Für eine freie Presse
3. Oktober 2009"Wenn Sie die Zeitungen aufschlagen, können sie alles Mögliche lesen - nur nichts, was mit der Wirklichkeit zu tun hat. Laben Sie sich ruhig an der Desinformation, die Sie selbst verbreiten. Armes Italien, mit solch einer Presse wie der gegenwärtigen." Der italienische Ministerpräsident findet deutliche Worte für die Medien. Vor allem für die, die sich kritisch mit seiner Person befassen.
Berlusconi als Ein-Mann-Show
Das Fernsehen, sowohl die Kanäle, die Berlusconi gehören als auch auch das staatliche Programm, greift der Politiker immer stärker an. "Die RAI ist das einzige staatliche Fernsehen auf der Welt, das von den Gebührenzahlern lebt und trotzdem ausschließlich die Regierung attackiert", sagt er.
Das will Berlusconi ändern - und schreitet gleich zur Tat: Zur Einweihung der ersten neuen Wohnungen für die Erdbebenopfer in den Abruzzen ist Berlusconi zur wichtigsten Fernsehzeit zwei Stunden lang als einziger Hauptdarsteller aufgetreten. Er mimte den Helden des Wiederaufbaus, den Baumeister des neuen Familienglücks, den Wohltäter des Volkes. Um kritische Meinungen zu verhindern, ließ er Talkshows zum gleichen Thema auf anderen Kanälen kurzerhand verbieten.
Autoritär kontrolliertes Informationswesen
Und er geht noch weiter: Auf unangenehme Fragen nach seinen Beziehungen zu Prostituierten und Rauschgiftlieferanten, die die letzten kritischen Tageszeitungen wie "La Repubblica" und "Unita" immer wieder aufwerfen, antwortet der Ministerpräsident jetzt mit Strafanzeigen. Die kritischen Blätter sollen wegen angeblicher Verunglimpfung Millionen Euro an Schadenersatz zahlen.
Für Giorgio Bocca, hochbetagter und hochgeachteter italienischer Journalist, ist es ein dramatischer Augenblick in der Geschichte des Landes. "Die Machthaber in diesem Land wollen aus der Demokratie ein autoritäres System machen. Die Italiener zerstören das größte Gut, das sie haben: Freiheit und Demokratie", befürchtet Bocca.
Silvio Berlusconi dagegen verweist auf die Vielzahl von Fernsehprogrammen, die es in Italien gibt. Doch das ist für den Oppositionspolitiker Stefano Rodota nur ein Schein-Pluralismus - denn die vielen Kanäle kämen alle von einem Anbieter: "In Wirklichkeit unterliegt das Informationswesen in Italien einer autoritären Kontrolle."
Zeichen setzen
Nur wenige Italiener lesen Zeitungen, die Mehrheit bildet sich ihre Meinung aus dem, was sie in den von Berlusconi kontrollierten Fernsehprogrammen sieht. Die Folge: Zwei Drittel der Italiener stehen auf der Seite ihres Ministerpräsidenten.
Die Demonstration vom Samstag (03.10.2009) in Rom sei nun aber "die größte Demonstration, die jemals für die Pressefreiheit organisiert wurde", sagte der Chef des Journalistenverbandes im einflussreichen Gewerkschaftsbund CGIL, Fulvio Fammoni. Mit Applaus empfingen die Teilnehmer den Herausgeber der Zeitung "La Repubblica", Ezio Mauro, die seit Monaten immer wieder dieselben Fragen an Berlusconi zu einer Affäre des Regierungschefs mit einer Minderjährigen druckt. Berlusconi geht gegen die Zeitung juristisch vor.
Autor: Karl Hoffmann / Oliver Samson (rtr, afp)
Redaktion: Julia Kuckelkorn