1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kabuls Milliarden und die Taliban

Karin Strohecker u.a., Reuters
18. August 2021

Nach Informationen eines US-Insiders haben die Taliban keinen Zugriff auf das Vermögen der Afghanischen Zentralbank in den USA. Dort hat die geflohene afghanische Regierung nicht nur ihre Goldreserven deponiert.

Afghanistan I Lage in Kabul spitzt sich zu I 15.08.2021
Bild: Zabi Karim/AP/picture alliance

Die radikal-islamischen Taliban haben die Macht in Afghanistan mit erstaunlicher Geschwindigkeit übernommen. Mit dem gleichen Tempo werden die neuen Herscher am Hindukusch aber voraussichtlich nicht die Kontrolle über mehrere Milliarden Dollar an Vermögenswerten der heimischen Notenbank erlangen können. Wie der aus Kabul geflohene Zenralbank-Gouverneur Adschmal Ahmadi am Mittwoch via Twitter mitteilte, kontrollierte die Zentralbank, Da Afghanistan Bank (DAB), zuletzt rund neun Milliarden Dollar an Reserven. Der überwiegende Teil werde in Form von Gold oder US-Staatsanleihen bei der US-Notenbank Federal Reserve in New York, bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und über die Weltbank und weitere Konten gehalten.

Ex-Zentralbank-Gouverneur: Devisenreserven sicher

"In keiner Weise wurden Afghanistans internationale Reserven jemals kompromittiert", twitterte Ahmadi. Von keinem Reserve-Konto sei Geld gestohlen worden. Er könne sich auch kein Szenario vorstellen, in dem das US-Finanzministerium oder deren Kontrollbehörde OFAC den Taliban Zugang zu solchen Geldern gewähren würde (siehe Tweet unten). Die Taliban stünden immer noch auf internationalen Sanktionslisten. Es sei daher zu erwarten, dass Vermögenswerte eingefroren würden und die Taliban auf sie keinen Zugriff erlangten. "Wir können sagen, dass die für die Taliban zugänglichen Mittel vielleicht 0,1 bis 0,2 Prozent der gesamten internationalen Reserven Afghanistans sind. Nicht viel", erklärte Ahmadi.

Ein Mitarbeiter der Regierung von US-Präsident Joe Biden sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Jedwede Zentralbank-Vermögensgegenstände, die die afghanische Regierung in den Vereinigten Staaten hat, werden den Taliban nicht zugänglich gemacht." Die Taliban hatten in einer Mitteilung am Samstag erklärt, dass die Staatskasse, öffentliche Einrichtungen und Regierungsbüros Eigentum der Nation seien und streng bewacht werden sollten. Nach der letzten online einsehbaren Bilanz der DAB vom Juni besaß die Notenbank ein Gesamtvermögen von umgerechnet rund zehn Milliarden Dollar.

Darunter waren Goldreserven im Wert 1,3 Milliarden Dollar und Barreserven in Fremdwährung über 362 Millionen Dollar nach dem damaligen Umrechnungskurs. Laut Jahresbilanz 2020 wurden die Goldbarren bei der Federal Reserve in New York aufbewahrt.

Wände aus Goldbarren in einem unterirdischen Tresorraum der Federal Reserve Bank in New York Bild: picture-alliance/dpa

Was passiert mit dem Baktrischen Goldschatz?

Zentralbanken in Entwicklungsländern parken Vermögenswerte oftmals im Ausland bei Institutionen wie der US-Notenbank oder der Bank von England. Im Juni-Bericht der afghanischen Währungshüter wurden zudem Investments im Wert von 6,1 Milliarden Dollar ausgewiesen. Details dazu fanden sich zwar nicht. Aber aus einer früheren Aufstellung im Jahresbericht der Bank kann abgelesen werden, dass die Mehrheit davon US-Staatsanleihen und US-Schatzanweisungen sind. Zu den kleineren Investments gehörten Anteile an einem Investmentpool.

Die Fremdwährungsreserven der DAB von 362 Millionen Dollar (308 Millionen Euro) bestehen fast ausschließlich aus der US-Währung. Sie lagerten zuletzt im Hauptsitz und in den Zweigstellen der Notenbank sowie im Präsidentenpalast in Kabul, der sich inzwischen in den Händen der Taliban befindet (Artikelbild). Auch knapp 160 Millionen Dollar (136 Millionen Euro) an Goldbarren und Silbermünzen wurden laut dem Jahresbericht im Präsidenten-Palast aufbewahrt. 

Antikes Gold aus Baktrien im Norden Afghanistans Bild: Ann Ronan Picture Librar/Photo12/picture alliance

In den Schatzkammern der afghanischen Notenbank lagerten nach Angaben der UNESCO außerdem 2000 Jahre alte Goldjuwelen, Ornamente und Münzen des sogenannten Baktrischen Schatzes. Die rund 21.000 archäologischen Artefakte galten bis zum Jahr 2003 als verschollen. Dann aber wurden sie in einem geheimen Tresor im Keller der Zentralbank entdeckt. Die archäologischen Fundstücke waren unter der früheren Herrschaft der Taliban unentdeckt geblieben.

Afghanistans IWF-Sonderziehungsrechte

Eine wichtige Frage wird auch sein, was mit dem Anteil Afghanistans an den zusätzlichen Mitteln von 650 Milliarden Dollar (553 Milliarden Euro) beim Internationalen Währungsfonds (IWF) geschehen soll. Die Erhöhung der sogenannten Sonderziehungsrechte (SDRs) soll am 23. August wirksam werden. Damit sollen insbesondere die von der Corona-Pandemie gebeutelten ärmeren Entwicklungsländer gestützt werden. Als IWF-Mitglied stehen Afghanistan gemäß seinem 0,07-prozentigen Anteil an dem Fonds Mittel im Umfang von rund 455 Millionen Dollar (387 Millionen Euro) zu.

In vielen Hauptstädten rund um den Globus wäre es wahrscheinlich nur schwer vermittelbar, sollten die Taliban Zugriff auf diese Mittel erhalten. Nicht immer können Länder über solche Gelder verfügen. So wurde beispielsweise 2019 Venezuela der Zugriff verweigert, nachdem 50 Mitgliedsländer es abgelehnt hatten, nach den umstrittenen Wahlen 2018 die Regierung von Nicolás Maduro als legitim anzuerkennen. Der IWF äußerte sich auf eine Anfrage zu Afghanistan zunächst nicht. Einer mit der Situation vertrauten Person zufolge folgt der Fonds in solchen Fällen der Haltung seiner Mitglieder.

Transport von Goldreserven im November 2011 in Venezuelas Hauptstadt CaracasBild: Getty Images/AFP/L. Ramirez

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen