Spezifische Medikamente gegen Coronaviren gibt es bislang nicht. Allerdings zeigten experimentell eingesetzte HIV-Mittel schon bei SARS und MERS deutliche Erfolge.
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Anfang Februar ließ die Meldung der thailändischen Behörden aufhorchen, es habe eine erfolgreiche Behandlung des neuartigen Coronavirus mit einem Cocktail aus Grippe- und HIV-Medikamenten gegeben. 48 Stunden nach dem Beginn der Behandlung sei das Virus bei der Patientin aus China nicht mehr nachweisbar gewesen.
Die Ärzte hatten die Frau mit einer Kombination aus dem Grippe-Medikament Oseltamivir und den antiviralen Wirkstoffen Lopinavir und Ritonavir behandelt, die eigentlich zur Behandlung von HIV entwickelt wurden. Der Medikamentenmix soll jetzt im Labor weiter getestet werden.
Inzwischen bestätigte der US-Pharmakonzern AbbVie, dass die chinesischen Gesundheitsbehörden in großen Stile das HIV-Mittel Kaletra angefordert hätten, das auch unter dem Namen Aluvia vertrieben wird.
Erfolge bereits bei der SARS-Pandemie
Die Idee, Infektionen mit dem Corona-Virus mit HIV-Hemmern zu behandeln, ist nicht wirklich neu. Bereits bei der SARS-Pandemie 2002/2003 wurden Patienten versuchsweise das HIV-Mittel Kaletra verabreicht, das die beiden HIV-Protease-Hemmer Lopinavir und Ritonavir enthält.
Wie die Substanzen die Coronaviren hemmen, erläuterte Professor Dr. Rolf Hilgenfeld von der Uni Lübeck jüngst gegenüber Zeit Online: "Um sich zu vermehren, bilden RNA-Viren – wie auch 2019-nCoV – zunächst sehr große Proteinmoleküle. Die müssen dann von bestimmten Enzymen in einzelne Komponenten zerschnitten werden, damit das Virus sich vermehren kann. Genau das will man verhindern. Das gelingt, indem man die Enzyme hemmt."
Zu lange wurde die Forschung an Coronaviren sträflich vernachlässigt, sagt Professor Hilgenfeld: "Damals galten Coronaviren noch als unwichtig für den Menschen. Man dachte, sie lösen allenfalls Erkältungen aus. Damals wurde mir von vielen sogar geraten, mit diesen "unwichtigen" Arbeiten aufzuhören. Und als kurz danach die SARS-Pandemie begann, waren wir die Einzigen, die überhaupt dreidimensionale Strukturen von Coronavirus-Proteinen aufgeklärt hatten. Auf dieser Basis haben wir schon damals eine Substanz entwickelt, mit der man Coronaviren hemmen kann."
Auch Ebola-Medikament könnte helfen
Sowohl gegen den SARS-Erreger als auch gegen das gefährliche MERS-Coronavirus zeigten die Wirkstoffe in Zellkulturen Wirkung. Deshalb ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Wirkstoffe auch beim neuen Coronavirus 2019-nCoV anschlagen. Allerdings befinden sich die Wirkstoffe noch im experimentellen Stadium und sind bislang noch nicht klinisch getestet worden.
Der Lübecker Biochemiker Hilgenfeld hält neben Lopinavir/Ritonavir auch das gegen Ebola entwickelte Medikament Remdesivir für vielversprechend, das ebenfalls in Zellkulturen gegen Coronaviren wirke. Allerdings ist dieser Arzneistoff nur in sehr begrenzter Form während des Ebola-Ausbruchs und im Kongo an Menschen getestet worden und das mit unklarem Ergebnis.
Entwicklung von Medikamenten und Impfstoff kann Jahre dauern
Bei der Suche nach Medikamenten zur Behandlung von Infektionen mit dem neuen Coronavirus arbeiten die Lübecker Forscher eng mit Wissenschaftlern aus China zusammen. Klarheit können wohl am ehesten die Laborversuche im Wuhan Institute of Virology bringen, wo das neue Coronavirus derzeit intensiv erforscht wird.
Bis zur Entwicklung eines Medikaments oder eines Impfstoffs gegen den neuen Virusstamm 2019-nCoV können aber trotzdem noch Jahre vergehen. Bis es soweit ist, sollten nach Ansicht von Professor Hilgenfeld u.a. die beiden bereits zugelassenen HIV-Hemmer Lopinavir und Ritonavir genutzt werden.
"Das Ziel der Impfstoffe ist das sogenannte Spike-Protein, das man sich wie Stacheln auf der Virushülle vorstellen muss. Und die unterscheiden sich – anders als die Enzyme, die von den Aidsmitteln Lopinavir/Ritonavir attackiert werden – je nach Virustyp deutlich. Das Spike-Protein des Wuhan-Virus ist nur zu 51 Prozent identisch mit dem des Sars-Coronavirus. Das macht einen Impfstoff, der gegen viele Coronaviren gleichermaßen wirkt, eher unwahrscheinlich. Auch wenn es schnell geht: Bis ein spezifischer Impfstoff gegen 2019-nCoV entwickelt ist und zum Einsatz bereitsteht, dürfte es Monate dauern. Unsere beste Chance gegen das Virus sind momentan die Medikamente, die wir schon haben", so der Biochemiker Hilgenfeld gegenüber Zeit Online.
Wuhan-Virus: Welche Branchen schon betroffen sind
Das in der chinesischen Millionenstadt Wuhan in der Provinz Hubei aufgetauchte Coronavirus gefährdet die globale Wirtschaft. Einige wenige Firmen sehen Chancen, die meisten Branchen aber beklagen bereits jetzt Einbußen.
Bild: VLADIMIR MARKOV via REUTERS
Die Kanzlerin in Wuhan
2019 besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch das Webasto-Werk in Wuhan. Das ist inzwischen geschlossen, wie das Unternehmen mitteilte. "Auswirkungen auf die globalen automobilen Lieferketten" seien nicht auszuschließen. Etwa 1000 Beschäftigte in der deutschen Zentrale arbeiten im "Homeoffice", da es unter ihnen einige bestätigte Corona-Infektionen gibt.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Ein seltener Fall
Ein Chemiekonzern sieht eine Chance: Lanxess verzeichnet eine stärkere Nachfrage nach seinem Desinfektionsmittel Rely+On Virkon. Das Mittel werde zur Desinfektion von harten Oberflächen und Geräten eingesetzt und könne wirksam gegen das Coronavirus sein und vor allem in China werde es stärker eingesetzt, so das Unternehmen. Man arbeite daran, schnellstmöglich zusätzliche Mengen liefern zu können.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Für ein Virus zu langsam
Die zurzeit schwächelnde Medizintechnik-Sparte von Siemens rechnet dagegen nicht mit einer steigenden Nachfrage nach seinen Röntgengeräten und Computertomographen. "Die kurzfristige Möglichkeit, damit Geschäfte zu machen, würde ich nicht überschätzen. Das geht nicht so schnell", sagte der Vorstandschef von Siemens Healthineers, Bernd Montag: "Da kommt und geht ein Virus schneller."
Bild: Siemens Healthineers
Einzelhandel und Systemgastronomie
Bei den Fastfood-Ketten KFC und Pizza Hut von Yum China und den Cafes von Luckin Coffee bleiben derzeit die Türen geschlossen. Die schwedische Modekette H&M schloss etwa 45 Filialen in China, der Jeans-Hersteller Levi Strauss ungefähr die Hälfte seiner Läden. Experten gehen aber davon aus, dass die Auswirkungen übersichtlich bleiben, da ihre Geschäfte nun überwiegend online abgewickelt werden.
Bild: picture-alliancedpa/imaginechina/Y. Xuan
Keine Zeit für die "schönste Nebensache der Welt"
Wie auch US-Konkurrent Nike schließt der deutsche Sportartikelhersteller Adidas in China vorübergehend viele seiner eigenen Geschäfte. Darüber hinaus, so der Konzern, werde das Franchise-Geschäfts genau beobachtet. Es sei aber noch zu früh, um die Auswirkungen zu beurteilen. Reklame-Veranstaltungen wie diese mit Fußballstar Paul Pogba in Hongkong 2017 wird es jetzt jedenfalls nicht geben.
Bild: picture-alliance/dpa/Stringer/Imaginechina
Besonders gefährdet: Die Autobauer
Die Epidemie habe "eine enorme wirtschaftliche Tragweite", gerade für die deutschen Autobauer, erklärt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. So bleiben die 33 Werke von Volkswagen (hier die konzerneigene Versuchsstrecke in Xinjiang) und seinen Joint Ventures in China noch bis zum Wochenende geschlossen, Geplante Auslieferungen seien aber nicht gefährdet.
Bild: Imago Images/Xinhua
An keinem geht es einfach so vorbei
Bei Daimler (hier ein Maybach bei einer Messe in Peking) soll der Großteil der chinesischen Produktion am kommenden Montag wieder anlaufen. Dabei setze das Unternehmen aber "verstärkt auf Homeoffice". Auch bei BMW starten die Produktion in Shenyang sowie die Büroarbeit im Vertrieb voraussichtlich am Montag wieder. Vertriebler arbeiten demnach zwischenzeitlich von Zuhause aus.
Bild: picture alliance/dpa
Honda bleibt vorsichtig
Der japanische Autobauer Honda hält seine drei zusammen mit dem chinesischen Hersteller Dongfeng betriebenen Autowerke in Wuhan länger geschlossen. Der Betrieb werde bis mindestens zum 13. Februar ruhen, sagte ein Sprecher. Ob die Produktion dann wieder anläuft, sei noch nicht klar. Man halte sich an die Vorgaben der lokalen Behörden.
Bild: picture-alliance/dpa
Der Nachschub bleibt aus
Das Virus wird zunehmend zum Problem der global verzahnten Lieferketten. Dafür ist die Autoindustrie ein gutes Beispiel. So wird der südkoreanische Hersteller Hyundai seine gesamte heimische Produktion noch in dieser Woche auszusetzen. Der Grund: fehlende Teile, die normalerweise aus China geliefert werden. Analysten gehen davon aus, dass ähnliche Probleme viele Unternehmen treffen werden.
Bild: Reuters/Aly Song
Die Chinesen bleiben aus
Auch in Deutschland sind Einschränkungen bereits spürbar: Wegen der Ansteckungsgefahr werden auf der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente" weniger Besucher erwartet. Das ergebe sich schon aus den deutlich reduzierten Flugverbindungen aus China, sagte ein Sprecher der Messegesellschaft. Die Lufthansa und andere Airlines haben ihre Verbindungen auf das chinesische Festland unterbrochen.
Bild: Dagmara Jakubczak
Hauptsache vorbereitet
Am Frankfurter Flughafen ist bereits eine Quarantänehalle für Corona-Evakuierte eingerichtet worden. Die meisten Passagiere aus China landen in Deutschland in der Regel in Frankfurt (2018 waren es mehr als eine Million). Wichtigste chinesische Airports für die Verbindung mit Deutschland waren die Flughäfen in Peking, Shanghai und Hongkong. Direktflüge von und nach Wuhan fanden nicht statt.