwer in der Wildnis erforschen, weil sie sich gut versteckt halten.
Klimawandel und die Zerstörung der Lebensräume bedrohen gewisse Arten, insbesondere seltene flugunfähige Arten, die nicht migrieren können. Es ist wichtig weiter zu forschen, sagt Bouchard.
"Es macht Spaß von Elon Musk und der Erforschung anderer Planeten zu hören", sagt der Käferfreund. "Aber es gibt noch jede Menge über unseren Planeten zu lernen, Orte zu entdecken und Arten zu beschreiben und Dinge zu verstehen. Über unsere Ökosysteme und darüber, wie wir sie schützen können."
Gewusst wie: Überleben in der Namib-Wüste
Brütendheiß am Tag, eiskalt in der Nacht, wenig Wasser, wenig Nahrung - die Namib-Wüste im südlichen Afrika ist ein lebensfeindlicher Ort. Oder doch nicht? Diese Tiere wissen mit den harschen Bedingungen gut umzugehen.
Bild: R. Dückerhoff
Nehmen, was man kriegen kann
Strauße kommen mit dem heißen Wüstenklima gut klar. Die Laufvögel können ihre Körpertemperatur anheben, damit sie nicht schwitzen und kein Wasser verlieren. Das Wasser, das sie brauchen, holen sie sich über ihre pflanzliche Nahrung. Sie schlucken auch kleine Steine herunter - die zermahlen in ihrem Magen das Futter. So schaffen sie es, Sachen zu verdauen, die andere Tiere nicht verwerten können.
Bild: picture-alliance/Arco Images/C. Hütter
Immer schön cool bleiben
Auch Oryx-Antilopen können ihre Körpertemperatur hochregulieren, und zwar bis auf 45°C. Ein Netz von winzigen Blutgefäßen in ihrer Nase kühlt die Einatemluft. So überhitzt das Gehirn nicht. Der Bauch der Antilope ist weiß und reflektiert die Hitze vom heißen Wüstenboden. Die Tiere nehmen ihr Wasser über Wurzeln, Knollen und die Tsama-Melone auf, die in der Wüste wächst.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Welche Farbe soll's heute sein?
Zu heiß? Dann verändert das Namaqua-Chamäleon einfach seine Farbe. Denn hellere Haut reflektiert mehr Licht. An den kühleren Morgen aber ist das Chamäleon schwarz. Sein Schwanz ist im Vergleich zu anderen Chamäleonarten recht kurz - in der Wüste muss man nicht so viel klettern. Höchstens mal auf einen Busch, um vom heißen Boden wegzukommen.
Bild: R. Dückerhoff
Hoch oben ist es kühler
Die Beine der Wüstenameise Camponotus detritus sind etwa 5 Millimeter lang. So kann die Ameise der heißen Sandoberfläche entgehen. Denn schon 5 Millimeter weiter oben ist es bis zu 10 Grad kühler. Die Ameise stillt ihren Durst an Honigtau, dem Ausscheidungsprodukt von Blattläusen. Gefressen wird die Ameise nur selten, denn ihr Ameisensäuregeschmack schreckt andere Tiere ab.
Bild: DW/B. Osterath
Auf Entenfüßen unterwegs
Der Namibgecko Pachydactylus rangei versteckt sich tagsüber in seiner Höhle unter der Erde. Er kommt nur nachts heraus. Seine übergroßen Augen lassen ihn auch im Dunkeln hervorragend sehen. Seine Füße mit Schwimmhäuten sind wie gemacht dafür, zu buddeln und auf Sand zu laufen. Daher wird er auch Schwimmfußgecko genannt.
Bild: R. Dückerhoff
Tanzende Spinne ohne Netz
Auch die Wüstenspinne Leucorchestris arenicola meidet das Sonnenlicht. Sie errichtet einen halben Meter unter der Erde eine Höhle aus Sand und Spinnenseide. Da sie nur nachts zum Vorschein kommt, braucht sie keinen Sonnenschutz - deshalb ist sie weiß. Bei der Paarung tippen die Männchen mit ihren Vorderbeinen auf den Sand. Im Englischen wird die Spinne daher "Dancing White Lady Spider" genannt.
Bild: R. Dückerhoff
Immer schön langsam
Das ist das Motto des Skorpions Opisthophthalmus flavescens, wenn es um den Stoffwechsel geht. Das Tier braucht nur wenig Energie und kann Monate ohne eine Mahlzeit auskommen. Das Sauerstofftransportsystem im Blut des Skorpions funktioniert - im Gegensatz zum menschlichen - auch bei hohen Temperaturen zufriedenstellend. Perfekt für ein Leben in der Wüste!
Bild: R. Dückerhoff
Schaufelnase
Der Sand in den Dünen der Namib-Wüste ist so fein, dass Tiere einfach hindurch schwimmen können - sie müssen nicht mal graben. Das gilt auch für die Echse Meroles anchietae. Ihre Kopfform erlaubt es ihr, sich ohne viel Widerstand durch Sand zu bewegen und so Fressfeinden zu entkommen. Ihre Nasenlöcher zeigen nach hinten und haben einen Knorpeldeckel, der verhindert, dass Sand eindringt.
Bild: R. Dückerhoff
Ein Leben im Sand
Auch die Blindschleiche Typhlacontias brevipes schwimmt durch den Sand. Sie verbringt sogar ihr ganzes Leben im Sand der Dünen und sucht dort nach kleinen Insekten. Ihre Beute nimmt sie über Erschütterungen wahr, die die Insekten verursachen, wenn sie sich bewegen.
Bild: R. Dückerhoff
Perfekt versteckt
Die Zwergpuffotter hat den perfekten Weg gefunden, Beute in der Namib-Wüste zu fangen. Sie vergräbt sich komplett im Sand, so dass nur noch ihr Kopf heraus schaut - und selbst der sieht aus wie Sand. Die Schlange bewegt sich mit charakteristischen seitlichen Schlängel-Bewegungen durch die Dünen. Das verhindert, dass sie im heißen Wüstensand überhitzt.
Siedelweber aus der Familie der Webervögel bauen riesige Nester, in denen mehrere hundert Vögel verschiedener Generationen gleichzeitig Platz finden. Die Kammern im Inneren der Netzstruktur bieten Schatten und sind kühler als die Außenluft. Die zentrale Kammer in der Mitte allerdings ist immer kuschelig warm und perfekt für kalte Wüstennächte.
Bild: R. Dückerhoff
Das große Krabbeln
Käfer sind ein gefundenes Fressen in der Namib. Sie ernähren sich von Detritus, abgestorbenen Pflanzenresten, die der Wind in die Wüste bläst. Am frühen Morgen sammeln sie Wassertröpfchen aus dem Nebel, der für die Namib so typisch ist. Andere Tiere fressen die Käfer und bekommen so gleichzeitig Wasser und Nahrung. Etwa 200 Käferarten krabbeln durch die Namib-Wüste.
Bild: DW/B. Osterath
Wasser ernten
Der Nebeltrinkerkäfer hat einen besonders effektiven Trick entwickelt, in der Namib-Wüste an Wasser zu kommen. Frühmorgens läuft er die Dünen hoch und macht einen Kopfstand. Nebel kondensiert auf seinem Hintern, und Wassertröpfchen laufen bis zu seinem Mund herunter. So kann er an einem einzigen Morgen bis zu 40 Prozent seiner Körpermasse an Wasser aufnehmen.
Bild: picture-alliance/Wildlife/M. Harvey
Lass mich, ich bin tot
Die Nahrungskette der Namib-Wüste basiert auf Käfern - aber das gefällt dem Rüsselkäfer ganz und gar nicht. Er hat sich etwas überlegt: Wenn er sich bedroht fühlt, lässt er sich auf den Rücken fallen und stellt sich tot - in der Hoffnung, dass andere Tiere auf tote, ausgetrocknete Käfer keinen Appetit haben.
Bild: DW/B. Osterath
Leben unter Steinen
Überall in der Namib-Wüste gibt es Leben - sogar unter Steinen! Dort wachsen Cyanobakterien - hier als bräunliche Masse. Die Bakterien brauchen Sonnenlicht für ihre Photosynthese. Knallende Sonne allerdings können sie nicht vertragen. Die Lösung: Sie siedeln sich unter solchen weißen Steinen an - durch sie dringt noch genügend Licht hindurch. Clever!