Künstliche Intelligenz führt auch die Elektroindustrie in ein neues Zeitalter. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher erkennen das Potenzial. Experten fordern einerseits das Vorantreiben, raten aber auch zur Vorsicht.
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Elektrofahrzeuge bezahlen ihren Strom an der Ladesäule selbst, Kühlschränke bestellen Milch und Joghurt und Paketboten erhalten digitale Schlüssel für Kofferräume von Autos, um Bücher, Spielsachen oder Schuhe in das Fahrzeug des Kunden zu legen. Das alles sind Beispiele für Anwendungsmöglichkeiten smarter Elektronik. Machbar werden sie durch Datenanalyse-Systeme, die durch Künstliche Intelligenz (KI), also selbstlernende Programme, entstanden sind. Für den korrekten Ablauf sorgt die Blockchain-Technologie. Sie sichert zum Beispiel Verträge und Bezahlsysteme ab. Zu sehen sind diese Ideen, die den Alltag der Verbraucher erleichtern sollen, auf der Fachmesse Electronica vom 13. bis 16. November in München. Erwartet werden 3000 Aussteller aus 50 Ländern.
Künstliche Intelligenz inspiriert derzeit weltweit Unternehmen in fast allen Branchen: Marktforscher sind sich einig, dass KI innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht nur von allen Konzernen, sondern auch von mittelständischen Unternehmen genutzt wird. Laut IT-Dienstleister Atos erwirtschaften derzeit Unternehmen der Gesundheitsbranche, Automobilindustrie, der Finanz- sowie Logistikbranchen die größten durch KI generierten Umsätze. Auch der Transportsektor profitiert von der KI-Dynamik: Routenoptimierung und die Überwachung und Wartung von Transportmitteln stehen hier im Mittelpunkt. In der Fertigung wird KI für Produkttests, Qualitätskontrolle und die Optimierung des Mitarbeitereinsatzes angewendet.
Blockchain: "Gefahr einer Monopolbildung erkennen"
Voraussetzung für den effektiven Einsatz von KI sind große Datenmengen. Blockchain kann helfen, dass diese nicht in falsche Hände geraten. Neurophysiker Klaus Holthausen, Vorstand des Startups Teal AI, sieht in der Blockchain den Startschuss für ein neues Zeitalter der Datensicherheit. Die im dezentralen Netzwerk gesicherten Informationen sollen die Datenhoheit zurück in die Hände der Verbraucher geben. Holthausen: "Revolutionär ist der Einsatz smarter Verträge, die automatisch ohne menschliche Aufsicht abgeschlossen werden."
Für den Umgang mit der innovativen Technologie wünscht sich Holthausen noch mehr Engagement und Expertise in der deutschen Industrie und Politik. Denn Technologien bringen nicht nur Chancen mit sich: "Wir müssen die Gefahr einer Monopolbildung, wie aktuell durch Google und Facebook, erkennen." Dafür sei ein besseres Grundverständnis rund um Blockchain notwendig – auch im wissenschaftlichen Bereich: "Wir brauchen Knowhow für aufgeklärte User, die souverän mit der Technik umgehen müssen." Sein Tipp: "Interessensverbände müssen jetzt ihre Macht nutzen, um mehr Transparenz zu erreichen."
Ein Beispiel: Mithilfe der Kryptowährung IOTA will der Automobilzulieferer Bosch die Wertschöpfungskette im Internet of Things (IoT) beeinflussen. Bosch investiert in diese digitale Autorisierungsmethode, mit der autonome Elektrofahrzeuge selbstständig mit dem Betreiber einer Ladesäule abrechnen können.
Verbesserter Datenschutz als Ziel
Zukunftsmusik oder schon bald Realität? Jeder zweite Bundesbürger geht davon aus, dass die Blockchain-Technologie künftig in seinem Alltag eine wichtige Rolle spielen wird, so ein Ergebnis der diesjährigen Verbraucherumfrage "Eletronica Trend Index". Eine persönliche digitale Identität, die von den Behörden anerkannt wird, und verbesserter Datenschutz gegenüber Plattformbetreibern wie Facebook, Google oder Amazon, gehören laut Umfrage zu den wünschenswerten Zielen.
43 Prozent der Befragten sehen die Blockchain als wichtige Zukunftstechnologie, um den Datenschutz gegenüber Sozialen Netzwerken zu stärken. 49 Prozent der Verbraucher gehen davon aus, dass Banken und Anbieter von Online-Transaktionen durch seriöse Blockchain-Netzwerke ersetzt werden können. 54 Prozent rechnen damit, dass eine fälschungssichere digitale Identität Online-Transaktionen künftig transparent macht. Dabei wird die Technologie so einfach sein wie eine Smartphone-App, vermuten 57 Prozent. "Datenschlüssel als Smartphone-App erlauben es heute schon, digitale Zugriffsrechte sicher zu vergeben", erklärt Klaus Holthausen.
KI-Masterplan "zügig ausarbeiten und umsetzen"
Um alle Player an einen Tisch zu bringen, stehen auf dem diesjährigen Branchentreff in München zahlreiche Foren und Konferenzen auf der Agenda: Zum Beispiel die electronica Automotive Conference (eAC), die electronica Embedded Platforms Conference (eEPC), die electronica Medical Electronics Conference (eMEC) und der Wireless Congress. Mitorganisator ist der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).
Für Klaus Mittelbach, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung sind KI und Blockchain Schlüsseltechnologien für die Industrie 4.0: "Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Produktion entscheidet maßgeblich darüber, ob Deutschland seine gute Stellung bei Industrie 4.0 dauerhaft wird halten können." Für die Industrie hat der ZVEI Handlungsempfehlungen in einem Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Der Verband empfiehlt unter anderem, Forschung und Entwicklung nahe der Marktumsetzung zu stärken sowie kleine und mittlere Unternehmen bei der Anwendung zu unterstützen.
Die Stärken konsequenter für den heimischen Standort zu nutzen, sei eine vorrangige industriepolitische Aufgabe. ZVEI-Chef Mittelbach: "Die von der Bundesregierung beschlossenen Eckpunkte des Masterplans Künstliche Intelligenz gehen in die richtige Richtung, müssen jetzt aber zügig ausgearbeitet und umgesetzt werden." Wichtig sei, dass alle Interessengruppen eingebunden werden. "Eine Vorauswahl bestimmter Interessen darf es nicht geben." KI betreffe die Wirtschaft insgesamt und ebenso die Gesellschaft.
Das Auto denkt, das Auto lenkt
Autos könnten schon heute "autonom" fahren, also ohne einen Fahrer. Eine Einführung der Auto-Roboter ist aber umstritten: Was, wenn es zum Unfall kommt? Und: Wollen die Menschen, dass ein Auto für sie denkt und lenkt?
Bild: media.daimler.com
Reise vom Silicon Valley nach Las Vegas
Dieser Audi A7 ist voller Sensoren. Anfang 2015 fuhr das Auto selbständig den kompletten Weg vom Silicon Valley zur Technikmesse CES in Lag Vegas. 900 Kilometer lang war der Road-Trip über den Highway. Der Steuermann war nur für den Notfall an Bord - eingreifen musste er bei dieser Fahrt nicht.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Fets/Audi AG
Richtig gemütlich!
Dieser Prototyp von Mercedes Benz trägt den Namen F015 und zeigt in allen Konequenzen, wie ein autonomes Auto aussehen könnte: Ein Fahrersitz ist überflüssig. Stattdessen können sich alle Insassen während der Fahrt anschauen und gemütlich unterhalten. Auch dieses Forschungsfahrzeug wurde in Silicon Valley entwickelt. Seine Maximalgeschwindigkeit liegt zurzeit bei 200 km/h.
Bild: media.daimler.com
Nichts für ungeduldige Typen
Eigentlich sind autonome Fahrzeuge sehr sicher. Sie sind so programmiert, dass sie im Zweifelsfall eher die Fahrt verlangsamen. Sie halten definitiv den vorgegebenen Sicherheitsabstand ein und gefährden andere Verkehrsteilnehmer nicht durch aggressive Fahrmanöver, wie etwa dieser Raser.
Bild: imago/Jochen Tack
Gemütlich immer hinterher
Diese beiden autonomen Wagen der Universität der Bundeswehr in München machen es vor: Ganz entspannt fährt ein Wagen vorneweg, der andere folgt ganz treu, immer hinterher. Sie finden ihren Weg sogar in unbefestigtem Gelände auf Wegen, die sie vorher nicht kannten. Das zeigt eine Übung auf dem ELROB Roboterwettbewerb 2012.
Bild: DW
Das wäre nicht nötig gewesen
Zu solchen Massenkarambolagen kommt es, wenn Menschen zu schnell fahren, schlechte Sicht haben und nicht genügend Sicherheitsabstand einhalten. Klug gebaute Roboter-Autos würden solche Fehler nicht machen. Wären viele von ihnen vernetzt, könnten sie sogar schon Kilometer vorher Signale an nachfolgende Autos schicken: Vorsicht Stau!
Bild: picture-alliance/dpa
Sensoren für alle Gefahren-Typen
Roboter-Autos können unterschiedliche Augen nutzen, um ihre Umwelt zu erkennen. Ein von Google entwickeltes autonomes Auto nutzt zum Beispiel solch einen Lasersensor. Der dreht sich und tastet dabei seine Umgebung mit einem Laserstrahl dreidimensional ab.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Die echte Welt aus Laser-Sicht
Und so sieht das dann aus: Der Wagen der Universität der Bundeswehr fährt durch unwegsames Gelände. Der Laser entwirft eine dreidimensionale Karte, die er in den Computer einfüttert. So kann man sogar die Perspektive eines Außenstehenden einnehmen und dem Wagen bei seiner Entdeckungsfahrt zuschauen.
Bild: Universität der Bundeswehr/TAS
Orientierung per Satellit, Radar und Auge
Roboter können sich auch mit vielen anderen Mitteln im Feld orientieren. Zum Beispiel mit optischen Augen - wie dieser handelsüblichen USB-Kamera - oder kleinen Radar-Sensoren. Auch die Positionsbestimmung per Satellit ist für Autos wichtig - über GPS-Daten.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Sehende Autos - Zukunftstechnologie aus Deutschland
Mit optischen Kameras arbeiten auch Forscher bei Daimler. Für die Erfindung sehender Autos wurden sie 2011 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Diese Kamera ist hinter der Windschutzscheibe eines Mittelklassewagens montiert. Aufmerksam verfolgt sie, was sich auf der Straße abspielt.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Aus Bildpunkten wird Bewegung
Die optische Kamera erkennt zunächst tausende Bildpunkte - eine sogenannte Punktewolke. Aus der Bewegung einzelner Bildpunkte errechnet sie Vektoren - also Bewegungspfeile. Verschiedene Vektoren sind unterschiedlich lang. Daraus entwirft der Bordcomputer ein komplexes Bewegungsbild des Verkehrs vor und neben dem Auto.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Abbremsen oder ausweichen?
Indem der Bordcomputer die Vektoren herausfiltert, die bei der Fahrtgeschwindigkeit des Autos ungewöhnlich verlaufen, kann er Gefahren erkennen: Ein Fußgänger läuft von rechts vor das Auto und wird orange markiert. Im Hintergrund entfernt sich ein anderes Auto. Die Bewegungspunkte sind grün - keine Gefahr. So kann der Wagen reagieren, falls der Fahrer unaufmerksam ist.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Wer entscheidet - Computer oder Mensch?
Die Technik wäre also so weit. Aber die Frage, ob Roboter autonom auf den Verkehr losgelassen werden sollen, stellt Politiker und Juristen vor schwierige ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Roboterauto einen Unfall baut: Hersteller, Software-Programmierer, Eigentümer oder Fahrzeugführer? Und wie sieht es außerhalb des normalen Straßenverkehrs aus?
Bild: DW/Fabian Schmidt
Wenn es für Menschen zu gefährlich wird
Zum Beispiel im Kriegseinsatz - wenn man Material von einem Ort zum anderen transportieren will. Oder nach einem Chemie- oder Nuklearunfall, wenn das kontaminierte Gebiet für Menschen zu gefährlich ist. Dafür bauen Entwickler autonome Fahrzeuge, die schon heute praktische Aufgaben erfüllen können, wie hier bei der polnischen Militärakademie.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Leistungsschau autonomer Roboter
An der polnischen Militärakademie in Warschau fand im Sommer 2014 der Europäische Roboterwettbewerb ELROB statt. Fünf Tage lang konnten sich dort solche autonomen Fahrzeuge messen. Dieser Transporter der schweizerischen RUAG wurde erstmals 2012 in Thun in der Schweiz vorgestellt.
Bild: DW
Hände weg vom Steuer!
Fährt ein Fahrzeug ohne Fahrer auf eine Sprengfalle, geht zwar die Technik kaputt, doch zumindest kommt kein Mensch zu Schaden. Bei der ELROB-Übung musste allerdings noch jemand im Führerhaus sitzen, um den Not-aus-Knopf zu drücken, falls etwas schief ginge.