Kampf dem Atomtod
11. April 2007"Unterscheiden Sie doch die taktischen und die großen atomaren Waffen", sagte Konrad Adenauer. "Die taktischen Waffen sind nichts weiter als eine Weiterentwicklung der Artillerie." Der Bundeskanzler argumentierte für die Bewaffnung der Bundeswehr mit Nuklearsprengköpfen. Der Atomphysiker Carl Friedrich von Weizsäcker war anderer Ansicht. Er verfasste ein Manifest gegen den Besitz von Atomwaffen und ließ 17 prominente Forscherkollegen, darunter vier Nobelpreisträger, mit unterschreiben. Die Göttinger Erklärung erschien am 12.4.1957 in den Zeitungen und stieß weltweit auf ein großes Echo. In Deutschland entstand die Bewegung "Kampf dem Atomtod". Doch das Ziel einer atomwaffenfreien Bundesrepublik wurde nicht erreicht. Im März 1958 beschloss der Bundestag die Atombewaffnung der Bundeswehr im Rahmen der NATO.
Im selben Jahr wurde die britische Kampagne für Nukleare Abrüstung (CND) gegründet. Mittlerweile hat die Organisation zehntausende Mitglieder, ihr Logo ist als allgemeines Peace-Zeichen weltweit verbreitet. Doch Großbritannien besitzt noch immer Atomwaffen. "Wir sind nicht frustriert", sagt die Vorsitzende des CND, Kate Hudson. Dabei hat sie eine entscheidende Schlacht verloren. Im März entschied das britische Unterhaus, die Träger-U-Boote, von denen Trident-Atomraketen abgefeuert werden können, zu erneuern. Ab dem Jahr 2023 werden die vier Boote der Vanguard-Klasse, die seit 14 Jahren im Einsatz ist, außer Dienst gestellt. Großbritannien gilt neben den Vereinigten Staaten, China, Russland und Frankreich als offizielle Atommacht gemäß dem Atomwaffensperrvertrag. Die fünf Länder haben verbindlich zugesagt, ihr komplettes Atomwaffenarsenal abzubauen. Nur ist in dem Vertragswerk von 1968 kein Zeitraum oder gar Datum für die Abrüstung festgeschrieben.
Versprochen, aber nicht umgesetzt
So sind auch die Atomwaffen-Großmächte USA und Russland weit davon entfernt, ihre Arsenale aufzugeben. "Insgesamt nimmt die Zahl der Sprengköpfe zwar signifikant ab", sagt Atomwaffen-Experte Shannon Kile vom Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut (SIPRI). "Aber Abschreckungswirkung und Schlagkraft sollen erhalten bleiben." Der US-Notfallplan 8022 sieht den Einsatz von Atomwaffen als letztes Mittel gegen unmittelbar bevorstehende Bedrohungen vor. Es ist einer von zahlreichen kleinen und flexiblen Plänen, die den zentralen Atomkriegsplan aus Zeiten des Kalten Krieges abgelöst haben und den weltweiten Blitzkrieg mit konventionellen und nuklearen Waffen behandeln. Als mögliche Ziele nennt der aktuelle Bericht zur nuklearen Haltung der Vereinigten Staaten Nordkorea, den Iran, Syrien und China.
"Auch China und Russland setzen auf kleinere, gemeinere Atomstreitkräfte", sagt Vitaly Fedchenko, Asien-Spezialist des SIPRI. Obgleich sich alle offiziellen Atommächte bis auf China das Recht auf einen nuklearen Erstschlag vorbehalten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Waffen tatsächlich mal einsetzen, gering. "Es geht ihnen vor allem um Abschreckung", sagt Fedchenko. Wer die Waffen hat, wird nicht angegriffen und braucht sie nicht zu nutzen. "Durch die nicht-offiziellen Atommächte können aber neue Gefahren entstehen", sagt Fedchenko. "Dort sind die Kontrollmechanismen längst nicht so ausgeprägt wie zum Beispiel in den USA oder Russland."
Nicht-offizielle Atommächte
Und gerade hier kommen Atomwaffengegner kaum zu Wort. In Pakistan und Indien gelten nukleare Sprengköpfe als ein Zeichen politischer Macht und sind ein Objekt nationalen Stolzes. In China und Nordkorea werden regierungskritische Äußerungen generell unterdrückt. Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie offiziell bestätigt – der Nukleartechniker Mordechai Vanunu, der das Atomwaffenprogramm des Landes öffentlich machte, wurde zu 18 Jahren Haft wegen Landesverrats und Spionage verurteilt. "Wir haben Kollegen in diesen Ländern, aber die sind ganz anderen Gefahren unterworfen als wir", sagt Jens-Peter Steffen, Friedensreferent bei der multinationalen Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW). "Was fehlt, ist die breite Aufklärung in der Bevölkerung. Denn die Opposition hat nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Meinung zu verbreiten."
"Wir müssen zeigen, dass es Atomwaffengegner in diesen Ländern gibt", sagt Steffen. Er hofft, dass diese Journalisten und Wissenschaftler den Argumenten atomkritischer Nichtregierungsorganisationen zusätzliches Gewicht verleihen. "Es geht nicht nur darum, selbst den Sperrvertrag einzuhalten und die Atomwaffen aus dem Verkehr zu ziehen", sagt CND-Vorsitzende Kate Hudson. "Wir müssen auch über unsere Regierung andere Nationen davon überzeugen. Aber solange wir behaupten, Atomwaffen für unsere Verteidigung zu benötigen, können wir dieses Recht anderen schwer absprechen."