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Politik

Kalter Staatsstreich in Guatemala

Martin Reischke
8. Januar 2019

Guatemalas Regierung hat die Zusammenarbeit mit der internationalen Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit einseitig beendet – gegen den Willen des eigenen Verfassungsgerichts. Guatemalas Rechtsstaat ist in Gefahr.

Guatemala Protest gegen Präsident Otto Perez Molina
Guatemalteken protestieren gegen den Rauswurf der CICIG-Kommission aus ihrem LandBild: picture-alliance/AP Photo/M. Castillo

Der Streit um den Verbleib der Internationalen Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) spitzt sich weiter zu: Nachdem erst am Wochenende ein kolumbianischer Mitarbeiter der Kommission mit UN-Mandat stundenlang am Flughafen von Guatemala-Stadt festgehalten und so an seiner Wiedereinreise gehindert wurde, hat die guatemaltekische Regierung die Zusammenarbeit mit der CICIG am Montag Nachmittag (Ortszeit) einseitig für beendet erklärt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CICIG wurden von der Regierung aufgefordert, das Land innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Seit mehr als zehn Jahren unterstützt die CICIG die guatemaltekische Staatsanwaltschaft bei der Aufdeckung illegaler Netzwerke und Machtstrukturen, zahlreiche Politikerkarrieren fanden aufgrund der CICIG-Ermittlungen ein jähes Ende. Guatemalas Regierung wirft der CICIG dagegen vor, durch einseitige Ermittlungen den sozialen Frieden im Land zu gefährden.

Illegale Gerichtsurteile?

Am Sonntag war Guatemalas Außenministerin Sandra Jovel nach New York gereist, um UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Entscheidung ihrer Regierung mitzuteilen. Guterres wies das einseitige Vorgehen der guatemaltekischen Regierung entschieden zurück. Noch am selben Tag legte der guatemaltekische Menschenrechtsombudsmann Jordán Rodas Rechtsmittel gegen das Vorgehen der Regierung beim Verfassungsgericht des Landes ein. Eine Entscheidung steht noch aus, in der Vergangenheit hat das Gericht jedoch wiederholt zugunsten der CICIG entschieden und der Kommission damit den Rücken gestärkt.

Guatemalas Außenministerin Sandra JovelBild: picture-alliance/AP Photo/M. Castillo

Allerdings hat die Regierung unter Präsident Jimmy Morales bereits mehrfach erklärt, sich nicht an Gerichtsurteile gebunden zu fühlen, die sie als illegal betrachtet. So darf beispielsweise CICIG-Chef Iván Velásquez seit einer Dienstreise in die USA nicht wieder nach Guatemala einreisen, obwohl das Verfassungsgericht das Vorgehen der Regierung für rechtswidrig erklärt hat. "Die Lage ist sehr ernst, da sich die Regierung einfach über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt", sagt Johanna van Strien, die für die deutsche Nichtregierungsorganisation Brot für die Welt in Guatemala arbeitet. "Der Rechtsstaat wird außer Kraft gesetzt, und das Land bewegt sich auf einen kalten Staatsstreich zu."

Präsident und Parlamentarier unter Korruptionsverdacht

Dass die guatemaltekische Regierung gerichtliche Entscheidungen einfach übergeht, ist besonders dramatisch, weil die Judikative die letzte der drei Staatsgewalten ist, die sich eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt hat. Viele Parlamentsabgeordnete und der Regierungschef selbst stecken dagegen tief im Korruptionssumpf und haben ein Interesse daran, die Arbeit der CICIG zu torpedieren. Der Rauswurf der Kommission hat deshalb eine lange Vorgeschichte. Seit die CICIG im Sommer 2017 ihre Ermittlungen gegen den Präsidenten wegen des Verdachts der illegalen Wahlkampffinanzierung öffentlich machte, hat sich der Regierungschef vom Unterstützer der CICIG zum Gegner gewandelt und wiederholt versucht, CICIG-Chef Velásquez loszuwerden.

CICIG-Chef Iván VelásquezBild: picture-alliance/AP Photo/M. Castillo

"Präsident Morales will die aktuelle Situation immer als Problem zwischen uns beiden darstellen, aber für mich ist das überhaupt kein persönlicher Konflikt", sagte Velásquez in einem Interview mit der DW im November vergangenen Jahres. "Es geht vielmehr um den Kampf gegen die Korruption – und darum, dass die Sektoren, die von unseren Untersuchungen betroffen sind, entschieden haben, uns frontal anzugreifen, um unsere Arbeit zu behindern und zu stoppen."

Morales will Fakten schaffen

Mit dem 24-Stunden-Ultimatum, das am heutigen Nachmittag (Ortszeit) ausläuft, hat die Regierung nun zum äußersten Mittel gegriffen. Rechtsexperten haben darauf hingewiesen, dass eine einseitige Aufkündigung der Vereinbarung zwischen der guatemaltekischen Regierung und der UNO über das Bestehen der CICIG rechtlich gar nicht möglich ist. Ein vorzeitiges Ende der CICIG wäre nur dann denkbar, wenn sich beide Parteien darauf einigten.

Darf man den Aussagen der guatemaltekischen Regierung Glauben schenken, dann scheint sie allerdings lieber Fakten schaffen zu wollen, als komplizierte rechtliche Erwägungen in Betracht zu ziehen. "Als Nichtregierungsorganisation haben wir unsere Zentrale in Berlin aktiviert, damit auch die europäische Zivilgesellschaft Druck ausüben kann", sagt Johanna van Strien von Brot für die Welt. Eine kleine Gruppe von Bürgern demonstrierte am Montag Abend bereits im Zentrum von Guatemala-Stadt gegen die Entscheidung der Regierung, die CICIG aus dem Land zu werfen. Doch das wird kaum reichen, um Präsident Jimmy Morales umzustimmen. "Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Vor allem die europäischen Länder müssen Stellung beziehen", so van Strien.

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