Kairos neue Freunde
1. April 2015Das Embargo ist aufgehoben. Ab sofort unterstützen die USA wieder das ägyptische Militär. Kampfjets des Typs F-16, Harpoon-Raketen, Panzerausrüstungen: All dies darf nun wieder nach Ägypten geliefert werden.
So teilte es US-Präsident Barack Obama am 31. März seinem ägyptischen Amtskollegen Abd al-Fattah Said Husain Chalil as-Sisi mit. Auch versprach er ihm, sich weiterhin für eine jährliche Militärhilfe in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar einzusetzen.
Mit ihrem Telefonat bekundeten beide Staatschefs den Willen, den abgekühlten Beziehungen ihrer Länder wieder neuen Schwung zu verleihen und an jene Zeiten anzuknüpfen, in denen Ägypten neben Saudi-Arabien der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten war.
Nach dem Sturz von Ägyptens Ex-Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 hatte sich dies vorübergehend geändert. Die USA stellten die Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Militär ein. Denn Washington wertete die militärisch erzwungene Absetzung des Präsidenten als Verstoß gegen demokratische Spielregeln.
USA überdenken Strategie
Nachdem Obama sich in seiner berühmten Kairoer Rede 2009 für eine demokratische und rechtstaatliche Entwicklung in Nahost ausgesprochen hatte, sahen sich die USA gezwungen, um ihrer Glaubwürdigkeit willen auf Distanz zu den Generälen in Kairo zu gehen.
Präsident al-Sisi zog mit seinem harten Kurs gegen Gegner und Kritiker zwar massive Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen auf sich. Doch die instabile Lage, die seit dem Arabischen Frühling im Nahen Osten herrscht, bewegten die USA und andere Länder dazu, die Region politisch neu zu bewerten.
"In der jüngeren arabischen Geschichte haben wir nie ein solches Maß an Konflikten in der arabische Welt und auch innerhalb der einzelnen arabischen Staaten gesehen wie derzeit", schreibt die Zeitung "Al-arabi al-jadid". "Dies hat unseren Einfluss international derart schrumpfen lassen, dass einige unserer Länder nun als 'gescheiterte Staaten' bezeichnet werden."
Umworbener Partner
Ägypten ist eines der wenigen außenpolitisch stabilen Länder in der Region. Aufgrund seiner Nähe oder gar direkter Nachbarschaft zu gescheiterten Staaten wie Libyen, Syrien oder dem terrorgeplagten Irak steigt sein Wert als strategischer Partner. Und zwar nicht nur für die USA, sondern auch für Saudi-Arabien. Denn das Königreich ist im Kräftemessen mit seinem Erzrivalen Iran dringend auf Bündnispartner angewiesen. Wie angespannt das Verhältnis derzeit ist, zeigt sich vor allem im Konflikt um den Jemen.
Scharf hatte der Iran die Angriffe der von Saudi Arabien geführten Allianz auf Stellungen der aufständischen Huthis kritisiert. "Wenn Saudi Arabien und seine Alliierten - darunter Ägypten, Jordanien, Kuwait und Bahrain - weiterhin so aggressiv gegen den Jemen vorgehen und die jemenitische Revolution unter Druck setzen, wird Iran Militärberater in das Land entsenden, wie es dies schon in Syrien und im Irak getan hat", erklärte in der vergangenen Woche Kanani Moghadam, der ehemalige Kommandant der Revolutionären Garden.
Angesichts solcher Spannungen ist man in Riad froh, mit Ägypten wieder einen starken Partner an der Seite zu haben. Saudische Politiker hatten die Regierung al-Sisi von Anfang unterstützt - und zwar nicht nur aus außenpolitischen Gründen.
Riad fürchtet sozialrevolutionären Islam
In Riad betrachtet man die Muslimbrüder zudem als eine potentiell gefährliche Variante eines sozialrevolutionären Islams. Dessen Funke, fürchtet man, könne auch auf die arabische Halbinsel überspringen.
Außerdem begrüßt man es in Riad auch, dass die Regierung al-Sisi entschieden gegen die palästinensische Hamas, einen Ableger der Muslimbruderschaft vorgeht, und etwa den Schmuggel an der Grenze zum Gazastreifen unterbindet.
Herausforderung Dschihadismus
Kurz nach Mursis Sturz hatten Saudi Arabien und andere Golfstaaten Ägypten darum mit mehreren Milliarden US-Dollar unter die Armee gegriffen. Im März dieses Jahres verkündeten Saudi Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, dem klammen Staat am Nil noch einmal zwölf Milliarden US-Dollar an Hilfen zukommen zu lassen.
Diese Hilfe werde die ägyptische Bevölkerung "nie vergessen", erklärte al-Sisi anlässlich seines Besuchs in Riad Ende Februar 2015. Wie die Golfstaaten sieht sich auch Ägypten Herausforderungen durch den Dschihadismus gegenüber.
Auf der Sinai-Halbinsel haben sunnitische Dschihadisten der Terrororganisation "Islamischer Staat" ihre Loyalität erklärt. Zugleich sieht sich Kairo durch die chaotische Lage im Nachbarland Libyen bedroht. Dort hatten IS-Terroristen im Februar 21 koptische Gastarbeiter auf bestialische Weise hingerichtet.
Die arabische Eingreiftruppe
Auf dem jüngsten, im ägyptischen Scharm El-Scheich ausgerichteten Gipfel der Arabischen Liga haben die Staats- und Regierungschefs der teilnehmenden Staaten darüber beraten, wie sie dem Dschihadismus auf der einen und dem iranischen Hegemonialstreben auf der anderen Seiten begegnen sollten.
"Wir stehen vor einer bedeutenden und drängenden Herausforderung, die die ganze Welt zur Kenntnis nehmen muss", erklärte der Generalsekretär der Arabischen Liga, der ägyptische Jurist Nabil al-Arabi. Die Schaffung einer arabischen Eingriffstruppe begrüßte er ausdrücklich. "Es ist angesichts der Bedrohungen, dem allgemeinen Durcheinander und der nie dagewesenen terroristischen Bedrohung, der sich die Araber gegenüber sehen, eine sehr wichtige Entscheidung."
Über vier Jahre nach dem Sturz Mubaraks ist Ägypten wieder zurück auf der außenpolitischen Bühne. Militärisch ist es gegen die Herausforderungen gerüstet. Offen bleibt vorerst die Frage, welche politischen Antworten sich auf sie finden lassen.