Können Wassermelonen schwimmen?
29. Juni 2006Filme über das Kino gibt es eigentlich schon reichlich. Denken wir nur an das legendäre "Cinema Paradiso" von Giuseppe Tornatore oder an Francois Truffauts "Amerikanische Nacht". Ahmet Uluçay hat sich dennoch an dieses Thema gewagt und mit "Schiffe aus Wassermelonen" ein beeindruckendes Spielfilmdebüt vorgelegt.
Anatolien in den 60er Jahren. Der Sommer ist heiß und flimmernd, die Tage scheinen endlos, das kleine Dorf Tepecek dämmert im Halbschlaf vor sich hin. Die beiden Freunde Recep und Mehmet träumen von einer besseren Welt, fernab der Einsamkeit und der beengten Heimat. Ihre Jobs als Melonenverkäufer und Friseurlehrling sind nicht gerade das, was sie sich unter einem guten Leben vorstellen. Wie gut, dass alle paar Wochen ein fahrender Filmvorführer vorbeikommt und sie für einige Stunden in das provisorische Kino entführen kann.
Synonym für ein besseres Leben
Doch Recep und Mehmet interessieren sich weniger für den Inhalt der Filme. Vielmehr schauen sie dem Filmvorführer bei seiner Arbeit über die Finger. Ihr Traum: Selbst einmal als große Regisseure richtiges Kino zu machen. Aus Mangel an Alternativen beginnen die beiden, sich aus Holzkisten und einfachsten Utensilien eine Kamera zusammen zu bauen. Das einzige, was ihnen fehlt, ist die richtige Geschwindigkeit, um das Bild zum Laufen zu bekommen. "Schiffe aus Wassermelonen", das ist das Synonym für unerreichbare Hoffnungen, für ein besseres Leben. Doch können solche Schiffe überhaupt schwimmen?
In dieser trostlos scheinenden Lage tritt die Witwe Nezihe mit ihren beiden Töchtern Nihal und Guler in das Leben der Jugendlichen. Und wie sollte es anders kommen - Recep, der bisher überhaupt keine Erfahrungen in der Liebe hat, verliebt sich unsterblich in die schöne Nihal. Doch all seine unbeholfenen Versuche, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, bleiben erfolglos. Stattdessen verliebt sich die jüngere Guler in Recep, eine Zuneigung, die er nicht erwidern wird. Als die Freundschaft von Recep und Mehmet unter den Verwicklungen leidet, versucht Mehmet mit allen Mitteln, seinem unglücklichen Freund zur Liebe zu verhelfen. Das jedoch hat fatale Folgen.
Erfinderisch und hartnäckig
Ahmet Uluçays Spielfilmdebüt trägt gleich eine ganze Reihe autobiografischer Züge. Die Geschichte um Recep und Mehmet ist seine eigene, auch Uluçay ist im anatolischen Tepecek aufgewachsen. Und ebenso, wie die Jugendlichen in seinem Film, hat auch er als Jugendlicher dem Filmvorführer bei der Arbeit zugesehen und mit Behelfsmitteln eigene Kameras und Projektoren gebaut. Den erstaunten Zuschauern seines Dorfes präsentierte er so kurze Filmschnipsel, die er im Müll des mobilen Kinobetreibers fand. Und Uluçay war erfinderisch und hartnäckig. So hartnäckig, dass er für seine Basteleien später den Prestigepreis der Hochschule für Physik erhielt.
Man merkt Uluçays Werk an, dass er eigentlich seine eigene Geschichte erzählt. Authentische Figuren und eine ebenso ungekünstelte Kameraführung zeigen das Dorf Tepecek schlicht als echt - nichts überrascht, kein Charakter wirkt überzeichnet. Im Kontrast der gelbstichigen Tagessequenzen und der farbig gedämpften Nachtaufnahmen entsteht ein Mikrokosmos aus Liebe zum Kino - eine Hommage an seine Heimat, an eine vergangene Zeit und an Uluçays große Kinoleidenschaft. Vor allem aber hat er seiner eigenen Jugend ein Denkmal gesetzt, ganz ohne Pathos und Gefühlsduselei.