Käthe-Kollwitz-Preis für Katharina Sieverding
11. Juli 2017Die Düsseldorfer Fotografin Katharina Sieverding hat es in der Kunstszene zu großem Ansehen gebracht. Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt aktuell ihr fotografisches Werk seit 1967. Die Ausstellung "Kunst und Kapital" läuft noch bis zum 16. Juli. Eine zweite Werkschau ist jetzt in der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg zu sehen. Der Anlass: Die Künstlerin wurde am 11. Juli mit dem diesjährigen Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste ausgezeichnet. Zur Verleihung des mit 12.000 Euro dotierten Preises eröffnete die Akademie eine Ausstellung mit 19 großformatigen Werken Sieverdings.
Die Fotokünstlerin war eine der ersten, die Großformate benutzte, und eine der ersten, die die Manipulation von Bildern deutlich machte. In diesem Sinne begründete die Akademie ihre Wahl: Mit dem Käthe-Kollwitz-Preis werde eine deutsche Künstlerin geehrt, die seit den 1960er Jahren das Zeitalter der großformatigen Fotokunst eingeleitet habe. Sieverding stelle grundsätzliche Fragen zu den künstlerischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen für Produktionsprozesse und die Rezeption der Kunst. Film und Fotografie hätten von Anfang an im Hauptfokus ihres Schaffens gestanden.Die 1944 in Prag geborene Künstlerin lebt und arbeitet in Düsseldorf. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und arbeitete parallel als Assistentin von Fritz Kortner am Deutschen Schauspielhaus. Nach ihrem Wechsel an die Düsseldorfer Kunstakademie besuchte sie von 1964 bis 1967 die Bühnenbildklasse von Teo Otto. Vom Theater wechselte sie 1967 zum Studium bei Joseph Beuys.
Als Beuys-Schülerin politisiert
Auslöser waren die Bilder der Studentenunruhen nach dem Tod von Benno Ohnesorg beim Schah-Besuch in Berlin. Katharina Sieverding wollte nicht mehr hochkulturell distanziert arbeiten, sondern politische Ereignisse in Kunst und künstlerische Statements umsetzen. Beuys-Schülerin blieb sie bis 1971, ihr Studium in der Filmklasse von Ole John beendete sie 1974.
In ihren Bildern lassen sich späte Früchte ihrer Theaterausbildung noch wiederfinden: "Ich kann in Oberflächen oder Bildräumen Dinge sehen, die es noch nicht gibt, aber die ich dann realisieren möchte", erklärte sie während der Pressekonferenz vor der Ausstellungseröffnung. Ihr eigenes Gesicht benutzt sie vielfach als Spiegelbild. Porträts seien eine Gesicht-zu Gesicht-Kommunikation mit dem Betrachter.
In Berlin sind Arbeiten der Künstlerin zu sehen, die zum Teil seit den 1990er Jahren im öffentlichen Raum großflächig plakatiert wurden, außerdem neun wandgroße Projektionen. Darunter ist auch ein Plakat, das im April 1992 für Debatten sorgte: Das Foto zeigte einen vermummten Kopf - ein undeutliches Selbstporträt Sieverdings - der von dolchartigen Messern begrenzt und mit dem hervorstechenden weißen Schriftzug "Deutschland wird deutscher" überschrieben ist.
Einst zensiert - jetzt ausgezeichnet
Das Fotoplakat war Sieverdings Reaktion auf neue nationalistische Töne nach der Wiedervereinigung und auf " Hoyerswerda " - die Attacken Rechtsradikaler auf Wohnheime von Migranten im Jahr 1991. In süddeutschen Medien, auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wurde das Bild als zu provokant empfunden und nicht abgedruckt.
An Käthe Kollwitz wurde in diesem Jahr auch anlässlich ihres 150. Geburtstags am 8. Juli erinnert. Katharina Sieverding, die einst das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Dortmund besuchte, hat sich anlässlich der Preisverleihung noch einmal mit der Grafikerin, Malerin und Bildhauerin beschäftigt. Wie ihre große Vorläuferin ist sie selbst eine Pionierin der Erweiterung der Ausdrucksformen - und dabei mit ihrer Kunst immer auch gesellschaftlich und politisch engagiert. Provokation gehört dazu.