1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kampf gegen Tuberkulose leidet in der Pandemie

Louisa Wright
21. Juni 2021

Rund 1,4 Millionen Menschen weniger als im Vorjahr wurden 2020 wegen TB behandelt. Jährlich sterben 1,5 Millionen Menschen an der behandelbaren Infektionskrankheit.

Patient bekommt Tuberkulose Medikamente
Wer an Tuberkulose erkrankt, muss oft über Monate täglich Medikamente nehmenBild: Getty Images/M. Safodien

2010 bemerkte Phumeza Tisile, damals Studentin im ersten Jahr an der Universität Kapstadt in Südafrika, dass sie nicht mehr so leicht die Treppen hoch kam, wie ihre Kommilitonen. Sie wurde schnell müde und hatte stark an Gewicht verloren.

"Da habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt", erzählt Tisile der DW. "Aber ich hätte nie gedacht, dass es TB sein könnte."

Nachdem andere Krankheiten ausgeschlossen worden waren, ergab eine Röntgenuntersuchung der Brust, dass Tisile tatsächlich Tuberkulose (TB) hatte. Ihre Genesung sollte drei Jahre und acht Monate dauern.

Obwohl es sich um eine vermeidbare und heilbare Krankheit handelt, starben 2019 laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1,4 Millionen Menschen an Tuberkulose. Damit ist TB die weltweit am häufigsten auftretende Infektionskrankheit, noch vor HIV und Malaria. 

Etwa die Hälfte aller Menschen mit Tuberkulose ist in acht Ländern auf der Südhalbkugel zu finden, aber Tuberkulosefälle gibt es noch fast überall auf der Welt. Am 4. März 2021 gab etwa die Stadt Krefeld bekannt, dass eine 17-jährige Schülerin an TB verstorben war.

Im Jahr 2019 gab es in Deutschland laut Robert Koch-Institut 4.791 Fälle von TB, 129 Menschen starben an der Krankheit.

Was ist Tuberkulose?

TB wird durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis verursacht und befällt in der Regel die Lunge, kann aber auch in anderen Teilen des Körpers vorkommen. Die Krankheit wird über die Luft übertragen, wenn Menschen mit aktiver TB in der Lunge husten oder niesen. Durch das Teilen von Essgeschirr, Händeschütteln, Umarmen, Berühren von Bettwäsche oder Toilettensitzen. Durch Sex oder den Austausch von Speichel beim Küssen kann man sich aber nicht anstecken.

Das Mycobacterium Tuberculosis verursacht TBBild: picture-alliance/BSIP/NIAID

In der Regel ist ein enger oder langfristiger Kontakt erforderlich, um infiziert zu werden. Laut der WHO ist schätzungsweise ein Viertel der Weltbevölkerung mit TB-Bakterien infiziert, aber nur 5 bis 15 % dieser Menschen entwickeln eine aktive TB-Erkrankung. Die meisten Menschen, die einige Wochen lang behandelt wurden, sind nicht mehr ansteckend.

Überfüllte Wohnräume, Unterernährung, HIV, Drogenmissbrauch und Diabetes sind einige der Risikofaktoren für TB. Menschen können auch eine latente TB-Infektion haben, die noch Jahre später aktiv werden kann, wenn ihr Immunsystem geschwächt ist.

Tuberkulose zurück in Mexiko

03:21

This browser does not support the video element.

COVID-19 macht jahrelangen TB-Fortschritt zunichte

Während Wissenschaftler praktisch seit Beginn der Corona-Pandemie rund um die Uhr an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 gearbeitet haben, gibt es bereits einen wirksamen Impfstoff gegen TB: Bacille Calmette-Guérin (BCG). Er wurde erstmals 1921 am Menschen getestet. Der BCG-Impfstoff ist bei Kindern recht wirksam, bei Erwachsenen leider weniger.

Im Jahr 2020 wurden schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen weniger wegen Tuberkulose behandelt als 2019, teilte die WHO unter Berufung auf vorläufige Daten aus mehr als 80 Ländern mit.

Die Länder mit den größten relativen Lücken waren Indonesien (42% weniger TB-Patienten als im Vorjahr erhielten Versorgung), Südafrika (41%), die Philippinen (37%) und Indien (25%).

Die WHO befürchtet, dass im Jahr 2020 mehr als eine halbe Million Menschen zusätzlich an TB gestorben sein könnten, weil sie nie eine Diagnose erhielten.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus betonte, dass die Auswirkungen von COVID-19 weit über die durch das Virus selbst verursachten Todesfälle und Krankheiten hinausgehen. 

"Die Unterbrechung grundlegender Dienstleistungen für Menschen mit Tuberkulose ist nur ein tragisches Beispiel dafür, wie die Pandemie einige der ärmsten Menschen der Welt, die ohnehin schon ein höheres Tuberkulose-Risiko hatten, unverhältnismäßig stark trifft", so Ghebreyesus.

Anfang März veröffentlichte die "Stop TB Partnership", eine Gruppe von Organisationen, die für eine Ausrottung von Tuberkulose kämpft, eine Studie, laut der die 12 Monate mit COVID rund 12 Jahre Fortschritt im Kampf gegen TB zunichte gemacht haben.

In neun Ländern, die 60% der weltweiten TB-Belastung repräsentieren, sank die Anzahl der Menschen, die mit TB diagnostiziert und dann behandelt wurden, auf das Niveau von 2008, so die Organisation "Stop TB Partnership".

Uzma Khan: Menschen müssen besseren Zugang zu TB-Medikamenten habenBild: Uzma Khan

Daten aus Indien und Südafrika zeigen auch, dass Menschen, die sowohl mit TB als auch mit COVID-19 infiziert sind, eine dreimal höhere Sterblichkeit haben als Menschen, die nur TB haben, so die Organisation.

Uzma Khan, Ärztin und medizinische Leiterin bei IRD Global, einer Gesundheitsforschungsorganisation, arbeitet derzeit an einer länderübergreifenden klinischen Studie, die sich auf Behandlungsschemata für multiresistente TB konzentriert, die kürzer, effektiver und weniger schädlich sind.

Langer Weg zur Heilung

Tuberkulose ist heilbar, aber die Behandlung ist langwierig, kann starke Nebenwirkungen verursachen und beinhaltet mehrere Medikamente, die während der gesamten Behandlungsdauer täglich eingenommen werden müssen ― auch wenn es dem Patienten besser geht.

Die Krankheit kommt in verschiedenen Formen vor. Die "normale TB" braucht etwa sechs Monate Behandlung, um auszuheilen. Wenn ein Patient mitten in der Behandlung aufhört, seine Medikamente zu nehmen, kann er eine multiresistente (MDR)-TB entwickeln, bei der andere Medikamente mit potenziell schweren Nebenwirkungen zum Einsatz kommen. Diese Art der TB erfordert je nach Stamm 12 bis 24 Monate Behandlung. Man kann sich auch direkt mit MDR-TB von einer infizierten Person anstecken.

Nachdem die regulären TB-Medikamente keine Besserung brachten, begann die südafrikanische Studentin Tisile mit einer MDR-TB-Behandlung und erhielt täglich Tabletten und eine Injektion. Nach vier Monaten MDR-TB-Behandlung wurde sie auf beiden Ohren taub - eine Nebenwirkung des Medikaments Kanamycin, das für die Behandlung nicht mehr empfohlen wird.

Etwa ein Jahr nach ihren ersten Symptomen wurde bei ihr schließlich eine extensiv arzneimittelresistente TB diagnostiziert, die tödlichste Form der Krankheit. Tisile wurde gesagt, sie habe eine 20-prozentige Überlebenschance.

Aber sie schaffte es. Nachdem sie zwei Cochlea-Implantate erhalten hatte, die ihr das Hören ermöglichten, konnte Tisile ihr Studium fortsetzen. Ende 2020 machte sie ihren Abschluss an der Universität Kapstadt mit einem Diplom in Sozialwissenschaften. Heute setzt sie sich für weniger gefährliche TB-Behandlungen ein und klärt Menschen über die Krankheit auf.

Ein großes Problem ist auch der eingeschränkte Zugang zu Behandlungen für die komplexeren Fälle von TB. Ein Patient mit normaler TB kann ein Familienmitglied jeden Tag in die örtliche Klinik schicken, um seine Medikamente für ihn abzuholen. Aber der Zugang zu Medikamenten für die Behandlung von MDR-TB variiert je nach Land, so die Ärztin Khan, die an MDR-Behandlungsmethoden forscht.

"Es gibt immer noch eine sehr zentralisierte Funktion in Bezug auf die Versorgung. Viele Patienten müssen immer noch über weite Strecken zu Behandlungszentren anreisen, um Zugang zur Behandlung und zu Labortests zu erhalten. Und dann müssen sie auch noch für die Kosten aufkommen", so Khan.

Tisile will, dass sich niemand mehr schämt, wegen TB eine Maske tragen zu müssenBild: Arne Von Delft/TB Proof

Keine Scham mehr

Als Tisile im TB-Krankenhaus war, erlebte sie keine Diskriminierung. Aber als sie mit einer Atemschutzmaske eine Allgemein-Klinik besuchte, sah das schon anders aus.

"Man merkte, dass die Leute gegen einen sind, ohne dass sie auch nur ein Wort gesagt haben", so Tisile.

Die Arbeit mit TB-Patienten setzt auch das Gesundheitspersonal dem Risiko einer Infektion aus. Khan überstand kürzlich eine okuläre TB, eine seltene Form von TB, die außerhalb der Lunge auftritt.

Die Behandlung habe ihr geholfen zu verstehen, was die TB-Patienten durchmachen. Ein Jahr lang nahm sie jeden Tag Medikamente ein, von denen sie Gelenkschmerzen bekam.

Die Lektionen, die die Menschen nach einem Jahr Corona-Pandemie gelernt haben, können auch auf TB angewendet werden, sagt Tisile ― besonders wenn es um das Tragen von Masken geht.

"Patienten, die TB hatten, schämten sich so sehr, in Kliniken und Krankenhäusern Masken zu tragen, weil sie Angst hatten, verurteilt und stigmatisiert zu werden", sagt Tisile.

Ihrer Meinung nach sollte man sich aber nicht dafür schämen, TB zu haben. Jeder, der offen mit der Krankheit umgeht, mache es für den nächsten Betroffenen leichter.

"Ich verstehe immer noch nicht, warum die Leute TB als eine nicht so wichtige Krankheit ansehen", sagt Tisile. "Ich weiß, dass sie als 'Arme-Leute-Krankheit' abgestempelt wird, aber Tatsache bleibt, dass jeder, der atmet, jeder, der lebt, TB bekommen kann."

Dieser Artikel vom 24. März 2021 wurde zuletzt am 21. Juni 2021 aktualisiert. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen