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Politik

Künast will Hilfe für Colonia-Dignidad-Opfer

23. August 2018

Die deutsche Auswanderersiedlung Colonia Dignidad in Chile wurde weltweit für ihre Verbrechen an Kindern bekannt - auch weil die deutsche Politik nicht eingriff. Grünen-Politikern Künast fordert Wiedergutmachung.

Chile: Villa Baviera -  Colonia Dignidad
Arme Bauern schickten ihre Kinder damals zur Schulbildung und Versorgung in die Colonia Dignidad (Archivbild)Bild: picture-alliance /dpa/Villa Baviera

Deutschland trage für die Opfer der sektenartigen Siedlung Verantwortung, weil die deutsche Botschaft in Santiago de Chile und das Auswärtige Amt über Jahre hinweg vor den dortigen Verbrechen "bewusst die Augen verschlossen" hätten, sagte Renate Künast bei einem Besuch in Chile. Die Grünen-Politikerin gehört einer Bundestagskommission zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad an. Gemeinsam mit dem CDU-Politiker Michael Brand und dem SPD-Abgeordneten Matthias Bartke hält sie sich derzeit in Chile auf, um über die Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und die Unterstützung der Opfer zu beraten.

Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne)Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Künast: Deutsche Politik hat versagt

In der sektenartigen Siedlung wurden zur Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) Menschen vergewaltigt, gefoltert und getötet. Vor allem Kinder wurden in der Siedlung nach heutigen Erkenntnissen zu hunderten misshandelt und missbraucht. Der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohene frühere Wehrmachtsgefreite Paul Schäfer hatte die Siedlung Anfang der 1960er Jahre in einer Bergregion in Südchile mit 300 Anhängern gegründet. Auf dem über 13.000 Hektar großen Gelände der Colonia Dignidad, die sich später Villa Bavaria nannte, lebten zeitweise hunderte deutsche Auswanderer und ihre Familienangehörigen.

Es sei "unfassbar, wie ein solches System sich so lange halten konnte", sagte Künast. Schließlich habe es über Jahrzehnte Hinweise auf Gewalt und Freiheitsberaubung in der Colonia Dignidad gegeben. "Das ist auch ein Versagen deutscher Politik gewesen", kritisierte sie. Die deutschen Behörden hätten "das System dadurch stabilisiert, dass sie nicht interveniert haben".

Daher müsse jetzt geklärt werden, wie ein Hilfsfonds eingerichtet werden könne und wie dieser ausgestattet werde, sagte Künast. Jetzt sei dafür "das Zeitfenster da". Künast hob hervor, dass in dem Gebiet heute viele Menschen in Armut lebten. Sie könnten das Schulgeld für ihre Kinder nicht aufbringen und keine Arztrechnungen bezahlen.

In den Gesprächen von Künast und ihren Bundestagskollegen geht es auch um die Einrichtung eines unabhängigen Dokumentationszentrums sowie einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad gemeinsam mit Chile.

Kritik an vorgelegtem Hilfskonzept

Im vergangenen Jahr hatte der Bundestag eine Entschädigung der Opfer der Colonia Dignidad und eine bessere Aufarbeitung der in der Siedlung verübten Verbrechen gefordert. In einem Ende Juni vorgelegten Hilfskonzept ist von einem Hilfsfonds für die Unterstützung der "Opfergemeinschaft" die Rede.

Das Konzept stieß im Bundestag auf massive Kritik, weil es keine individuellen Entschädigungen vorsah. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte individuelle Entschädigungszahlungen im Anschluss an die Kritik nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber gesagt, es gebe bei dem Thema bisher "eine große Zurückhaltung" der Bundesregierung.

Ein Foto aus den 1980er Jahren zeigt den Eingang der Colonia DignidadBild: picture-alliance/dpa/M. Hernandez

Die Siedlung war von dem aus Deutschland geflohenen ehemaligen Wehrmachtsgefreiten und Laienprediger Paul Schäfer nahe der Stadt Parral, rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, gegründet worden. Schäfers Schläger folterten Oppositionelle und bildeten Folterknechte für den chilenischen Geheimdienst aus.

Nach dem Ende der Militärdiktatur in Chile häuften sich die Vorwürfe und Anzeigen gegen die Verantwortlichen der Colonia Dignidad. Außer um Kindesmissbrauch ging es auch um Steuerhinterziehung, Waffenschmuggel, Freiheitsberaubung und Drogenmissbrauch. 1991 wurde die Sektensiedlung offiziell aufgelöst.

rk/qu (afp, dpa)

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