Schiffe sind gewaltige Dreckschleudern. Unternehmen wollen die Schifffahrt revolutionieren. Könnten Elektromotoren die Lösung des Problems sein?
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Die ersten Lastkähne, die zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden, stehen kurz vor ihren ersten Touren. Sie sollen ab Ende des Jahres die stark frequentierten Häfen von Antwerpen in Belgien und Amsterdam, sowie Rotterdam in den Niederlanden anfahren. Ihr Einsatz soll die Zahl der umweltverschmutzenden Diesel-LKW, die zwischen den Städten Waren transportieren, reduzieren.
Werbewirksam werden die emissionsfreien Kähne auch "Tesla-Schiffe" genannt. Sie sind Teil einer ganzen Reihe von elektrischen oder hybrid-betriebenen Wasserfahrzeugen, die in Zukunft Europas Häfen anlaufen sollen. Entwickelt hat die Lastkähne das niederländische Unternehmen Port-Liner. Das erklärte Ziel: Schifffahrt und Frachttransport revolutionieren.
"Für uns erscheint es einfach nicht mehr sinnvoll, neue Schiffe weiterhin mit Dieselmotoren auszurüsten", sagt Ton van Meegen, der Geschäftsführer von Port-Liner. Sein Unternehmen wird von der EU mit 100 Millionen Euro (124 Million US-Dollar) unterstützt. "Unsere Schiffe werden für Jahrzehnte im Einsatz sein", sagt er weiter. "Elektrische Motoren sind ganz eindeutig die Richtung, in die sich die Industrie bewegt."
Seit März werden fünf Schiffe gebaut. Jedes einzelne kann bis zu 24 Container transportieren. Insgesamt könnten so 23.000 Fracht-LKW von den Straßen verschwinden. Das allein spart CO2 ein. Das Unternehmen will außerdem die Batterien der Frachter mit sauber erzeugtem Strom laden.
Anfangs werden die Schiffe noch von einer Crew bewegt, auf längere Sicht sollen sie aber autonom durch das Wasser pflügen.
Den Schiffssektor reinigen
Viel dreckiger als mit Schiffen kann Warentransport nicht sein. Frachter fahren auf internationalen Gewässern mit Schweröl, der schmutzigsten aller Dieselvarianten. Abgase, die aus solchen Motoren kommen, enthalten auch Stickstoff- und Schwefeloxide (NOx und SOx) in hohen Konzentrationen, die mit Asthma, Lungenkrebs und Herzerkrankungen in Verbindung gebracht werden.
Der Transport zu Wasser ist verantwortlich für etwa drei Prozent der weltweiten Emission von Treibhausgasen, heißt es bei der EU-Kommission.
In einem ersten Schritt soll aber nun der Schwefel im Schiffsdiesel deutlich verringert werden. Die International Maritime Organization beschäftigt sich mit allem, was mit Schifffahrt zu tun hat. Die UN-Organisation hat beschlossen, dass der Schadstoffwert ab 2020 von 3,5 auf 0,5 Prozent sinken muss.
Damit könnten ein Drittel der Erkrankungen, die mit dem Schiffsverkehr in Verbindung gebracht werden, vermieden werden, schrieb das Fachblatt Nature im Februar 2018. Erkrankungen bei Kindern, jährlich immerhin 14 Millionen, könnten sogar um die Hälfte sinken, heißt es dort.
Das International Chamber of Shipping (ICS), immerhin die größte Schifffahrt-Organisation der Welt, unterstützt die Pläne zur Schadstoffreduktion. Man sei da in einer Linie mit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen, sagt Peter Hinchliffe, der Generalsekretär des Verbandes, gegenüber der DW.
Sind Batterien tatsächlich die Lösung für die Schifffahrt?
Lucy Gilliam nennt striktere Regulierungen und die Produktion von leistungsstärkeren Batterien, mit geringerem Gewicht eine "Energie-Revolution."
"In ganz Europa gibt es eine regelrechte Welle von Entwicklungen, die den Schiffssektor auf den Kopf stellt", so die Expertin der Organisation Transport and Environment. "Wir müssen Zweifel zerstreuen, Batterien sind nicht zu schwer und haben genug Energie. Da hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben", sagt sie.
Insbesondere auf kürzeren Strecken nähmen sich Batterie und Treibstoffgewicht nichts, so Gilliam. Bei Ozeanriesen, die auf den Weltmeeren unterwegs sind, ist die Rechnung allerdings nicht so einfach. Sie können sich nicht auf kleinere, effektive Batterien verlassen und werden wohl nicht in absehbarer Zeit vollständig elektrisch unterwegs sein.
"Angesichts der derzeitigen technologischen Einschränkungen, scheint die Elektrifizierung heute auf kleinere Unternehmen beschränkt zu sein, die nur kurze Strecken befahren", sagt Hinchliffe. Aber Druck sei nötig, fügt er hinzu, um den Schifffahrtssektor zur Entwicklung sauberer Antriebe zu bewegen.
Hohe Erwartungen
Gruppen wie Transport and Environment fordern mehr Einsatz, um die Elektrifizierung von Schiffen voranzubringen. Steuern seien ein großes Hindernis, sagen sie. Denn die wären für Strom aktuell sehr hoch, nicht aber für umweltschädlichere Schiffskraftstoffe.
Die Globalisierung führt in der Schifffahrtsindustrie außerdem dazu, dass Häfen miteinander in Konkurrenz treten müssen. Also zögern sie, zum Beispiel Schiffe, die mit dreckigeren Treibstoffen fahren, stärker zu besteuern oder strengere Emissionsvorschriften für einlaufende Schiffe festzulegen.
In Skandinavien aber machen elektrische Schiffe schon einige Wellen. Die MS Ampere, eine mittelgroße Autofähre, ist seit Anfang 2015 vor Westnorwegen unterwegs. Die Fähr-Reederei Scandlines betreibt auch Batterie-Diesel-Hybride zwischen Deutschland und Dänemark.
Laut Gilliam kommt man an der Elektrifizierung von kurzen Fährstrecken in Europa nicht mehr vorbei. Und auch langfristig ist ihre Gruppe optimistisch, dass fossile Brennstoffe in der Wirtschaft der Vergangenheit angehören werden.
"Wir erwarten, dass alles elektrifiziert werden wird", so Gilliam (sie ergänzt allerdings, dass die Luftfahrt wohl davon ausgenommen bleibt). "Am Ende wird es nur noch darum gehen, aus welchen Quellen die notwendige Energie kommt."
Giganten zu Wasser:
Gigantomanie in der Schifffahrt
Die "CMA CGM Antoine de Saint Exupéry" ist das bislang größte Containerschiff, das jemals den Hamburger Hafen angelaufen hat. In Zukunft werden Schiffe aber nicht nur immer größer, sondern auch autonomer.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt
Willkommen in Hamburg!
Mit einer Tragfähigkeit von 20.600 Standard-Containern (TEU) ist die "CMA CGM Antoine de Saint Exupéry" das größte Containerschiff, das jemals den Hamburger Hafen angesteuert hat. Weltweit liegt es auf Platz sieben, hinter sechs
baugleichen Schiffen der Reederei OOCL
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt
Ein neuer Größenrekord
Im Mai des Jahres 2017 lief das größte Containerschiff der Welt im einzigen deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven ein. Die MV "OOCL Hong Kong" ist 400 Meter lang und hat 21.413 Stellplätzen für Standardcontainer. Sie wurde in Südkorea gebaut. Vor dem Stopp in Deutschland hatte das Schiff auf der Jungfernfahrt schon im britischen Felixstowe und im polnischen Danzig angelegt
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
So lang wie das Empire State Building hoch ist
Kurz davor hatte der Hamburger Hafen die Ankunft eines anderen Giganten gefeiert: Die MOL Triumph ist ebenfalls 400 Meter lang, hat aber "nur" Platz für 20.170 Standardcontainer. Vollbeladen kann der Frachter aber nicht in Deutschlands größten Hafen einfahren, dafür ist die Elbe zu flach. Die japanische Reederei will die MOL Triumph künftig im Liniendienst zwischen Europa und Ostasien einsetzen.
Kostenrechnung fraglich
Vor 25 Jahren reichten 4.442 Container für Rekorde. Seitdem sind Containerschiffe immer größer geworden. Aber je größer sie werden, desto weniger spart man pro Container. Zudem müssen sie voll beladen fahren, um günstiger zu sein. Auch bei Tankern gab es die Tendenz immer weiter zu wachsen - die Supertanker übertrafen die heutigen Containerriesen noch. Jetzt sind sie aber nicht mehr gefragt.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth
Zu groß? Das längste Schiff der Welt
Über 458 Meter lang war der Öltanker Jahre Viking. Um anzuhalten, benötigte er mehr als sechs Kilometer. Er konnte aufgrund seiner Größe und seiner schlechten Manövrierfähigkeit weder den Panama-, den Suez- noch den Ärmelkanal befahren und auch nur wenige Häfen anlaufen. Von 2004 bis 2009 diente der Tanker unter dem Namen Knock Nevis als schwimmendes Rohöllager und wurde 2010 abgewrackt.
Bild: picture-alliance/dpa/DPA Report
Eine Kleinstadt auf dem Meer
Das größte Kreuzfahrtschiff, das bisher gebaut wurde, ist die Harmony of the Seas. Auf 16 Decks können sich über 6300 Passagiere und 2100 Besatzungsmitglieder tummeln. Für das 362 Meter lange Schiff mit seinen 20 Speisesälen, 23 Pools, der längsten Rutsche auf See und einem Park mit rund 12.000 Pflanzen hat die US-Reederei Royal Caribbean Cruises mehr als eine Milliarde Euro gezahlt.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Dubray
Groß wie ein Kreuzfahrtschiff, aber ohne Touristen
Diverse Scheichs, Oligarchen und andere Milliardäre konkurrieren darum, wer die größte Jacht hat. So werden die Schiffe teils auch noch während der Bauphase verlängert, um die Gegner zu übertrumpfen. An der Spitze liegt zur Zeit die Motorjacht Azzam (Länge 180 Meter). Das Spielzeug eines saudischen Scheichs verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz, ein Raketenabwehrsystem und ein eigenes U-Boot.
Bild: Imago/TheYachtPhoto.com
Segeln mit Unterwasser-Beobachtungslounge
Der Designer Philippe Starck entwarf die Superjacht "A" für den russischen Milliardär Andrej Melnitschenko. Ihre Segelfläche ist etwa halb so groß wie ein Fußballplatz, sie hat acht Decks mit drei Pools, einem eigenen U-Boot und einer Panorama-Lounge unter der Wasserlinie. Mit 143 Metern Länge ist das Schiff deutlich größer als das deutsche Marine-Segelschulschiff "Gorch Fock" (89 Meter).
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken
Das wohl teuerste Kriegsschiff der Welt
Rund 13 Milliarden Dollar lassen sich die USA den neue Flugzeugträger (Länge 337 Meter) kosten. Seit April 2017 übt die US-Marine bereits an Bord der USS Gerald R. Ford. Bislang haben die USA 18 klassische Flugzeugträger im Einsatz. Die neue Ford-Klasse soll effektiver und schneller Flugzeuge in die Luft bringen - mit einem elektromagnetischen Katapult statt wie bisher mit einem dampfgetriebenen.
Bild: Imago/Zumapress/C. Delano
Russlands Mega-Schiffe
Drei Meter dicke Eisplatten? Kein Problem für den russischen Atomeisbrecher Arktika. Er ist der größte seiner Art - nach Angaben der staatlichen russischen Website "Sputniknews". Seine Aufgabe: Ab Ende 2017 soll er Öl- und Gastankern den Weg rund um die Arktis freihalten. Im Juni 2016 wurde er bereits vom Stapel gelassen, ihm sollen in den kommenden Jahren weitere Eisbrecher folgen.
Bild: picture alliance / dpa
Langsamer Kraftprotz
Der Thialf ist der leistungsfähigste Schwimmkran der Welt, der Lasten bis zu 14.200 Tonnen heben kann. Er dient vor allem als Arbeitsschiff bei der Errichtung von Offshore-Anlagen und kann seinen Tiefgang zwischen 11,8 und 31,6 Metern variieren. Der Rumpf besteht aus zwei Schwimmkörpern, die den Decksaufbau über je vier Säulen tragen. Nur Tempo macht er mit maximal 11 Kilometern pro Stunde nicht.
Bild: BoH/GPL
Schwertransporter zur See
Offshore Plattformen (Foto) oder ganze Schiffe kann die Dockwise Vanguard transportieren. Dafür senkt sich das Transportschiff ab, die Ladung wird mit Schleppern über die Ladeplattform gezogen und dann hebt sich das Schiff wieder aus dem Wasser. Das weltweit größte Transportschiff hat eine Länge von 275 Metern.
Bild: Boskalis
Zum tiefsten Punkt der Meere
... tauchte Regisseur James Cameron mit der Deepsea Challenger. Das U-Boot wurde von 2005 bis 2012 unter strikter Geheimhaltung in Australien gebaut. Der Passagier sitzt in einer Kugel aus hochfestem Stahl mit einem inneren Durchmesser von 109 cm (Wanddicke: 64 mm). So tauchte Cameron 2012 zum Challengertief im Marianengraben im Pazifik (rund 10.984 m unter dem Meeresspiegel).
Bild: REUTERS
Es geht auch ohne Menschen
Größe ist nicht alles! In Zukunft könnten Schiffe ohne Besatzung und elektrisch unterwegs sein. Den ersten Versuch mit einem selbstfahrenden E-Containerschiff startet Norwegen: Die "Yara Birkland" (Bild) soll ab 2018 im Küstenverkehr Düngemittel transportieren. Erst mit Kapitän, ab 2019 ferngesteuert und ab 2020 autonom. Experten meinen, sie könnte ein "game changer" für die Schifffahrt werden.