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Der Palast der Republik ist wieder da

Elizabeth Grenier rbr
8. März 2019

Viele Deutsche erinnern sich noch an den Palast der Republik, der 2008 endgültig abgerissen wurde. Ein Kunstprojekt lässt nun 30 Jahre nach dem Mauerfall das Gebäude symbolisch neu errichten. Nostalgie oder Provokation?

Berliner Festspiele l Palast der Republik
Bild: Berliner Festspiele/Immersion, photo: Burkhard Peter

Eine riesige Fensterfront! Diese lässt sich doch leicht in eine symbolische Rekonstruktion des Palasts der Republik umwandeln, dachte sich das Team der Berliner Festspiele. Und so war die Idee geboren. Von 1976 bis 1990 war der Palast der Republik der Sitz des DDR-Parlaments, der Volkskammer, und öffentliches Kulturhaus zugleich. Zwischen 2006 und 2008 wurde das Gebäude zugunsten des Aufbaus des Humboldt-Forums abgerissen. 

Die Kuratoren der Berliner Festspiele entwickelten ein umfassendes, dreitägiges Programm (8. bis 10. März) mit dem Titel "Palast der Republik", das die Besucher zu Gesprächen, Filmvorführungen, Tanzeinlagen und Musik einlädt.

Es gehe nicht darum, den ehemaligen Regierungssitz der DDR zu verherrlichen, erklärten die Organisatoren. So wurde beispielsweise das Symbol an der Vorderseite des Gebäudes abgewandelt: Anstatt den sozialistischen Ährenkranz mit Hammer und Sichel nachzubilden, wurde ein sechseckiges Logo kreiert, das auf die Form des Großen Saals des Palasts verweist.

Elske Rosenfeld und Thomas Oberender: "Es ist kein Nostalgieprojekt"Bild: DW/Elizabeth Grenier

"Das ist kein Nostalgieprojekt", sagte Thomas Oberender, Direktor des Hauses der Berliner Festspiele, auf der Pressekonferenz im Vorfeld der Veranstaltung. Stattdessen solle die Ambivalenz des Palasts gezeigt werden. Oberender beschreibt das Projekt als einen "Versuch, Erinnerung anders zu praktizieren, über Ost und West zu sprechen und sich eine Reformagenda für die Zukunft vorzustellen".

Ein Gebäude mit bewegender Geschichte

Am 9. November 2019 jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 30. Mal. Anlässlich der Feierlichkeiten soll das Berliner Stadtschloss mit dem dazugehörigen Humboldt-Forum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das ursprüngliche Berliner Stadtschloss aus dem 15. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Es hätte gerettet werden können, doch die damalige sozialistische Regierung betrachtete es als Symbol des preußischen Imperialismus und beschloss 1950, das Gebäude zu zerstören.

Der Palast der Republik, der neben seinen parlamentarischen Funktionen verschiedene kulturelle Veranstaltungen, Kunstgalerien, Restaurants und eine Kegelbahn beherbergte, wurde in den 1970er Jahren anstelle des Stadtschlosses errichtet. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der Palast der Republik für die Öffentlichkeit gesperrt, da das Gebäude mit Asbest verseucht war.

Im Jahr 2003 beschloss der deutsche Bundestag, das Gebäude abzureißen und das ehemalige Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen - eine umstrittene Entscheidung. Ganz gleich wie man über den Neubau denkt, die abwechselnden Abrisse und Errichtungen neuer Gebäude sind ein Spiegelbild der bewegten Stadtgeschichte. 

Der Zentrale Runde Tisch in Ost-Berlin (1989/1990) erarbeitete u.a. einen Entwurf für eine neue VerfassungBild: Imago/S. Spiegl

Eine Revision der vernachlässigten Geschichte Ostdeutschlands

Das Kunstprojekt "Palast der Republik" ist mehr als nur eine symbolische Neuauflage des abgerissenen DDR-Gebäudes. Vielmehr greift das Projekt Ideen auf, die nach der Wiedervereinigung aus dem gesellschaftlichen Diskurs verschwunden sind.

Heute macht der Aufstieg der extremen Rechten in den neuen Bundesländern oft Schlagzeilen. Die Kuratoren der Veranstaltung sind der Meinung, dass es an der Zeit sei, andere Aspekte des Vermächtnisses der DDR aufzugreifen, sagte Oberender. "Welche emanzipatorischen Bewegungen und Einstellungen aus der Zeit vor der Wiedervereinigung Deutschlands sind verschwunden, werden aber noch heute benötigt", ist die Leitfrage des Programms.

Eine vergessene Verfassung

Das Programm des Eröffnungstages erinnere an die Arbeit des Zentralen Runden Tisches der DDR, erklärte die Mitkuratorin der Veranstaltung Elske Rosenfeld, die die friedliche Revolution als 15-jährige ostdeutsche Jugendliche erlebte, und diese seitdem zu einem Schwerpunkt ihrer künstlerischen Forschung gemacht hat.

Der Runde Tisch diente damals als zentrale politische Institution, die im Dezember 1989 die Aufgaben der DDR-Regierung übernehmen sollte. Sie wurde auch mit der Vorbereitung eines Entwurfs für eine neue Verfassung für den ostdeutschen Staat beauftragt. Die im Dokument formulierten Ideen zogen Lehren aus dem Scheitern des ostdeutschen Staates, zielten aber dennoch auf die Einbeziehung des sozialistischen Grundprinzips einer gerechteren Gesellschaft.

Die Präambel stammt von der ostdeutschen Autorin Christa Wolf. Unter den Experten, die an dem Dokument gearbeitet haben, war der westdeutsche Jurist Bernhard Schlink, bekannt für seinen Roman "Der Vorleser". Schlink wird auch im Rahmen des Kunstprojekts "Palast der Republik" als Gastredner auftreten.

Die originalen Stühle des Runden Tisches stellen heute eine Kunstinstallation im Haus der Berliner Festspiele darBild: DW/Elizabeth Grenier

Der Verfassungsentwurf wurde jedoch schnell abgelehnt. Anstatt eine neue Verfassung für ein neues Land zu schaffen - was längere Verhandlungen erforderlich gemacht hätte - wurden die fünf neuen deutschen Länder dem Bund eingegliedert. "Ich war enttäuscht über das Versprechen des Westens auf schnellen Wohlstand", sagte Elske Rosenfeld. Eine erneute Betrachtung dieses vergessenen Verfassungsvorschlags könne eine andere Perspektive in den aktuellen Debatten bieten. "Es ist zu einfach, die revolutionären Bewegungen der Zeit als 'naiv' oder 'utopisch' abzutun", fügte sie hinzu, aber ein solches Dokument "spricht für sich selbst, es bedarf keines zusätzlichen Kommentars."

Transnationale Strategie zur Bekämpfung der extremen Rechten

Am letzten Tag des Projekts gehe es darum, einen Blick in die Zukunft zu werfen, so die Organisatoren. Unter dem Motto "Neue Allianzen" soll die Frage behandelt werden, wie ein ähnlicher Moment des Aufbruchs wie 1989/90 wiederhergestellt werden könnte. Der Tag wird mit einem Vortrag des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis eröffnet, der die paneuropäische Bewegung DiEM25 mitbegründet hat. Es ist die erste transnationale Partei, die bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai antritt.

Außerdem wird "das Parlament der Zukunft" tagen, in dem Philosophen, Aktivisten und Historiker Ideen für eine neue transnationale Verfassung austauschen werden. Letztendlich wollen die Veranstalter Lösungen finden, die dem rechtsextremen Populismus entgegenwirken könnten, und gleichzeitig die gängige Annahme in Frage stellen, es gebe "keine Alternative" zum Neoliberalismus.

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