Donald Trumps Gesundheitsminister Kennedy hat verkündet, Forschung an mRNA-Impfstoffen werde von der US-Regierung nicht mehr unterstützt. Das erhöht die Anfälligkeit bei zukünftigen Pandemien, sagen Experten.
In der Pandemie retteten mRNA-Impfstoffe auch in den USA Millionen von LebenBild: Robert F. Bukaty/dpa/AP/picture alliance
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Der erste Wink des frisch ins Amt eingeführten US-Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im März hatte die Regierung unter Donald Trump die Gelder für mehr als 30 Forschungsprojekte gestrichen, die sich mit Gründen für und Maßnahmen gegen Impfskepsis befassen. Damit war den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ziemlich klar, dass es im nächsten Schritt der mRNA-Forschungin den USAan den Kragen gehen könnte.
Denn zu dieser Zeit hatte die Leitung der National Institutes of Health (NIH) auch eine Auflistung aller NIH-finanzierten Forschungsprojekte verlangt, die sich mit der mRNA-Technologie befassen. Diese sollten ans Gesundheitsministerium und ans Weiße Haus weitergeleitet werden. Eine solche Anfrage hatte es auch über die Forschungsprojekte zu Impf-Misstrauen gegeben - bevor ihnen die Gelder gestrichen wurden.
Inzwischen ist es soweit: In dieser Woche verkündete das US-Gesundheitsministerium, es werde 500 Millionen Dollar an Forschungsfinanzierung für mRNA-Impfstoffe streichen. Die NIH sind eine Behörde des US-Gesundheitsministeriums, die zuständig für biomedizinische Forschung ist. An der Spitze des Ministeriums steht der als Impfgegner bekannte US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.
Wie effektiv sind mRNA-Impfstoffe?
In einer Erklärung des Gesundheitsministerium heißt es, man werde verschiedene Verträge beenden, bereits eingereichte Bewerbungen für Forschungsgelder ablehnen und einige bestehende Kooperationen restrukturieren.
"Wir haben die Wissenschaft überprüft, Experten zugehört und gehandelt", sagte Gesundheitsminister Kennedy. Man werde Investitionen in 22 Projekte stoppen, die sich mRNA-Impfungen beschäftigen, "weil die Daten zeigen, dass diese Impfstoffe nicht effektiv gegen Atemwegserkrankungen wie COVID und Grippe schützen", so Kennedy.
US-Gesundheitsminister Kennedy ist bekannter Impfgegner und vertritt beispielsweise auch die widerlegte These, Impfungen könnten Autismus auslösen.Bild: Laura Brett/picture alliance
Experten zweifeln diese Aussage stark an. Sie weisen darauf hin, dass mRNA-Impfstoffe erfolgreich in der Corona-Pandemie eingesetzt wurden. "mRNA-Impfungen haben in der COVID-19 Pandemie Millionen von Menschen das Leben gerettet", sagte Charles Bangham, emeritierter Professor der Immunologie am Imperial College London.
"Es gibt nur wenige oder gar keine anti-viralen Impfstoffe, die einen Virus komplett daran hindern, in unseren Körper zu gelangen", so Bangham weiter. "Die Impfung verringert die Schwere der Infektion und sorgt für einen schwächeren Krankheitsverlauf sowie ein geringeres Todesrisiko."
Ohne mRNA-Forschung "anfälliger für zukünftige Pandemien"
Jaime M. Yassif von der Nuclear Threat Initiative (NTI), einer Non-Profit-Organisation, die sich gegen biologische, atomare und chemische Waffen einsetzt, nannte die angekündigte Kürzung der Gelder "einen schweren Fehler".
"Das Blockieren von Forschung, die wir brauchen, um schnell neue Impfstoffe herzustellen, macht Amerikaner … anfälliger für zukünftige Pandemien", sagte Yassif, Vizepräsidentin für Biological Policy and Programs bei NTI, in einer Stellungnahme. Das gelte sowohl für natürlich entstehende Krankheiten als auch für solche, die in einem Labor entwickelt und als Waffe eingesetzt werden könnten.
Die Behauptung von Gesundheitsminister Kennedy, die mRNA-Impfstoffe böten keinen zuverlässigen Schutz, "ist offenkundig falsch", sagte Yassif. "Wenn es den schnellen Einsatz von mRNA-Impfungen während der Coronavirus-Pandemie nicht gegeben hätte, wären mehr Menschen gestorben und der wirtschaftliche Schaden wäre viel größer gewesen."
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Pharmakonzern Pfizer von Kürzungen betroffen
Das deutsche Unternehmen BioNTech, das gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Pfizer einen der mRNA-Corona-Impfstoffe entwickelte, ist von den Kürzungen nicht betroffen. "Wir haben keine Gelder von der US-Regierung erhalten und haben auch nichts ausstehend", sagte eine BioNTech-Sprecherin der DW.
Hingegen wird Kooperationspartner Pfizer im Statement des Gesundheitsministeriums unter dem Punkt "abgelehnte Anträge" auf Zusammenarbeit genannt. Die Pfizer-Aktie verlor nach Bekanntgabe von Kennedys Entscheidung zeitweise um drei Prozent an Wert. Auf eine Anfrage der DW reagierte Pfizer nicht.
Die RNA-Technologie
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Die renommierte Emory University im US-Bundesstaat Georgia gehört ebenfalls zu denjenigen, deren Verträge mit der US-Regierung beendet werden. Ein Sprecher des Woodruff Health Sciences Center der Universität erklärte der DW, betroffen sei ein Forschungsprojekt, bei dem es um ein Medikament zur Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Grippe oder COVID-19 geht. Erst im September 2024 war die Zusammenarbeit verkündet worden. Emory-Forschende sollten testen, ob man das antivirale Medikament als trockenes Pulver herstellen könnte, für das keine durchgehende Kühlkette erforderlich wäre. Die Gelder dafür sind nun gestrichen.
Kürzung in der Forschung hat nicht nur Folgen für US-Bevölkerung
Die mRNA-Technologie kommt nicht nur bei Impfstoffen gegen Atemwegserkrankungen zum Einsatz. Von Akne über Borreliose und Dengue bis AIDS suchen Forschende nach mRNA-Impfstoffen gegen unterschiedlichste Krankheiten. Geforscht wird auf der ganzen Welt, China und Südkorea gehören zu den Ländern, in denen an zahlreichen Projekten gearbeitet wird.
Auch in der Krebsforschung spielt mRNA-Technologie eine wichtige Rolle. Im Kampf gegen Darmkrebs arbeiten US-Forschende beispielsweise an einem Mittel, dass verhindern soll, dass der Krebs zurückkehrt, nachdem der ursprüngliche Tumor operativ entfernt wurde. Solchen Forschungen, sagt das US-Gesundheitsministerium, sollten die Mittel erhalten bleiben. Experten fordern jedoch, auch die mRNA-Impfstoffforschung weiter zu unterstützen.
Die Einschnitte bei der Forschung würden die Fähigkeit der USA einschränken, im Falle einer neuen Pandemie schnell Impfstoffe zu entwickeln. Es sei denn, "es können alternative Geldquellen gesichert werden", sagt Penelope Ward, Gastprofessorin für pharmazeutische Medizin am Kings College London. Darüber hinaus seien die Kürzungen nicht nur ein Problem für die USA: "Es ist für uns alle von Nachteil."
Fünf Jahre Corona: Als die Welt stillstand
Sieben Millionen Menschen sind laut Weltgesundheitsorganisation "an oder mit Corona" gestorben. Fünf Jahre nach Ausbruch der Pandemie beschäftigen die Folgen Politik und Gesellschaft noch immer. Ein Rückblick in Bildern.
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Die Welt im Ausnahmezustand
Im Dezember 2019 wird im chinesischen Wuhan eine neue Lungenkrankheit diagnostiziert, es kommt zu Todesfällen. Innerhalb von Wochen entwickelt sich das neuartige Coronavirus zu einer globalen Herausforderung: Am 11. März 2020 erklärt die Weltgesundheitsorganisation WHO Covid-19 zur Pandemie. Erst später wird ein Test zur Covid-Diagnose entwickelt, den hier eine medizinische Fachkraft durchführt.
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Helfer am Limit
Covid-19 wird die Welt jahrelang in Atem halten: Schnell ist klar, dass die Krankheit gerade bei älteren oder vorerkrankten Menschen häufig tödlich verläuft. So wie diese belgische Krankenschwester arbeiten Pflegekräfte ebenso wie Ärztinnen und Ärzte weltweit bis zur Erschöpfung. Dass sich das Virus im Verlauf der Pandemie immer wieder verändert, ist eine zusätzliche medizinische Herausforderung.
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Trauriger Track
In Europa trifft es Italien besonders hart: Militärlastwagen transportieren im März 2020 in Bergamo Corona-Tote in Krematorien in der Umgebung. Die in der Stadt sind überlastet. An nur einem Tag verzeichnet die Lombardei 300 Tote.
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Lästig, aber nützlich
Sie sind aus dem Alltag bald nicht mehr wegzudenken: Mund-Nasen-Schutzmasken sollen die Ausbreitung des Virus eindämmen. Anfangs noch oft selbst genäht aus Stoff, werden bald FFP2-Masken Standard. Jahrelang ist fast überall auf der Welt das Tragen einer Maske an öffentlichen Orten wie Supermärkten Vorschrift. Forschende bestätigen, dass korrekt getragene Masken das Infektionsgeschehen eindämmen.
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Kurz vorm Kollaps
Die große Anzahl der Patienten bringt viele Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenzen. In diesem chinesischen Krankenhaus wurden deshalb kurzerhand Betten in der Lobby aufgestellt. In Indien steht das Gesundheitssystem zeitweise kurz vor dem Kollaps. Verzweifelte Menschen warten vor den überfüllten Krankenhäusern, zeitweise wurden dort 2000 Corona-Tote pro Tag gezählt.
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Lockdown-Leere
So leer wie während der Pandemie waren die Straßen New Yorks wohl nie zuvor und nie danach: Fast alle Länder verhängen Kontaktbeschränkungen und Lockdowns, um die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen. Kitas und Schulen bleiben größtenteils geschlossen, ebenso wie Cafés, Restaurants, Kneipen, Schwimmbäder und Friseure. Wo es möglich ist, arbeiten die Menschen im Homeoffice.
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Essen mit Einschränkungen
Für die Wirtschaft ist die Pandemie ein Schock, der zu einer weltweiten Krise führt: Zahlreiche Gewerbe stehen still, Handel und Konsum brechen ein, das gesellschaftliche Leben wird überall massiv heruntergefahren. Auch nach Lockerung der Lockdowns bleiben Schutzmaßnahmen bestehen - etwa Plastikscheiben in Geschäften und Restaurants, so wie hier in der thailändischen Hauptstadt Bangkok.
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Distanz auf der Decke
Soziale Distanz: In einem Park in San Francisco zeigen Kreise auf den Rasen an, wie weit voneinander entfernt man sich niederlassen darf - durch den Abstand soll das Ansteckungsrisiko minimiert werden. Während der Sommermonate nehmen die Infektionen zwar ab, die Hygienemaßnahmen bleiben jedoch oftmals streng: In einigen Ländern dürfen die Menschen nicht einmal ihre Wohnung verlassen.
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Schlange stehen für die Spritze
Endlich Hoffnung: Inderinnen stehen Schlange, um sich mit dem Impfstoff Covishield impfen zu lassen. In der EU werden bereits Ende 2020 die ersten Covid-19-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und kurz darauf auch von Moderna und Astrazeneca im Eilverfahren zugelassen, mit denen zunächst alte und kranke Menschen sowie Pflegepersonal immunisiert werden. Viele ärmere Länder warten länger auf Impfstoffe.
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Problematischer Protest
Nach dem ersten Schock sind die Corona-Maßnahmen der Regierungen in der Bevölkerung vielerorts umstritten: So wie hier in Paris kommt es zu teils gewaltsamen Protesten. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, initiieren oder unterwandern Rechtsextremisten die Demonstrationen. Zudem sind Verschwörungstheorien fester Bestandteil der Proteste - etwa die Behauptung, Corona sei eine "Biowaffe".
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Schwieriger Schulstart
Grundschulkinder in Deutschland kehren nach den Sommerferien 2020 in ihre Schule zurück - zuvor hatten sie aufgrund der Schulschließungen monatelang zu Hause lernen müssen. Homeschooling ist sowohl für Eltern als auch Kinder eine Belastungsprobe - und Studien zufolge leiden auch fünf Jahre nach Beginn der Pandemie noch viele Kinder und Jugendliche unter Einsamkeit und psychischen Erkrankungen.
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Performance ohne Publikum
Radfahrer zeigen bei den Olympischen Spielen in Tokio ihr Können - doch kaum jemand kann sie dabei anfeuern. Nach Ausbruch der Pandemie wird das ursprünglich für 2020 geplante Sportevent um ein Jahr verschoben - doch auch 2021 hat Corona die Welt noch im Griff. Olympia findet vor leeren Rängen statt.
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Einsames Examen
Studierende der TU Dortmund schreiben im Juni 2020 unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften eine Prüfung in der Westfalenhalle - zum ersten Mal in der Geschichte der Universität. Junge Menschen treffen die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie besonders hart: Einer Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2023 zufolge litten 44 Prozent der deutschen Studierenden unter Einsamkeit.
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Bittere Bilanz
Am 5. Mai 2023 hebt die WHO die internationale Gesundheitsnotlage auf, erklärt jedoch gleichzeitig, dass das Virus weiterhin gefährlich bleibe. Bis dahin sind laut der Behörde nachweislich annähernd sieben Millionen Menschen "an oder mit Corona" gestorben, wobei die tatsächliche Zahl auf mindestens 20 Millionen geschätzt wird. In London erinnern rote Herzen an die Toten der Pandemie.