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Hackathons als Lösung für die Klimakrise?

Lucy Sherriff
6. April 2020

Verschiedene Studentengruppen arbeiten in einem Wettlauf gegen die Zeit, um Lösungen für Umweltprobleme zu entwickeln.

Global Ideas Hackathon
Bild: CruzHacks Team

Es ist Mitte Januar, drei Uhr morgens an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Hunderte übernächtigte Studenten sitzen in kleinen Gruppen an ihren Laptops zusammen und grübeln. Auf den Bildschirmen komplexe Diagramme, Gleichungen und Ablaufdiagramme. 

Die Flure sind voller Studenten in Schlafsäcken. Sie machen nur ein Nickerchen, trinken dann Kaffee und arbeiten weiter. So geht das seit dem Vorabend 17.00 Uhr. Jetzt haben sie nur noch 12 Stunden Zeit, um ihre Projekte fertigzustellen und sie einem Expertengremium zu präsentieren.

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Aber sie arbeiten nicht gegen die Zeit, um irgendeine Prüfung zu bestehen. Sie sind freiwillig hier, um an CruzHacks teilzunehmen - einem 34 Stunden langen Hackathon.

Sanjana Paul ist 22 Jahre alt und leitet die Organisation Earth Hack Foundation, die auch Cruzhacks teilweise mitfinanziert. Sie beschreibt solche Hackathons als ein "ungenutztes Modell des Klimaaktivismus."

Die Veranstaltung zieht Hunderte von jungen Menschen an, die bereit sind, unter Zeitdruck technische Lösungen für Umweltprobleme zu erarbeiten. Sanjana Paul hofft, dass das mit Blick auf die drängendsten globalen Klimaprobleme klappt.

Barrieren abbauen 

Mehr als 500 Menschen sind zur Veranstaltung in Santa Cruz erschienen und setzten sich mit Themen wie "Nachhaltigkeit und Technologie zum Erhalt der Erde", "psychischer Gesundheit" und "sozialer Gerechtigkeit" auseinander. 

Es ist der fünfte Hackathon der Earth Hack Foundation, seit Paul im Jahr 2018 angefangen hat. Diese Events werden von Studierenden an Universitäten organisiert. Die Stiftung leistet Unterstützung und gelegentlich finanzielle Hilfe.

Einige Lösungen, die während der Hackathons entstanden, wurden inzwischen weiterentwickelt. Eine Gruppe, die anCruzHacks teilnahm, durfte in einem speziellen Programm ihrer Universität einen Prototypen ihrer "Spore Stickers" herstellen: Aufkleber, die mit Pilzsporen besezt sind, so dass Karton schneller zersetzt wird. Gleichzeitig entgiften sie den Boden.

Studenten erarbeiten Lösungen für die Probleme des Klimawandels Bild: CruzHacks Team

Zu den weiteren Projekte bei früheren Hackathons gehörten Smartphone-Sensoren, die E-Abfall reduzieren, intelligente Thermostate zum Energiesparen und Moosfilter zur Reinigung der Luft in Gebäuden.

Inklusion ist ein zentraler Wert bei den Veranstaltungen. "Ich wollte Eintrittsbarrieren für Menschen abbauen, die normalerweise von Aktionen wie diesen zur Suche nach Umweltinnovationen ausgeschlossen sind, zum Beispiel Menschen mit niedrigem Einkommen und ethnische Minderheiten", sagte die studierte Ingenieurin Sanjana Paul, die jetzt als Software-Ingenieurin in der Atmosphärenforschung arbeitet.

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Um solche Studenten zu erreichen, hat Sanjana Pauls Team Strategien entwickelt: Die Teilnahme an den Earth Hacks und die Verpflegung sind kostenlos. Laptops für jedes Team werden zur Verfügung gestellt, damit alle, auch solche Studenten, die keinen haben, problemlos teilnehmen können.

Gerade als Technikerin vertrage sie es nicht, wenn Fähigkeiten und Meinungen von Leuten schlecht gemacht würden, die keine Technikfreaks seien, so Sanjana Paul.

Obwohl Umweltfragen sie schon immer interessiert hätten, habe sie sich seit ihrem 16. Geburtstag besonders engagiert. Auslöser waren die geradezu verzweifelten Aufrufe von Wissenschaftlern zum Handeln. 

"Die globale Umweltsituation hat sich seitdem stark verschlechtert, und jetzt ist das so ziemlich alles, woran ich denke", sagte Paul. "Nichts ist wichtiger als ein Planet auf dem wir weiter leben können." 

CruzHacks achtet darauf, dass jeder an den Hackathons teilnehmen kann Bild: CruzHacks Team

Paul ist sehr daran interessiert, weitere Hackathons zu unterstützen, aber aufgrund der aktuell andauernden COVID-19-Epidemie sind alle bis zum Sommer geplanten Veranstaltungen verschoben worden oder werden virtuell durchgeführt. 

Technologie für das soziale Wohl

Viele haben Lust auf diese Veranstaltungen. Shivika Sivakumar, eine 19-jährige Studentin, nahm an den diesjährigen CruzHacks teil. 

"Als Informatik- und Politikstudentin finde ich die Idee, dass die Technologie dem sozialen Wohl dienen kann, spannend", sagte sie. "Hackathons sind die perfekte Gelegenheit, diese Idee in die Tat umzusetzen. Es macht auch Spaß, wenn man mit Freunden zusammenarbeitet."

Neu in der Backend-Entwicklung (also beschäftigt mit dem Teil der Software, die unsichtbar im Hintergrund einer Website läuft) verbrachte Shivika Sivakumar zahlreiche Stunden online, um zu lernen, wie man Algorithmen entwickelt. Ihr Team erarbeitete das Programm "News Not Hues", das versucht, das Problem von Fake-News zu lösen. Sie entwickelten eine Browser-Erweiterung, die auf jeden Nachrichtenartikel anwendbar ist, und mit der sich prüfen lässt, ob Vorurteile dessen Inhalt bestimmen.

Ein Projekt, das einen Teil des mit 10.000 US-Dollar, umgerechnet 9.200 Euro, dotierten Preises bei CruzHacks gewinnen konnte, war "H20ceans". Das ist ein Computerprogramm, das die Population von Schlüsselarten vorhersagen kann.

Studenten kämpfen gegen die Müdigkeit, weil sie nächtelang an Lösungen für die Klimaproblematik arbeitenBild: CruzHacks Team

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Das Team bestand aus Fahed Abudayyeh, Navika Gupta und Kayla Bowler - 20-Jährige aus Kalifornien, die zum ersten Mal an einem Hackathon teilnahmen.

"Als Informatikstudenten haben wir kaum die Möglichkeit, andere Forschungsgebiete zu erkunden", sagt Abudayyeh. "Als wir an CruzHacks teilnahmen, waren wir begeistert davon, etwas zu entwickeln, was für uns bedeutsam ist."

Ein weiteres Siegerprojekt war die App "PollenPlanter". Man sucht sich "seinen" Bestäuber und bekommt ein benutzerdefiniertes Profil, das anzeigt, welche Pflanzen diesen bestimmten Bestäuber, wie z.B. Kolibri, Holzbiene und Schmetterling, anziehen.

Verschiedene Fähigkeiten zusammenbringen

Der Tech-Unternehmer Mick Liubinskas sieht eine Zusammenarbeit, wie bei dem Hackathon, als einmalige Gelegenheit. "Oftmals hat Forschung keine Chance auf Kommerzialisierung, weil sie in Universitäten und Laboren bleibt. Wir müssen Unternehmer und Forscher zusammenbringen und finanzieren."

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Sanjana Paul sagt, sie habe sich motiviert gefühlt, als es ihr gelang, sowohl Studenten aus dem technischen Bereich als auch aus den Nicht-MINT-Fächern zur Teilnahme zu bewegen.

"Eines meiner Lieblingsbeispiele ist das eines Studenten der Biomedizintechnik, der nach einer Veranstaltung auf mich zukam und sagte, er sei ein bisschen sauer auf mich, weil ich ihn und andere dazu gebracht habe, die ganze Nacht über Solarenergie nachzudenken", meinte Sanjana Paul. "Sie waren wütend wegen des daraus resultierenden Schlafentzuges und gleichzeitig ärgerlich über unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Diese Bewusstseinsveränderung ist erstaunlich und auch wichtig."

Korrekturen und Klarstellungen: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, CruzHacks sei von der Earth Hack Foundation und Sanjana Paul organisiert worden. Die Earth Hack Foundation arbeitete mit CruzHacks zusammen und stellte einen Teil der Sponsorengelder zur Verfügung. Die Veranstaltung wurde aber von der Präsidentin von CruzHacks 2020, Jennifer Dutra, und ihrem Co-Vorsitzenden, Daniel Segobiano, geleitet.

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