Kabul will Hilfsgelder selbst verwalten
5. April 2005Die Vertreter der Staaten und Organisationen bei der internationalen Geberkonferenz in Kabul (3. bis 5. April) haben sich bereits zu umfangreicher Hilfe verpflichtet. Neue Hilfszusagen erwartet niemand. Nur die USA ließen über ihren Botschafter Zalmay Khalilzad wissen, dass sie ihre Zuwendungen möglicherweise um 5 Milliarden Dollar aufstocken könnten - halb so viel, wie sie 2005 allein für militärische Operationen in Afghanistan ausgeben.
Selbstverwaltung gefordert
Von den anderen Gebern sind 8,3 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2007 zugesagt - und das deckt allein in diesem Jahr 93 Prozent des Staatshaushaltes. So mag auf den ersten Blick verwundern, dass Staatspräsident Hamid Karzai und andere Regierungsvertreter den Gebern kritisch entgegentreten: Es sei an der Zeit, dass die afghanische Regierung mehr Kontrolle über die Hilfsgelder bekomme und über deren Verteilung und Einsatz entscheide. Eine berechtigte Forderung, denn bisher gehen etwa zwei Drittel dieser Gelder an der Regierung vorbei. Ihr Einsatz wird von den staatlichen wie nichtstaatlichen ausländischen Hilfsorganisationen in eigener Regie dirigiert - und das nicht immer zum Vorteil Afghanistans.
So haben die Helfer nach Meinung der afghanischen Regierung bisher den Aufbau der Infrastruktur sträflich vernachlässigt, ebenso den privaten Sektor. Ein Teil der Gelder werde zudem durch die Hilfsorganisationen selbst verbraucht: Fürstliche Gehälter, teure Mieten, aufwändige technische Ausrüstung und unkoordiniertes Nebeneinanderher oder auch Miteinander-Konkurrieren der Helfer gingen zu Lasten eines geordneten Wiederaufbaus, dessen Ziele auf gesellschaftlich-wirtschaftlichem Gebiet im Vergleich zu den Geberstaaten mehr als bescheiden wirken.
Hilfsorganisationen leben auf großem Fuß
Binnen fünf Jahren will die Regierung das gegenwärtige Jahres-Pro-Kopf-Einkommen von 200 Dollar verdoppeln. Im Vergleich hierzu: Hilfsorganisationen zahlen in Kabul Monatsmieten in Höhe von mindestens 8000 Dollar. Andere Summen werden für Beraterfirmen ausgegeben, die weltweit von einer Krisenregion zur nächsten ziehen und sich mehr durch hohe Kosten auszeichnen als durch wahre Expertise. So sollen "Experten" der amerikanischen Organisation USAID Tagessätze in Höhe von 1000 Dollar kassieren - inklusive Spesen. Und Beratergruppen für bestimmte Projekte erhalten offenbar ebenfalls gigantische Summen.
Konkrete Bedürfnisse werden vernachlässigt
Die Leistung dieser Helfer lasse dabei zu wünschen übrig, meint man in Kabuler Regierungskreisen: Die "humanitären Goldgräber" konzentrierten sich auf Vorzeigeprojekte wie Schul- und Krankenhaus- oder Straßenbau, arbeiteten dabei oft unkoordiniert aneinander vorbei und vernachlässigten, was in Afghanistan viel wichtiger wäre: die Ausbildung einheimischer Fachkräfte, die in die Lage versetzt werden sollen, die anstehenden Aufgaben künftig selbst zu lösen. Es mangle oft selbst an Absprachen mit der örtlichen Bevölkerung und ihren Vertretern: Hilfsorganisationen erstellten Schulen und Kliniken in eigener Regie und ließen dabei nicht selten die konkreten Bedürfnisse vor Ort außer Betracht. Ganz abgesehen davon, dass oft mehr Wert auf das Äußere gelegt werde als auf die Struktur: Fertiggestellte Bauten hätten sich oft als unzulänglich und minderwertig erwiesen - wenn nicht sogar als unbrauchbar.
Korruption eindämmen und einheimische Arbeit fördern
Es gibt Hinweise darauf, dass nicht nur zu teuer - weil zu eigenmächtig - vorgegangen wird, sondern dass Korruption und Vetternwirtschaft gefördert werden. Die Regierung hat sich vorgenommen, auch dies einzudämmen. Wobei noch nicht abzusehen ist, inwieweit vielleicht auch eigene Minister von diesem Chaos profitieren. Auf jeden Fall plant die Regierung in Kabul, Aufträge künftig nicht mehr von den Hilfsorganisationen vergeben zu lassen, sondern dies in eigener Regie zu tun. Bewerben können sich dann vor allem einheimische Firmen, die wiederum Steuern zahlen und damit den Staatshaushalt unterstützen sollen.