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Kampfansage gegen Sklaverei

Klaus Jansen19. Oktober 2013

Rund 30 Millionen Menschen schuften weltweit als Sklavenarbeiter. Eine neu gegründete Stiftung, unterstützt von Milliardären, hat Daten über die Ausbeutung ausgewertet. Ihr Ziel: das Ende der Sklaverei.

Kinderarbeit in Kambodscha (Bild: Unicef)
Bild: picture-alliance/ZB

Luisa ist erst 14 Jahre alt, als sie von ihrem Zuhälter halb blind geprügelt wird. Sie läuft weg, flieht endlich vor dem Mann, der sie ein Jahr zuvor auch schon vergewaltigt hatte. Dann erfährt sie, dass ihre Verwandten in Afrika ermordet wurden. Ihr Zuhälter erklärt ihr am Telefon, er habe die Mörder geschickt. Das furchtbare, aber nicht untypische Schicksal einer modernen Sklavin.

Das Mädchen aus Afrika kommt in dem Glauben nach Deutschland, dass sie dort zur Schule gehen kann. Das hatte ihr ein Mann versprochen, der in ihr Dorf gekommen war. Weil die Waise täglich ums Überleben kämpfen muss, willigt sie ein. Doch dann wird sie gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten. "Ich habe einen Voodoo-Schwur geleistet, dass ich nicht zur Polizei gehe", sagte sie einer Journalistin des Deutschlandfunks. Als sie es schließlich doch tut, bekommt sie Blutungen. "Könnt ihr euch vorstellen, was es für ein junges Mädchen bedeutet, seit drei Jahren dazu verdammt zu sein zu bluten, und es hört einfach nicht auf?"

30 Millionen Betroffene

Luisa lebt mittlerweile in einem Zeugenschutzprogramm in Süddeutschland, die Zeit ihrer Unterdrückung ist vorbei. Aber geschätzte 30 Millionen Menschen weltweit haben nach wie vor mit Verhältnissen zu kämpfen, die als moderne Sklaverei bezeichnet werden. Sie werden ihrer Freiheit beraubt, kontrolliert und ausgebeutet. Die Studie "Global Slavery Index 2013" der neu gegründeten "Walk Free Foundation" hat detaillierte Informationen darüber gesammelt.

Vor allem in Afrika und Asien leben demnach viele Sklaven. Weit oben stehen Indien, China, Pakistan und Nigeria. Aber auch Russland ist noch unter den ersten zehn Ländern zu finden. In der Studie wird betont, dass kein Kontinent und kein Land auf der Welt sklavenfrei ist. Wenn man nicht von den absoluten Zahlen, sondern vom Anteil der versklavten Menschen an der Bevölkerung ausgeht, dann führt Mauretanien vor Haiti und Pakistan die Liste an, auch weil es dort viele Zwangsehen mit Minderjährigen gibt.

Die Arten der Versklavung und mögliche Lösungsansätze sind höchst unterschiedlich, erklärt Hauptautor Kevin Bales im DW-Gespräch. Sexuelle Ausbeutung in Russland, Menschenhandel in der Republik Moldau, Ausbeutung von Hausangestellten in Brasilien, fehlende Rechtsstaatlichkeit in Teilen Kongos, Zwangsarbeit in China, erbliche Sklaverei in Indien oder alles überlagernde Katastrophen wie in Haiti: "Es gibt nicht die eine Lösung für alles, man muss sich die einzelnen Probleme in jedem einzelnen Land ansehen", so Bales.

Schwierige Faktenlage

Für Deutschland haben die Autoren rund 10.500 Menschen errechnet, die in sklavenähnlichen Verhältnissen leben. Kevin Bales gibt aber zu, dass es sehr schwierig ist, an belastbare Zahlen zu kommen. "Es geht häufig um verdeckte Verbrechen. Das ist sehr schwer zu messen." Die Methode von "Walk Free", die Zahlen auf der Basis bekannter Fälle, schon vorhandener Erhebungen und Wissen vor Ort einfach für die Gesamtbevölkerung hochzurechnen, sei zwar nicht perfekt, aber für den ersten Bericht dieser Art durchaus angebracht: "Sklaverei ist wie eine Epidemie. Wenn wir auf perfekte Zahlen dazu warten würden, würden die Menschen in der Zwischenzeit weiter in Sklaverei leben und sterben. Niemand würde ihnen helfen."

Kevin Bales kämpft seit Jahren weltweit gegen SklavereiBild: privat

Das Kinderhilfswerk "Terre des Hommes Deutschland" freut sich prinzipiell über die Daten, die "Walk Free" in der ganzen Welt zusammengetragen hat. Die Kinderrechts-Expertin Barbara Küppers lobt im Interview mit der Deutschen Welle ausdrücklich die erweiterte Sklaverei-Definition im neuen Index. "Sie sehen alles als Sklaverei, was eine Person unter Zwang setzt, zum Beispiel Kinderheirat. Das finden wir sehr positiv." Dadurch sind die Zahlen höher als die der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder des US-Außenministeriums. Insgesamt seien die Schätzungen für einen ersten Report aber plausibel, glaubt Küppers, auch wenn man beim einen oder anderen Land nachbessern müsse.

Milliardärs-Liga gegen verarmte UN

Gerade das könne aber auch die große Chance sein: Die Regierungen werden durch die Studie aufgerufen, genauere Zahlen zu liefern und sich des Themas anzunehmen. "Viele Regierungen wissen offenbar nicht, was Sache ist", sagt Barbara Küppers. Das gelte auch für Industrienationen wie Deutschland. "Ich hoffe, der Index kann in dieser Hinsicht Druck machen."

In Thailand werden junge Frauen zur Prostitution gezwungenBild: Bear Guerra

Diesen Druck haben ihrer Meinung nach bestehende Vereinigungen wie die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen bisher vermissen lassen. "Sie hat nicht genug Geld, um wenigstens einige Modellprojekte gegen Ausbeutung zu beginnen", so Küppers. Die "Walk Free Foundation" dagegen wird von Milliardären unterstützt. Einer Sprecherin zufolge wurde sie vom australischen Rohstoffmagnaten Andrew Forrest gegründet, Bill Gates oder Richard Branson werden als Unterstützer gelistet.

Es müsse genau beobachtet werden, was diese Privatpersonen abseits der Vereinten Nationen für Ziele verfolgen, meint Barbara Küppers von "Terre des Hommes". "Es ist richtig, Forderungen an Regierungen zu stellen, aber verschiedene Wirtschaftsbranchen dürfen dabei nicht vergessen werden." Auch sie stünden in der Verantwortung. "Walk Free" spare das Thema aber weitgehend aus.

"Sklaverei soll so selten wie Kannibalismus werden"

Noch, meint Hauptautor Kevin Bales. Der Mann, der die ILO wegen ihrer Struktur einfach für zu träge hält, um damit schnelle Erfolge im Kampf gegen die Sklaverei zu erzielen, deutet weitere Berichte seiner Organisation an. "Ich glaube, es könnte bald einen weiteren Index geben, der sich direkt an Unternehmen wendet", so Bales. Der "Global Slavery Index" in seiner jetzigen Form soll jedes Jahr erneut herausgegeben und laufend konkretisiert werden.

Sklavenähnliche Zustände auf einer Fußball-WM-Baustelle in DohaBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Das erklärte Ziel: Die Zahl der versklavten Menschen von rund 30 Millionen auf wenige tausend reduzieren, und das so schnell wie möglich, vielleicht schon in 30 Jahren, wie Bales hofft. "Sklaverei soll so selten werden wie Kannibalismus. Etwas, das so selten ist, dass es immer ein großer Schock ist, wenn ein Einzelfall bekannt wird."

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