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Kabul: Frauen protestieren gegen Einschränkung ihrer Rechte

Silja Thoms
6. Juli 2023

In Afghanistan haben Frauen gegen den Taliban-Beschluss, Schönheitssalons schließen zu lassen, protestiert. Die Taliban wollen Frauenrechte immer weiter einschränken und Frauen aus dem öffentlichen Leben drängen.

Eine Frau mit Kopftuch und Mund-Nasen-Schutz läuft in Afghanistan an einem Schönheitssalon vorbei
Taliban wollen Schönheitssalons für Frauen in Afghanistan noch in diesem Monat schließenBild: Yaghobzadeh Alfred/abaca/picture alliance

Dutzende Frauen haben in der afghanischen Hauptstadt Kabul gegen einen Beschluss der Taliban protestiert. Nach diesem müssen tausende Schönheitssalons in Afghanistan noch innerhalb dieses Monats schließen. Für viele Frauen gehörten die Salons zu den letzten Möglichkeiten, legal Geld zu verdienen. Sie waren nicht nur die einzige Einnahmequelle vieler Familien, sondern boten auch Schutzräume für Frauen: Orte, um sich zu treffen, sich auszutauschen, um sich wohlzufühlen. 

Laut Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) seien bei den Protesten mehrere Frauen von Sicherheitskräften abgeführt worden. Die UN kritisierten dieses Vorgehen auf Twitter. Die gewaltsame Unterdrückung von friedlichen Protesten sei "zutiefst beunruhigend". Afghaninnen und Afghanen hätten das Recht, ihre Meinung frei von Gewalt zu äußern. 

Doch in kaum einem anderen Land sind die Rechte von Frauen so stark eingeschränkt wie in Afghanistan. Frauen berichten von gefängnisähnlichen Zuständen, die ihnen weitgehend verbieten, am öffentlichen Leben teilzunehmen. "In den vergangenen 22 Monaten wurde jeder Bereich im Leben von Frauen und Mädchen eingeschränkt. Sie werden in jeder Hinsicht diskriminiert", sagte die stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin Nada Al-Nashif.

Laut einem Bericht des UN-Menschenrechtsrats sei die "schwerwiegende, systematische und institutionalisierte Diskriminierung von Frauen und Mädchen" das Kernstück der Ideologie und Herrschaft der Taliban. In den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens haben die radikal-islamischen Taliban in den vergangenen Monaten die Rechte von Frauen und Mädchen beschnitten.

Frauen dürfen nicht mehr studieren

Mädchen ist seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 der Besuch weiterführender Schulen untersagt. An Universitäten wurden Frauen und Männer zunächst strikt getrennt. Eine Zeit lang durften Studentinnen hier nur von anderen Frauen oder älteren Männern unterrichtet werden. Ende 2022 hat ein Dekret des afghanischen Bildungsministeriums auch diesen Rechten ein Ende bereitet und Frauen endgültig von Universitäten ausgeschlossen.

Wie viele Frauen nun nicht mehr studieren können, ist unklar. Doch laut UNESCO könnten etwa 90.000 Frauen von dem Verbot betroffen sein. So viele waren im Jahr 2018 an Universitäten eingeschrieben. 

Afghanischen Frauen wird der Zugang zu Universitäten verboten, wie hier Ende 2022 in KabulBild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Die Taliban begründeten das Verbot damit, dass viele Studentinnen keine angemessene islamische Kleidung wie einen Hijab getragen hätten und es zu "Interaktionen zwischen den Geschlechtern" gekommen sei.

"Das ist ein weiterer sehr beunruhigender Schritt", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric im Dezember vergangenen Jahres. Es sei schwer vorstellbar, wie das Land sich entwickeln könne, wie es mit all seinen Herausforderungen umgehen könne, ohne die aktive Beteiligung von Frauen und ihre Bildung. Laut diversen Medienberichten versuchen viele Frauen nun, sich über Online-Seminare zu bilden. Doch auch das ist durch die oft schlechte Internetverbindung und den Mangel an Arbeitsplätzen und beruflichen Perspektiven kaum eine Alternative.

Keine berufliche Perspektive 

Frauen ist nicht nur der Zugang zu Bildung versperrt, sondern auch zum Arbeitsmarkt. Nach Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist die Zahl von Frauen in Beschäftigung Ende vergangenen Jahres um 25 Prozent niedriger als noch im zweiten Quartal 2021. Tausende Frauen, die für die Regierung arbeiteten, wurden entlassen oder werden sogar dafür bezahlt, zu Hause zu bleiben. 

Die Taliban haben Frauen unter anderem verboten, mit den Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammenzuarbeiten. Mehrere NGOs, darunter "Save the children", der norwegische Flüchtlingsrat und "CARE", mussten ihre Tätigkeit im Land bereits einstellen, da sie ohne Mitarbeiterinnen keine Projekte umsetzen konnten.

Dass Frauen nicht für NGOs arbeiten dürfen, trage zusätzlich zur humanitären Krise bei, machte Yamini Mishra, Regionaldirektorin von Amnesty International für Südasien, Anfang des Jahres klar: "Es hat den Anschein, als würden die Taliban das Land absichtlich in eine Hungersnot treiben. Ihre diskriminierende, frauenfeindliche Politik führt zu einem schockierenden Ausmaß an Ernährungsunsicherheit und macht die Bereitstellung internationaler Hilfe fast unmöglich." Denn notleidende Frauen können nur von Helferinnen unterstützt werden, weil Frauen verboten ist, mit fremden Männern in Kontakt zu treten.

Weltweit eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten

Für Frauen, Mütter und Babys ist Afghanistan einer der gefährlichsten Orte der Welt. Rund 70 von 1000 Frauen sterben jährlich während Schwangerschaft oder Geburt. Viele Mütter haben nicht genügend zu essen, was Schwangerschaftsrisiken erhöht. Nach der Geburt können sie kaum ihre Kinder ernähren. 

Kaum irgendwo sind die Risiken von Schwangerschaft und Geburt so groß wie in AfghanistanBild: Ali Khara/REUTERS

Die Entscheidung der Taliban, Frauen von Hochschulbildung und ihrer Arbeit bei Hilfsorganisationen auszuschließen, verschlechtert laut "Ärzte ohne Grenzen" den Zugang zu medizinischer Versorgung drastisch. Dies hat vor allem mit den Bewegungseinschränkungen zu tun, die die Taliban Frauen auferlegt haben. In ländlichen Regionen müssen sie ohnehin oft weite Strecken bis zum nächstgelegenen Krankenhaus zurücklegen. Erlaubt ist dies aber nur mit einem sogenannten "Mahram", einem männlichen Verwandten wie einem Vater, Ehemann oder Bruder. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen in Afghanistan die weiten Fahrten nicht leisten können - schon gar nicht für zwei Personen.

Zudem dürfen Frauen nach den Regeln der Taliban nur von Ärztinnen behandelt werden. Die dürfen zwar noch in Krankenhäusern arbeiten, doch es gibt zu wenige von ihnen - besonders auf dem Land. Und für sie gelten die gleichen Bewegungsbeschränkungen wie für ihre Patientinnen. Wenn sie keinen "Mahram" haben, der sie zur Arbeit begleitet, sind sie gezwungen, zu Hause zu bleiben. Und so herrscht praktisch überall in Afghanistan ein Mangel an Hebammen und Ärztinnen.

Die Taliban haben Frauen fast alles verboten, inzwischen auch Sport zu treiben, auch nicht mit BurkaBild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Kleidervorschriften und Sportmannschaften im Exil 

Ähnlich strikt sind mittlerweile die Kleidervorschriften. Noch im Sommer 2022 widersetzte sich die afghanische Nachrichtensprecherinnen Sonia Niazi gegen die Verschleierungspflicht. Doch dann wurde auch sie gezwungen, im Fernsehen ihr Gesicht zu verdecken. Die Pflicht eine Burka, also eine Vollverschleierung, zu tragen, gilt überall in der afghanischen Öffentlichkeit. Verstoßen Frauen gegen die Kleidervorschriften, droht ihren männlichen Verwandten Haft. 

Auch weibliche Sportmannschaften - sei es im Fußball oder im Fahrradfahren - können nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen. So spielt die Frauen-Nationalmannschaft Afghanistans nicht mehr im Land selbst, sondern lebt im Exil in Australien. Frauen in Afghanistan dürfen laut den Taliban-Verboten weder Parks noch Fitnessstudios besuchen. Außerdem dürfen sie keine öffentlichen Bäder, Turnhallen oder Sportvereine betreten. Sport ist für sie so kaum noch möglich. Der aktuelle Beschluss, Schönheitssalons zu schließen, reiht sich somit ein in das Gefängnis an Verboten, das die Taliban-Regierung für Frauen errichtet hat. 

Der Artikel wurde am 06.07.2023 erstmals veröffentlicht und am 21.07.2023 aktualisiert.
 

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