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Kampf ums Überleben in Haiti

arn25. September 2004

Nach den verheerenden Verwüstungen des Tropensturms "Jeanne" droht auf Haiti der Ausbruch von Seuchen. Zehntausende sind ohne Wasser. Hilfsorganisationen berichten von Schlägereien um die wenigen Nahrungsmittel.

Haiti nach dem Sturm: Einwohner bei der Verteilung von TrinkwasserBild: AP

Weite Teile der von "Jeanne" heimgesuchten Region im Norden Haitis sind auch Tage nach dem Durchzug des Sturms vor einer Woche für Hilfslieferungen unzugänglich. In Gonaïves, der drittgrößten Stadt Haitis, steht das Wasser stellenweise immer noch kniehoch. Die Kadaver von Schweinen, Ziegen und Hunden treiben zusammen mit den Trümmern von Möbeln in den trüben Fluten. Viele Menschen verletzten sich an den Trümmerteilen und erlitten oft tiefe Schnittwunden, die sich dann entzündeten.

Versorgungsnotstand

Zerstörte Autos und Müll in den Straßen von GonaivesBild: AP

Da auch der Flughafen von Gonaïves überflutet ist, mussten Flugzeuge mit Hilfsgütern unter anderem aus Kanada, Frankreich, Brasilien oder Venezuela in der Hauptstadt Port-au-Prince landen. Erst von dort konnten die Hilfslieferungen mit Hubschraubern oder Lastwagen zu den Opfern im Nordosten des bitterarmen Karibikstaates gebracht werden. Die UN-Stabilisierungstruppe in Haiti (MINUSTAH) verstärkte die Hilfsflüge mit ihren 20 Hubschraubern. Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe statteten in der Stadt Ennery nordöstlich von Gonaïves 2000 Familien mit Kochutensilien aus.

Elend und Chaos

"70 Tonnen Hilfsmittel sind nicht genug für all diese Opfer", klagt das Rote Kreuz. Die Menschen seien in einer verzweifelten Lage und hätten weder sauberes Trinkwasser noch Nahrungsmittel. "Die Hilfsorganisationen warnten vor Plünderungen und Aufständen. "Die Verzweiflung führt zu Spannungen", erklärt ein Helfer. UN-Blauhelme haben zum Schutz von Lebensmittellagern in Gonaives Tränengas eingesetzt. Die Soldaten schossen auch mit Sturmgewehren in die Luft, um verzweifelte und hungernde Menschen zu vertreiben. Trotz einer internationalen Hilfsaktion hatten tausende Menschen teilweise seit einer Woche kaum etwas zu essen und kein sauberes Trinkwasser bekommen.

Etwa hundert Menschen haben bereits m Donnerstag einen Lastwagen mit Hilfsgütern überfallen, den Mitglieder des Rotary Clubs in Port-au-Prince gespendet hatten. Binnen zehn Minuten, so berichteten Augenzeugen, sei der Lkw leer geräumt gewesen. Auch bei der Austeilung von Brot kam es fast zu Tumulten. Soldaten der UN-Friedenstruppe gaben Warnschüsse in die Luft ab, um die Lage zu beruhigen. Nach Polizeiangaben wurden Lieferwagen mit Hilfsgütern schon auf der Straße vor Gonaives überfallen. Am gleichen Tag durchbrachen mehrere hundert Hilfsbedürftige einen Bretterzaun und stürmten das einzige noch verbliebene Krankenhaus in Gonaives. Dort war allerdings nur noch ein Arzt anwesend.

Seuchengefahr

Retten, was zu retten ist: Einwohner mit ReissäckenBild: AP

Eines der dringendsten Probleme ist die Versorgung mit Trinkwasser. Der Transport sei ein "logistischer Albtraum", sagte Abby Maxman von der Hilfsorganisation CARE. Die Straßen seien in schlechtem Zustand und teilweise nicht befahrbar. Nach Einschätzung von CARE muss mit dem Ausbruch von Seuchen gerechnet werden. Es fehlt an Medikamenten, Lebensmitteln und vor allem an sauberem Trinkwasser. "Wir müssen das Wasser trinken, in dem andere gestorben sind", sagte der Bauer Jean Lebrun. Die Zahl der Todesopfer ist weitaus höher als bisher angenommen: mehr als 2300 Menschen sollen durch den Tropensturm umgekommen sein. Rund 300.000 Einwohner, darunter mindestens 100.000 Kinder und Jugendliche, sind obdachlos.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) droht eine gesundheitliche Gefahr vor allem durch die Verseuchung des Trinkwassers durch Exkremente. Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnt vor Seuchen. Das Wichtigste sei nun, die katastrophalen hygienischen Bedingungen in den Not- Unterkünften zu verbessern, teilte das Hilfswerk am Donnerstag in Köln mit. Unicef stellt Wasserreinigungstabletten, Basismedikamente und Nahrungsmittel bereit. Außerdem werden sanitäre Anlagen in den Lagern errichtet.

Der zweitägige heftige Regen durch den Tropensturm hatte in Haiti besonders verheerende Auswirkungen. Dort gibt es kaum noch Wälder, die die Fluten hätten zurückhalten können. Viele Menschen waren ins Meer gespült worden; andere wurden unter dem Schutt begraben, der sich nach den Flutwellen und Erdrutschen angesammelt hatte.

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