Hamburg
Die Säcke stapeln sich bis fast unter die Decke, sie sind gefüllt mit Kakaobohnen aus Nigeria, der Elfenbeinküste, Ecuador. Ein junger Mann mit mittelblonden Haaren, akkurat gekleidet in einem dunklen Anzug, steht vor einer Palette. Es ist der Firmenchef Thomas Cotterell. Mit seinem silberglänzenden Probenstecher piekt er in einen Jutesack. Kakaobohnen aus Venezuela rollen die Hände des 34-Jährigen. Vorsichtig dreht er die kugelförmigen Früchte und riecht auch immer wieder an ihnen. Thomas Cotterell ist ein Quartiersmann. Seit 122 Jahren gibt es dieses Hamburger Traditionsgewerbe. Die Experten kontrollieren und lagern Ware aus Übersee: Gewürze, Kautschuk, Kaffee, Kakao.
Kautschuk, Kaffee, Kakao und Gewürze
Thomas Cotterell begutachtet vor allem Kakao. Die Bohnen kommen auf riesigen Containerschiffen nach Hamburg und haben eine wochenlange Reise hinter sich. Da kann die Qualität schon mal leiden. Bereits am Geruch erkennt Thomas Cotterell, ob die Kakaobohnen noch gut sind oder nicht. Riecht es muffelig, hat sich im Container vermutlich Schwitzwasser gebildet. Die Kakaofrüchte fangen dann an zu schimmeln. Der Quartiersmann muss in diesem Fall die guten von den schlechten Bohnen trennen.
Quartiersleute in Hamburgs Speicherstadt
Die Familie Cotterell zählt zu den ältesten Quartiersleuten Hamburgs, die noch heute aktiv sind. Thomas Cotterell zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto und erzählt, wie mit seinem Urgroßvater Harry Dougan alles anfing. Der kam 1890 aus Liverpool in die Hansestadt. Der Hamburger Hafen war damals neben London wichtigster Einfuhrhafen für Kolonialwaren. Die ersten Quartiersleute ließen sich in der Hamburger Speicherstadt nieder. Noch heute, gut 100 Jahre nach ihrer Erbauung, erinnern Schriften an den dicken roten Backsteinmauern an die inzwischen längst vergangenen Zeiten. Namen von Quartiersleuten wie Adolf Tiede und "Eichholtz und Consorten" stehen in großen goldenen Buchstaben an den Fassaden. Mittlerweile sind Hamburgs Quartiersleute in den Freihafen gezogen. Die Speicher wurden zu klein.
Alte Familientradition
Thomas Cotterell hat vor drei Jahren die Verantwortung für das Familienunternehmen übernommen. Heute ist er Chef von 40 Mitarbeitern. Bereits als Schuljunge träumte er davon, Quartiersmann zu werden. "Quartiersmann ist kein Hexenwerk, sondern ein ganz normaler Ausbildungsberuf. Doch nur wer seine Ware liebt, kann ein guter Quartiersmann sein", sagt der gelernte Volkswirt. Und Thomas Cotterell ist ein anerkannt guter Fachmann. Er liebt Kakao und mag es, wenn der Duft in seiner Nase kitzelt. Und er isst leidenschaftlich gern Schokolade. Auch die Bohnen, die heute noch in seinen Hallen lagern, werden irgendwann zu edlen Tafeln oder Pralinen verarbeitet.
Hamburger Jung
Es erfülle ihn mit Stolz, sagt Cotterell lächelnd, dass er die Firma seines Urgroßvaters in die Zukunft führen darf. Auch wenn seine Vorfahren aus Liverpool stammen, er selbst ist ein Quiddje, also ein echter Hamburger Jung. Er liebt seine Heimatstadt, die so herrlich grün ist, wie er sagt. Oft spaziert er mit seiner Frau die Elbe entlang oder fährt Fahrrad und beobachtet die Containerschiffe, die am Kai festmachen. Stundenlang kann er den Kränen zuschauen, wie sie die riesigen Container herunterheben. Wasser ist sein Element, der Hamburger Hafen sein Lieblingsplatz.