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Kampf um die AfD-Spitze

Kay-Alexander Scholz19. Mai 2015

Die Parteienkonkurrenz wird es freuen: Die AfD, gestartet als Protestpartei gegen die Euro-Rettungspolitik, steckt gerade in einem innerparteilichen Machtkampf. Er könnte die Partei zerreißen.

Hier noch gemeinsam: Bernd Lucke und Frauke Petry (Foto: dpa)
Hier noch gemeinsam: Bernd Lucke und Frauke PetryBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Um möglichst viele verschiedene Wählergruppen ansprechen zu können, hatte sich Bernd Lucke nach Gründung der eurokritischen "Alternative für Deutschland" im Jahr 2013 für einen populistischen Kurs entschieden. Das heißt: Die AfD blieb programmatisch indifferent, selbst beim Gründungsthema Euro, und sammelte Themen ein, über die im Volk viel geschimpft wurde. Partei-Vorstand Lucke scheute nicht davor zurück, durch seine Wortwahl auch am rechten Rand nach Mitgliedern und Wählern zu fischen. Das ging auf: Das Spektrum der AfD-Anhänger wurde breiter. Bald fanden sich sowohl liberale bildungsbürgerliche Unternehmer als auch erzkonservative Vertreter der sogenannten Neuen Rechten in der Partei. Der Spagat war von Anfang an riskant, aber Lucke konnte ihn moderieren. Er hatte die alleinige Macht in der Partei. Auch wenn es viel Kritik an seinem "Gutsherren-Stil" gab und er innerparteilich mit vielen Tricks arbeitete.

Bei den Europawahlen im Mai 2014 schaffte es die AfD samt Lucke ins Europa-Parlament. Im Sommer konnten Bernd Höcke in Thüringen, Frauke Petry in Sachsen und Alexander Gauland in Brandenburg Wahlerfolge feiern. Lucke selbst hatte die Spitzenkandidaten stark gemacht und stand hinter ihren zugespitzen Wahlkampfthesen zu den Themen Familie, Grenzkriminalität und Flüchtlinge. Dann aber änderte Lucke seine Meinung und begann, die von ihm gesetzten Themen und Personen als Partei-schädigend darzustellen. Doch das war keine programmatische Umkehr, der eigentliche Grund dafür hieß Frauke Petry - sie war Lucke zu mächtig geworden.

Der Zweikampf

Als Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag hatte Petry in der Bundes-AfD nun noch mehr Gewicht. Rückblickend spricht Petry davon, dass sie im Herbst 2014 begriffen hatte, dass es so nicht weiter gehen konnte. Formal gab es mit Lucke, Konrad Adam und ihr eine Dreier-Spitze. Doch ein Teamplayer war Lucke nie, das gibt er auch öffentlich zu. Petry nervte das zusehends. Sie begann, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen, kritisierte Wahlkämpfe anderer AfD-Landesverbände, die weniger erfolgreich als ihr eigener Wahlkampf waren. Oder sie bezeichnete sich als Generalistin und gab sich damit selbst das Prädikat, dass Lucke in einer Rede zuvor als Profil für einen Vorsitzenden beschrieben hatte.

Bild: Reuters/M. Hiekel

Dann kam Pegida. Petry suchte demonstrativ die Nähe der islam-feindlichen Demonstranten, anders als Lucke. In der Diskussion wurden zwei Strömungen in der AfD sichtbar: ein gemäßigtes Lucke- und ein radikaleres Petry-Lager. Der Volkswirtschaftsprofessor Lucke und mit ihm viele der wohlsituierten AfD-Bürgerlichen im Westen des Landes konnten mit dem rechten Proletariat auf der Straße nichts anfangen. Auch Frauke Petry gilt manchen Westvertretern in der Partei als ein wenig obskur. Obwohl auch sie als promovierte Chemikerin und aus einem Akademikerhaushalt stammend eine "Bürgerliche" ist. Eine Rolle mag spielen, dass sie aus dem Osten kommt.

An Pegida schieden sich die Geister. Den beiden Kontrahenten Lucke und Petry kam das gelegen. Sie begannen, ihre Truppen entlang einer strategischen Frage hin auszurichten: Lucke betonte den bürgerlichen Charakter der AfD, sprach wieder mehr vom Euro. Petry dagegen möchte das Protestprofil der AfD nicht aufgeben. Sie will nicht zu früh Kompromisse eingehen und möchte weiterhin auch quer zum Mainstream agieren. Auch am vergangenen Wochenende verteidigte sie auf einem Fachkongress ihrer AfD-Fraktion in Dresden die Offenheit gegenüber Pegida. Wenn nur noch jeder Zweite wählen gehe, habe man viele Bürger beim demokratischen Diskurs verloren. Wenn diese Bürger dann ihr Schweigen brechen würden, müssten sie sich dafür rechtfertigen. Das sei falsch, die Bürger auf der Straße müssten ernst genommen werden. Im selben Atemzug aber grenzte sie sich von Rechtsextremen wie der NPD ab, das habe die Partei schließlich so beschlossen.

Und nun?

Lucke will einen Schwur auf sich beim kommenden Parteitag am 13. und 14. Juni in Kassel erpressen. Als Drohpotential hat er einen Verein "Weckruf 2015" gegründet und die Mitglieder zum Beitritt aufgefordert. Offiziell sagt Lucke, die Partei dürfe nicht weiter nach rechts abdriften und zur "bloßen Protestpartei" mit "hetzerischen Parolen" degenerieren. Einen Parteiaustritt, manche hatten darauf spekuliert, schließt Lucke dagegen vorerst aus. Petry hält für fragwürdig, ob eine solche Vereinsgründung überhaupt mit den AfD-Statuten vereinbar sei.

Bild: Reuters/V. Kessler

In Kassel soll die Dreier-Führungsspitze auf nur noch eine Person verengt werden. So hat es die Partei beim letzten Parteitag in Bremen beschlossen. Es geht also darum, ob Lucke alleiniger Vorsitzender wird. Einer Mehrheit kann er sich inzwischen nicht mehr sicher sein. Lucke hat durch seinen autoritären Führungsstil viele Fans vor den Kopf gestoßen, gerade bei Mitgliedern mit einer formal hohen Bildung. Bereits in Bremen waren manche Lucke-Voten knapp ausgefallen. Inzwischen sollen nur noch wenige Landesverbände voll auf seiner Linie sein. Petry hat landesweit Verbündete. Das war auch in Dresden erfahrbar, drei Viertel der Verbände waren ihrer Einladung gefolgt.

Kommt es nun zum großen Showdown in Kassel? Aus Dresden ist zu hören, dass es auch anders kommen könnte und auf eine Kampfabstimmung verzichtet werden könnte. Doch das müssten die Delegierten des Parteitags entscheiden. Petry will verhindern, dass die AfD auseinanderfällt. Doch sie will das nicht durch Erpressung erreichen, sondern - so gewollt - durch einen Kompromiss. Wenn das nicht geht, dann muss der Parteitag zwischen Lucke und ihr entscheiden.

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