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Politik

Kagame auf Konfrontationskurs

Silja Fröhlich
3. Januar 2019

In seiner Neujahrsansprache wirft Ruandas Präsident Paul Kagame Nachbarländern vor, die Rebellion gegen sein Land zu unterstützen. Experten verstehen dies als Spitze gegen Burundi. Sie drängen auf eine regionale Lösung.

Ruanda vor den Wahlen 2017
Bild: picture-alliance/dpa/G. Ehrenzeller

Eigentlich sei es ein gutes Jahr für Ruanda gewesen, so lautet die Botschaft von Präsident Paul Kagame an seine Landsleute. Ruandas Beziehung zu seinen "afrikanischen Brüdern" sei heute stärker, Afrika sei stärker vereint und Ruanda habe zu diesem Prozess beigetragen. Doch für die direkten Nachbarn des zentralafrikanischen Landes hagelte es in der Neujahrsansprache am Montag unverblümt Kritik.

"Einige Nachbarn haben versucht, die Bedrohung durch negative Kräfte wie die FDLR und den RNC neu anzufachen", tönte Kagame. Er bezog sich damit auf eine vor allem aus dem Kongo agierende Rebellengruppe und eine Exil-Oppositionspartei. "Dieses Vorgehen gefährdet die ansonsten guten Fortschritte beim Zusammenwachsen Ostafrikas und der regionalen Sicherheit." Eines der Nachbarländer habe ihn damit überrascht, von einem anderen habe er dies erwartet, dozierte Kagame.

Zwar nannte er kein Land beim Namen, doch dass er Burundi meinte, ist ofensichtlich. Die Beziehung zwischen den beiden zentralafrikanischen Ländern ist äußerst fragil. "Die Beweise, die wir haben und die auch sie haben müssen, zeigen trotz öffentlicher Leugnung klare Komplizenschaft", so der Präsident. Kagame forderte seine Landsleute auf, wachsam zu bleiben und sich "nicht ablenken zu lassen".

Spannung auf dem Höhepunkt

Indem er die oppositionellen Gruppen direkt mit den Nachbarländern in Verbindung brachte, habe Präsident Kagame ein sehr deutliches Statement abgegeben, sagt Pritish Behuria, Hallsworth Forschungsstipendiat am Global Development Institute der University of Manchester im DW-Interview. "Die Situation ist seit 2015 extrem angespannt. Beide Länder werfen einander gegenseitig vor, regierungsfeindliche Gruppen im jeweils anderen Land zu unterstützen", so Behuria. Aber so offen wie jetzt seien die Vorwürfe bisher nie ausgesprochen worden. Die Beziehungen seien auf einem Tiefpunkt. "Ostafrikanische Staats- und Regierungschefs dringen darauf, den Konflikt zwischen Ruanda und Burundi zu lösen, weil er die Sicherheit in der Region gefährdet."

Ruanda steht im - mehr oder weniger offenen - Konflikt mit seinen Nachbarländern Uganda, Burundi und der DR Kongo

Christopher Kayumba, Professor an der Universität von Ruanda, sieht die politische Instabilität zwischen Ruanda und Burundi allerdings als "Teil eines größeren Problems"  innerhalb der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC). "Die EAC hat das Problem der bewaffneten Konflikte noch immer nicht gelöst", so Kayumba im DW-Gespräch. Sowohl Ruanda und Burundi als auch Uganda seien Schauplätze bewaffneter Rebellionen gewesen. "Yoweri Museveni kam in Uganda 1986 durch eine bewaffnete Rebellion an die Macht. Dasselbe galt später für Paul Kagame in Ruanda und Pierre Nkurunziza in Burundi. Wenn es diese Auseinandersetzungen auch nach mehr als drei Jahrzehnten gibt, dann hat es die EAC nicht geschafft, die Kultur des friedlichen Machtwechsels in der Region zu etablieren."

Rebellen, gesteuert aus Burundi?

Mehrfach forderte Ruandas Präsident Kagame Unterstützung im Kampf gegen die aus den Nachbarländern agierenden Oppositionsgruppen ein, darunter die FDLR, die "Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas", in der Demokratischen Republik Kongo. Diese Gruppe versucht nach eigener Darstellung, militärischen Druck auf Ruanda auszuüben, um einen "interruandischen Dialog" mit der Kagame-Regierung sowie Sicherheitsgarantien für eine Rückkehr ihrer Kämpfer nach Ruanda zu erzwingen. Der FDLR werden zahlreiche brutale Überfälle auf ruandische und kongolesische Dörfer zugeschrieben.

Eine UN-Expertengruppe zum Kongo fand laut ihrem jüngsten Bericht vom 18. Dezember Hinweise, dass auch die Oppositionspartei "Ruandischer Nationalkongress" (RNC) den bewaffneten Widerstand gegen Ruanda unterstütze, finanziert und gesteuert aus Burundi. So hätten mehrere ehemalige Kämpfer ruandischer Herkunft von einem Rekrutierungsnetzwerk gesprochen, das die Söldneranwerbung aus mehreren afrikanischen Ländern ermögliche. Den Aussagen zufolge gibt es Vermittler in der Region, in Südafrika und in Westeuropa. Im Zusammenhang mit den Rekrutierungen seien oft die Namen RNC oder P5 (ein Bündnis von RNC und vier weiteren Oppositionsgruppen) als Bezeichnung für die bewaffnete Gruppe gefallen. Das Ziel der P5 sei demnach, Ruanda zu befreien.

FDLR Kämpfer im Ostkongo stellen für Rwanda eine Bedrohung darBild: DW/S. Schlindwein

Der RNC wiederum sieht sich selbst als Komplott-Opfer und verweist auf die Ermordung ihres Mitbegründers Patrick Karegeya vor genau fünf Jahren im südafrikanischen Exil. Der Ex-Geheimdienstmann war bei Kagame in Ungnade gefallen. Ein Auftragsmord konnte bisher nicht nachgewiesen werden, aber die Kommentare der ruandischen Führungen sprechen für sich: "Wer sich entscheidet ein Hund zu sein, stirbt auch wie ein Hund", giftete Verteidigungsminister James Kabarebe. Und Präsident Kagame erklärte unmissverständlich: "Man kann nicht sein Land verraten und ohne Strafe bleiben. Jeder (Verräter), der noch lebt, wird diese Konsequenzen spüren. Jeder. Es ist nur eine Frage der Zeit."

Von burundischer Seite gab es für eine Unterstützung der angeblichen RNC-Aktivitäten bislang „keine Bestätigung“, hieß es im UN-Report. Das Land ist in einer Dauerkrise, seit sich  Präsident Nkurunziza 2015 mit brutaler Gewalt eine dritte Amtszeit für sich durchsetzte. Fast 400 Burunder starben, tausende wurden verhaftet. Die darauf folgende Massenflucht nach Ruanda verschärfte den Konflikt beider Länder. Erst Anfang Dezember 2018 erklärte die ruandische Armee, dass eine Gruppe "nicht identifizierter bewaffneter Männer" drei Personenwagen in Südruanda überfallen und zwei Personen getötet habe. Die Männer seien nach Burundi entkommen. Der unbestätigte UN-Expertenbericht  kommt der ruandischen Regierung gelegen: In  der Vergangenheit hatte Ruanda die Glaubwürdigkeit der Experten offen angezweifelt. In diesem Fall stellte es sich hinter die Gruppe.

Die ostafrikanische Gemeinschaft muss aufwachen

Behuria glaubt nicht, dass Burundi die einzige Front bleibt, an der Ruanda im neuen Jahr zu arbeiten habe. "Auch mit Uganda hat es in den letzten Monaten Spannungen gegeben, da Kagame die ugandische Regierung beschuldigt hat, den RNC zu unterstützen", sagt Behuria. Hinzu komme die unübersichtliche politische Lage in der Demokratischen Republik Kongo. "Kagame ist offensichtlich ein großer Verfechter der regionalen Integration Ostafrikas und des afrikanischen Kontinents insgesamt. Die politischen Spannungen in der Region und in Ruanda und Burundi gefährden nicht nur die Handelsstabilität, sondern natürlich auch die kontinentale Stabilität in erheblichem Ausmaß."

Kayumba bestätigt: "Die EAC hat in diesem Konflikt drei große Probleme zu lösen: Das eine ist die innenpolitische Krise in Burundi. Die zweite sind die Vorwürfe zwischen Ruanda und Burundi, dass man die jeweils andere Rebellengruppe beherbergt. Und das andere ist der Konflikt zwischen Ruanda und Uganda." Er glaube nicht, dass dies eine Aufgabe für einen einzelnen politischen Führer sei. "Dies sind die gemeinsamen Herausforderungen der EAC-Staats- und Regierungschefs. Es ist an der Zeit, dass sie aufwachen, um diese Herausforderungen anzugehen."

Mitarbeit: Fred Muvunyi

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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