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Politik

Mitsotakis rückt nach rechts

2. September 2021

Probleme im Umgang mit Corona und die verheerenden Brände haben den Premierminister zu einer Umbildung seiner Regierung bewegt. Jetzt haben drei seiner Minister einen rechtsextremen Hintergrund.

Griechenland | Kyriakos Mitsotakis - Regierungsbildung
Eigentlich ein Politiker der Mitte: Griechenlands Premier Mitsotakis bei der Kabinettsumbildung am 31.08.2021Bild: Yorgos Karahalis/AP Photo/picture alliance

Kabinettsumbildungen sind in Griechenland gang und gäbe und meistens schon nach ein paar Tagen vergessen. Normalerweise macht der jeweilige Premierminister nach der Sommerpause ein paar kleine Korrekturen - und verkauft sie als Neuanfang seiner Regierung. Die Kabinettsumbildung, die der derzeitige Premier Kyriakos Mitsotakis jetzt vorgenommen hat, ist dagegen ein echter Eingriff - und sie steht für einen Rechtsruck.

Der Premier von der konservativen Partei Nea Dimokratia hat alle Minister und Vizeminister entlassen, die für Krisen wie die Corona-Pandemie und ihre Nebenwirkungen für den Gesundheits- und Tourismussektor des Landes sowie die verheerenden Brände der letzten Wochen zuständig waren.

Feuerwehrleute im Einsatz gegen die Waldbrände auf der Insel Evia am 10.08.2021Bild: Stelios Misinas/REUTERS

Keine Woche zuvor hatte Mitsotakis noch in einer aktuellen Stunde im Parlament behauptet, seine Regierung habe all diese Krisen sehr erfolgreich bewältigt. Tatsächlich wurden die Maßnahmen, die die Führung in Athen zur Rettung des Tourismus-Sommers im Frühjahr beschlossen hatten, überwiegend nur formal eingehalten. Das anfangs sehr erfolgreiche Corona-Impfprogramm läuft seit Monaten immer langsamer, die Intensivstationen der meisten Krankenhäuser Griechenlands geraten wieder unter Druck, jeden Tag werden mindestens 3000 neue COVID-19-Fälle festgestellt und täglich sterben über 20 Menschen an oder mit der Krankheit.

Hinzu kommen die über 120.000 Hektar Wald, die im Sommer 2021 verbrannt sind - fast viermal soviel wie seit dem Jahr 2000 jährlich üblich. Und die Angst der Menschen vor Überschwemmungen im Herbst ist gewaltig. Deshalb mussten die Minister Michalis Chrysochoidis (Zivilschutz), Charis Theocharis (Tourismus) und Vassilis Kikilias (Gesundheit) nun ihre Büros räumen. Und letzterer wurde durch Thanos Plevris ersetzt, einen ehemaligen Rechtextremen. Prompt äußerte der Israelitische Zentralrat Griechenlands (KIS) seine Besorgnis.

Rechtsextreme Vergangenheit

Mit dem Neuen im Gesundheitsministerium hat Mitsotakis' konservative Regierung nun drei Minister mit rechtsextremem Hintergrund, denn nicht nur Plevris sondern auch Makis Voridis (Inneres) und Adonis Georgiadis (Entwicklung) haben ihre politischen Karrieren bei der nationalistischen Partei LAOS begonnen. Voridis und Georgiadis haben sich für ihren damaligen Antisemitismus bereits entschuldigt, als sie vor zwei Jahren ihre Ministerposten bekamen. Plevris tat es ihnen nun gleich.

Die neuen Minister, Mitsotakis (2.v.r.) und Griechenlands Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou am 31.08.2021Bild: Yorgos Karahalis/AP Photo/picture alliance

Eine halbe Stunde, nachdem der Zentralrat frühere Äußerungen von Plevris zu Auschwitz verurteilt und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben hatte, dass der neue Minister "alle Bürger des Landes gleich behandeln werde, ungeachtet ihrer Hautfarbe, Rasse oder Religion", kam dessen Entschuldigung. "Mein Respekt vor den Opfern des Holocaust ist absolut und ich bin gegen jede Form von Antisemitismus", schrieb er in den sozialen Medien und fügte hinzu: "Ich wollte das jüdische Volk nie beleidigen und entschuldige mich dafür."

Hetze gegen Flüchtlinge

Plevris' antisemitische Äußerungen stammen aus einem Plädoyer, dass er im Jahre 2009 als Verteidiger seines Vaters gehalten hatte. Plevris Senior gilt als der wichtigste Theoretiker des Nationalsozialismus und Antisemitismus in Griechenland, sein Sohn hat ihn in verschiedenen Prozessen als Anwalt vertreten - "obwohl ich völlig anderer Meinung bin", wie der frisch gebackene Minister gestern betonte.

Das Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel LesbosBild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

Für seine hetzerischen Aussagen gegen Flüchtlinge dagegen entschuldigte sich Plevris nicht. Legendär ist seine These, dass "Grenzschutz nicht existieren kann, wenn es keine Verluste gibt", weshalb man an der griechischen Grenze auf Migranten schießen dürfe. Berüchtigt sind auch Plevris' Vorschläge zum Umgang mit Flüchtlingen, die bereits im Land sind: "Sie sollten keine Sozialleistungen bekommen. Sie sollten nicht essen, nicht trinken, nicht ins Krankenhaus gehen können."

Angst vor Verlust rechter Stimmen

Wieso hat Mitsotakis, eigentlich ein Mann der Mitte, so einen Politiker zum Gesundheitsminister ernannt? Die Antwort ist simpel: Der Premier hat im Moment mehr Angst davor, Stimmen an die politische Rechte zu verlieren, als die politische Mitte zu erschrecken. Zwei Tage vor der Kabinettsumbildung hatte es in Athen und Thessaloniki große Kundgebungen von Impfgegnern gegeben.

Kundgebung von Impfgegnern in Athen am 29.08.2021Bild: Eurokinissi/ZUMA/picture alliance

Viele der Demonstrierenden hatten drei Jahre zuvor zusammen mit Plevris gegen eine Verständigung mit dem Nachbarland Mazedonien demonstriert, dem heutigen Nordmazedonien. Ob der Premier diese Wähler durch die Ernennung des reumütigen Ex-Antisemiten an sich binden kann, darf bezweifelt werden.

Fehlstart für Katastrophenschutzministerium

Mehr noch, für noch mehr Politikverdrossenheit in Griechenland dürfte eine Panne bei der Kabinettsumbildung sorgen: Mitsotakis rief auch ein neues Ministerium für Katastrophenschutz ins Leben. Als Minister wurde Evangelos Apostolakis, ein ehemaliger Admiral der griechischen Marine und früherer Verteidigungsminister in der Regierung der Linkspartei SYRIZA (2015-2019), berufen. Doch eine Stunde danach erklärte Apostolakis überraschend, dass er den Posten unter den gegebenen Umständen nicht annehmen könne.

Zugestimmt habe er lediglich unter der Voraussetzung, dass man eine überparteiliche Einigung treffe, so Apostolakis. Aber Premierminister Mitsotakis hatte sich nicht mit SYRIZA-Chef und Ex-Premier Alexis Tsipras abgesprochen. Für viele Bürgerinnen und Bürger wirkte das Hin und Her um Apostolakis wie eine unwürdige Farce auf die überall im Lande sichtbaren verbrannten Wälder. Nun sucht Mitsotakis einen neuen Katastrophenschutzminister. Findet er den nicht, will er laut Gerüchten das neue Ministerium abschaffen, bevor es die Arbeit aufgenommen hat.