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Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch

14. November 2018

Verliert Deutschland beim Thema künstliche Intelligenz den Anschluss? Die Bundesregierung will jetzt mit einer Digitalstrategie gegensteuern. Die Zeit drängt, denn die Umwälzungen durch die Digitalisierung sind gewaltig.

[No title] (Pixabay)
Bild: picture alliance / Klaus Ohlenschläger

Schneller und besser mit KI

02:23

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Auf der Seite WILL ROBOTS TAKE MY JOB? kann sich jeder Internet-User ansehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sein Job durch den Tsunami der Digitalisierung hinweggefegt wird. Das Ergebnis: Schreibkräfte werden sehr wahrscheinlich zu 81 Prozent durch Maschinen ersetzt, Reiseführer zu 91 Prozent - Datenbank-Administratoren aber nur zu 3 Prozent.

Basis der Berechnungen der Website ist eine US-Studie aus dem Jahr 2013, in dem die Autoren Frey und Osborne davon ausgehen, dass allein in den USA bis zu 47 Prozent aller Arbeitsplätze durch die fortschreitende Computerisierung bedroht sind.

Besonders schnell kann es auf dem Arbeitsmarkt gehen, wenn die Digitalisierung mit Künstlicher Intelligenz im Schlepptau daherkommt. Dabei geht es um die Lernfähigkeit von leistungsfähigen Rechnern, die zuvor mit Unmengen von Daten gefüttert wurden. Ob man es letztendlich maschinelles Lernen oder Deap Learning nennt - die superschlauen Maschinen werden zu gewaltigen Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt führen. Dabei gilt die Faustregel: Alle Tätigkeiten, die immer wieder kehrende Routinen beinhalten, haben wenig Überlebenschancen. Je individueller die Fertigkeiten sind, desto besser.

Das US-Magazin Wired geht davon aus, dass nach dem Verschwinden der so genannten Blue Collar Jobs, der klassischen Industrie-Arbeitsplätze, der größte Teil der Arbeiter in der Zukunft Programmierer sein werden. Und dabei denkt Wired-Kolumnist Clive Thompson nicht an die Spitzenkräfte bei den Branchengiganten im Silicon Valley, wo gerade einmal acht Prozent der Programmierer in den USA tätig sind, sondern an die vielen Millionen IT-Jobs in den USA, wo es um die Datennetze kleinerer und mittelgroßer Firmen geht. Mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von mehr als 80.000 US-Dollar liege der Verdienst von IT-Mitarbeitern weit über dem US-Durchschnitt und man habe eine überschaubare 40-Stunden-Woche. Die Zukunft sieht für Datenspezialisten und Programmierer dementsprechend positiv aus: In den USA wird damit gerechnet, dass die Jobs im IT-Bereich in den kommenden Jahren um mehr als zehn Prozent zulegen werden.

Eine von vielen IT-Abteilungen des Online-Modehändlers Zalando in BerlinBild: imago/C. Ditsch

Händeringend gesucht: Programmierer

Das gilt auch für Unternehmen wie Zalando, wo im Frühjahr angekündigt wurde, dass mehr als 100 Jobs im Marketing durch Algorithmen ersetzt werden sollen. Stattdessen sucht der Berliner Online-Modehändler jetzt händeringend nach Programmierern. Zalando-Manager Moritz Hahn begründete den Schritt Anfang März damit, dass Zalando die Kundenansprache mit Hilfe seiner gesammelten Daten so viel stärker personalisieren könne.

Auch die klassische Industrie wird durch die Digitalisierung kräftig durchgerüttelt. Siemens-Chef Joe Kaeser geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die Hälfte der Wertschöpfung in der deutschen Wirtschaft durch die Digitalisierung verloren geht – also in den nächsten zwölf Jahren! Auf der Digitalkonferenz DLD im Sommer 2016 verkündete Kaeser - weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit- , dass nur einer von zehn Angehörigen der Mittelschicht von der Digitalisierung profitieren werde: "Einer steigt auf, neun steigen ab", so Kaeser. "Die Digitalisierung wird die Mittelschicht vernichten", lautete die düstere Einschätzung des deutschen Top-Managers. Und das ganze werde auch nicht langsam vor sich gehen, sondern mit riesigen Schritten auf uns zukommen. Denn die Digitalisierung bestehe entweder aus 1 oder 0. Entweder sei man im Geschäft, oder eben draußen.

Das Problem der deutschen Wirtschaft: Außer dem Dax-Konzern SAP gibt es in der IT-Branche kein internationales Schwergewicht. Und selbst ein Riese wie SAP ist verwundbar für den Angriff eines Konkurrenten, der es vielleicht schneller als die Walldorfer schafft, mit Künstlicher Intelligenz die Kunden für Betriebssoftware von sich zu überzeugen. Eines davon ist das Softwarehaus Anaplan. Die Briten haben angekündigt, sich weiter im Marktsegment des deutschen Softwareriesen festsetzen zu wollen. Anaplan vernetzt die zigtausenden Excel-Tabellen, die bislang einsam in Büroetagen vollgetippt werden, in der Cloud und verbindet sie mit künstlicher Intelligenz. Dabei setzen die Unternehmenslenker von Anaplan auf Googles KI-Anwendung Tensorflow. Die Open Source-Programmbibliothek ist im Netz frei verfügbar und bietet Entwicklern und Programmierern weltweit die Möglichkeit, an diesem KI-Projekt von Googles Brain Team mitzuarbeiten.

Für Geschäftsmodelle wie das von Zalando könnte es ebenfalls eng werden. Denn je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto weniger wird die Wirtschaft auf die Dienste von Mittelsmännern angewiesen sein. "Digitalization kills the middleman", bringt es Siemens-Chef Kaeser in Englisch auf den Punkt. Schon jetzt überspringen Online-Kunden mit einem Mausklick weite Teile früherer Lieferketten - grenzüberschreitend und in wenigen Sekunden.

Die Finanzbranche hat bereits darauf reagiert und stürzt sich mit Hochdruck in 

Entwicklungsprojekte dezentraler Datenbanken, wie sie die Blockchain-Technologie für das Schürfen der Cyberwährung Bitcoin vorgemacht hat. Derzeit arbeiten Programmierer weltweit an der Verfeinerung solcher digitalen Verrechnungs- und Wertstellungssysteme für die Bank- und Versicherungsbranche. Was wird dann aber aus Unternehmen wie Clearstream, einer Tochter der Deutschen Börse, die mit der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen ihr Geld verdient?

Die größte US-Bank, JP Morgan Chase, tummelte sich mit ihren Blockchain-Entwicklern in diesem Jahr auf dem internationalen Digitalbranchentreffen South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas. Die firmeneigene Blockchain-Variante Quorum ist zwar für Geschäftskunden gedacht - doch letztendlich könnten die US-Banker damit jegliche digitale Buchung schnell und ohne Mittelsmann rund um den Globus abwickeln - und das - laut Experten - mit extrem hoher Datensicherheit.

Warnung vor entfesselter KI

Tesla-Chef Elon Musk, nicht gerade als Technologie-Muffel bekannt, warnt seit langem vor den Umwälzungen durch das Erstarken der Künstlichen Intellgenz. Jetzt wieder, vor wenigen Tagen und ausgerechnet auf der Digitalkonferenz SXSW: "Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist wirklich dramatisch. Wir müssen einen Weg finden, wie wir sicherstellen können, dass der Einzug der Superintelligenz im Einklang mit der Menschheit stattfindet. Ich denke, das ist die größte existentielle Krise, die auf uns zukommt, und die gravierendste."

Normalerweise sei er kein Befürworter von Regulierung und Beaufsichtigung. Aber bei der Künstlichen Intelligenz gehe es um eine ernste Bedrohung für die gesamte Menschheit, so Musk. Der IT-Pionier fordert deshalb eine öffentliche Aufsichtsbehörde, die sicherstellen soll, dass die Künstliche Intelligenz nicht auf die schiefe Bahn kommt. "Das ist extrem wichtig. Ich denke, die Gefahr durch Künstliche Intelligenz ist viel größer als die Gefahr durch nukleare Sprengköpfe. Und zwar um ein Vielfaches." Denn niemand würde ernsthaft vorschlagen, dass jeder die Erlaubnis bekomme, nukleare Sprengköpfe zu bauen, wenn er das will, argumentiert Musk. "Das wäre verrückt. Und merken Sie sich meine Worte: Künstliche Intelligenz ist weitaus gefährlicher als Atombomben."

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Damit steht Elon Musk bei weitem nicht allein: Der am 14. März verstorbene britische Astrophysiker Stephen Hawking hatte die Folgen der Künstlichen Intelligenz noch drastischer auf den Punkt gebracht: "Ich fürchte, die künstliche Intelligenz wird den Menschen insgesamt ersetzen. Wenn Menschen Computer-Viren entwickeln, dann wird irgendjemand auch Künstliche Intelligenz erschaffen, die sich selbst reproduziert."

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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