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PolitikUkraine

Kampfjet-Koalition für Kiew wächst

17. Mai 2023

Beim Gipfel des Europarates in Island kündigen die Niederlande und Großbritannien eine Initiative für Kampfjets an. Ist Deutschland bald dabei? Das Thema prägt auch den kommenden G7-Gipfel in Japan. Von Bernd Riegert.

Zwei polnische F-16 Kampfjets vor blauem Himmel
Polnische F-16 in der Nähe der Luftwaffenbasis Malbork: Bald auf dem Weg in Ukraine?Bild: Lukasz Glowala/File Photo/REUTERS

Die Strategie des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj scheint aufzugehen. Nach seiner jüngsten Rundreise durch Westeuropa mit den Stationen Italien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist der Präsident in seinem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor der Lieferung von westlichen Kampfflugzeugen ein gutes Stück näher gerückt.

Wolodymyr Selenskyj sprach nach seinem Besuch auf dem Landsitz des britischen Premierminister Rishi Sunak von einer "Jet-Koalition", die sich nun forme. "Ich bin sehr positiv gestimmt. Sie werden in Kürze wichtige Entscheidungen dazu hören, aber wir müssen noch ein bisschen daran arbeiten", hatte Präsident Selenskyj am Montag in London gesagt.

Wolodymyr Selenskyj (re.) in den Armen von Rishi Sunak in Aylesbury, UK: "Ich bin positiv gestimmt"Bild: Rishi Sunak via Twitter/Handout via REUTERS

In seinen Gesprächen mit Präsidenten und Regierungschefinnen und auch bei seinen öffentlichen Auftritten in Rom, Berlin, Paris und London hatte der ukrainische Staatschefs immer wieder - wie schon seit vielen Monaten - klar gemacht, dass sein Land dringend moderne Kampfflugzeuge brauche, um russische mit Raketen bewaffnete Jets abwehren zu können.

"Koalition formen"

Am Montag hatten dann der britische Premierminister Rishi Sunak und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Rande des Gipfeltreffens des Europarates im isländischen Reykjavik förmlich erklärt, sie wollten eine internationale Koalition für die Lieferung von Kampfjets formen. Der belgische Premier Alexander de Croo erklärte ebenfalls seine Bereitschaft mitzuwirken.

Marc Rutte (li.) und Rishi Sunak gründen in Reykjavik Koalition für Ausrüstung der Ukraine mit KampfjetsBild: Alastair Grant/AP/picture alliance

Die drei Länder wollen zunächst nicht selbst Kampfflugzeuge liefern, sondern ukrainische Piloten an F-16 Flugzeugen aus amerikanischer Produktion trainieren. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich entsprechend in einem Fernsehinterview nach der Abreise seines "Freundes Wolodymyr" geäußert. Die niederländische und die polnische Regierung hatten bereits ihre grundsätzliche Bereitschaft geäußert, einige F-16 Jets bereitzustellen, falls andere Länder mitmachten. "Es gibt keine Tabus", so der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra.

Kiew hofft auf eine große F-16 Flotte

Die Ukraine drängt auf die Bereitstellung von F-16 Kampfjets, weil diese relativ weit verbreitet sind und verfügbar sein könnten. Davon sind nach Angaben des Herstellers Lockheed Martin derzeit rund 3000 Exemplare in rund 25 Ländern im Dienst. Die Ukraine würde davon gerne 40 bis 50 für ihre Luftwaffe einsetzen, rechneten Berater des ukrainischen Präsidenten in London vor.

In Europa setzen neben den erwähnten Niederlanden und Polen auch Belgien, Portugal, Norwegen, die Türkei und Dänemark F-16 ein. Die größten F-16 Flotten betreiben weltweit die USA und Israel.

Militärische Unterstützung von Joe Biden (li.) für Wolodymyr Selenskyj ja, aber (noch) keine Jets. Beim Besuch Bidens in Kiew im Februar 2023Bild: Evan Vucci/AP Photo/picture alliance

Länder, die F-16 an die Ukraine abgeben, könnten als Ersatz eventuell modernere F-35 Kampfjets aus US-Produktion erhalten. Polen hatte diesen Plan schon im letzten Jahr angekündigt, war aber von der US-Administration zurückgepfiffen worden. US-Präsident Joe Biden lehnt die Ausrüstung der ukrainischen Luftwaffe mit westlichen Kampfflugzeugen ab. Daran habe sich auch nach der Formierung der europäischen Kampfjet-Initiative nichts geändert, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstag.

USA zögern beim Thema Kampfjets

Erst wenn der US-Präsident mitzöge, könnten F-16 Lieferungen für die Ukraine tatsächlich stattfinden. Der Demokrat Joe Biden wird dazu von republikanischen Senatoren nachdrücklich aufgefordert. Beim Gipfel der sieben westlichen Industriestaaten (G7) von Freitag bis Sonntag in Japan wird das Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird als Gast per Video zugeschaltet. Er hatte wohl nicht ohne Absicht die vier europäischen G7-Staaten (Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien) vor dem Gipfel besucht. Die übrigen sind die USA, Kanada und Gastgeber Japan. Selenskyj wird noch einmal vehement für sein Anliegen werben.

Olaf Scholz: "Deutschland ist nicht gefragt"

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte beim Europarats-Gipfel in Reykjavik, es gebe keine entsprechenden Anforderungen an die deutsche Regierung. Deutschland verfügt nicht über eigene F-16 Jets.

"Die Frage ist nicht so aktuell, wie sie gestellt wird," sagte Olaf Scholz auf die Frage, ob sich Deutschland an der "Jet-Koalition" beteiligen werde. Er werde sich auf die Lieferung von Luftabwehrsystemen, Panzern und Munition sowie die dazu gehörende Ausbildung konzentrieren.

Panzer und Flugabwehr ja, Flugzeuge nein: Scholz (Mi.) mit Besucher Selenskyj sieht keinen HandlungsbedarfBild: The Presidential Office of Ukraine/SvenSimon/picture alliance

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sieht Deutschland bei der Lieferung von Kampfjets nicht am Zuge, da man solche Flugzeuge gar nicht in der Luftwaffe habe.

"Ich werde in dieser Woche bei meinen internationalen Verpflichtungen mehr machen. Wir sind erpicht darauf, die Koalition zu formen, die Wolodymyr und seinem Volk die Unterstützung ermöglicht, die sie brauchen", sagte der britische Premier Rishi Sunak mit Blick auf den G7-Gipfel.

Geht die Salami-Taktik der Ukraine auf?

Sollte dort kein Durchbruch zu erzielen sein, wolle die Ukraine den NATO-Gipfel im Juli nutzen, um für die "Jet-Koalition" zu werben, kündigten Berater des ukrainischen Präsidenten an.

Mit der Methode 'Steter Tropfen höhlt den Stein' habe man schließlich auch schon Waffenlieferungen, Panzerlieferungen, und Munitionslieferungen möglich gemacht, die zunächst von den westlichen Verbündeten zögerlich oder ablehnend behandelt wurden.

"Jedermann versteht, dass man das Thema jetzt besprechen muss. Niemand sagt, es sei unmöglich", meinte Jurii Sak, ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers gegenüber dem Online-Portal "Politico" in Großbritannien. "Vor drei Monaten haben wir noch um Panzer gerungen, heute reden alle über die Kampfjet-Koalition. Das ist ein sehr gutes Zeichen."

Nächster Stopp für Jet-Diskussion: G7- Gipfel vom 19. bis 21. Mai in Japan (Archiv)Bild: Wolfgang Rattay/AFP/Getty Images

Die ukrainische Luftwaffe verfügte bei Beginn des russischen Angriffs über 70 Kampfjets aus sowjetischen Zeiten. Polen und die Slowakei sagten vor wenigen Wochen zu, wenigstens 18 alte MiG Flugzeuge aus ihren Beständen an die Ukraine zu liefern.

Die polnischen MiGs stammen aus der Erbmasse der untergegangenen DDR. Die deutsche  Bundesregierung hatte den geplanten Export von Polen in die Ukraine zügig genehmigt. Die MiGs sind moderneren russischen Flugzeugen allerdings nicht ebenbürtig, heißt es von Militärexperten. Sie können aber von ukrainischen Piloten sofort bedient werden. Die Ausbildung eines Piloten an der viel komplexeren F-16 kann einige Monate dauern.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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