Kanarische Inseln: Urlaubsstimmung trotz Pandemie?
23. April 2021Wochenlang habe ich nicht daran geglaubt, dass mein geplanter Trip zu den Kanarischen Inseln an der nordwestlichen Küste Afrikas überhaupt möglich wäre. Urlaub schien undenkbar im letzten halben Jahr in Berlin, wo sich mein Bewegungsradius auf Supermarkt-Besuche und ewig lange Spaziergänge beschränkte.
Als ich meine Reise startete, mussten Europäer nur einen negativen PCR-Test vorweisen, um nach Spanien zu kommen. Andere Länder in Europa wie Griechenland oder Italien, die bei sonnenhungrigen Urlaubern beliebt sind, forderten hingegen eine mehrtägige Quarantäne. Ein starkes Argument bei meiner Wahl des Reiseziels.
Mit unserem negativen PCR-Testergebnissen und voller Erleichterung, dass wir wirklich fliegen konnten, bin ich mit meiner besten Freundin zum BER Flughafen gefahren - und zwar am Osterwochenende, an dem normalerweise eigentlich alles völlig überlaufen ist. In diesem Jahr aber herrschte gähnende Leere an den Gates.
Die Kanaren werden vom Robert-Koch-Institut zwar als Corona-Risikogebiet eingestuft, sind aber mit einem Inzidenzwert von durchschnittlich 64 von der Pandemie weniger stark betroffen als Deutschland. La Gomera gilt aktuell als coronafrei, La Palma weist eine Inzidenz von zehn auf.
Vor der Pandemie gehörten die Kanarischen Inseln zu den beliebtesten Reisezielen in Europa. Die Anzahl der Touristen aber ist laut jüngster Statistik des Kanarischen Fremdenverkehrsamtes im Jahr 2021 um 91 Prozent zurückgegangen. Für die Region ist das besonders hart, da die Einnahmen aus dem Tourismus mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmachen, genau wie auf den Balearen.
Dass sich viel weniger Touristen als sonst zu Ostern auf den Weg auf die Kanaren machten, war auf unserem Flug nicht zu merken. Easyjet quetschte uns alle hinein. So richtig wohl habe ich mich angesichts der langen Toilettenschlange, die sich neben mir bildete, nicht gefühlt. Verstärkt wurde dieses Gefühl durch Kinder, die den Gang auf und ab liefen und mit ihrem Lachen ihre Speicheltropfen in der Luft verteilten. Vollends unsicher fühlte ich mich, als ich ein mitgebrachtes Stück Pizza aß - die Fluggesellschaft serviert aus Hygienegründen keine Speisen und Getränke mehr, aber die Passagiere können ihre eigenen Mahlzeiten verzehren. Ich habe während des Flugs immer wieder meine Hände desinfiziert.
Wer trotz Pandemie reist, muss spontan sein
Es überrascht vielleicht nicht, dass Reisen während einer Pandemie nichts für Langzeitplanende ist. So machte es auch für uns wenig Sinn, unsere Unterkunft oder ein Auto mehr als ein paar Tage im Voraus zu buchen: Es hätte keine Rückerstattung gegeben, wenn unsere Flüge storniert oder plötzlich neue Reisebeschränkungen beschlossen worden wären. Denn nicht alle Unternehmen haben ihre Stornierungsbedingungen an die neuen Umstände angepasst. Und trotzdem: Wir haben es nach Fuerteventura geschafft - einer 100 Kilometer von der Nordküste Afrikas entfernten Insel, die für ihre Strände bekannt und bei Surfern und anderen Wassersportlern aus ganz Europa beliebt ist.
Nachdem wir kurz in der Schlange gestanden und unser digitales Anmeldeformular gezeigt hatten, holten wir unseren Mietwagen ab. Das Lenkrad war mehrfach in Plastikfolie eingewickelt, um sicherzustellen, dass es virenfrei war.
Es fühlte sich surreal an, plötzlich neben dem azurblauen Wasser mit seinen bunten Fischen zu stehen. Mein erster Eindruck von der Küstenstadt Corralejo war, dass wir in einer fast COVID-freien Welt angekommen waren. Aber leider stimmte das nicht ganz: Während unseres Aufenthaltes gab es 189 aktive Fälle auf der Insel Fuerteventura. Und natürlich waren Desinfektionsmittel und FFP2-Masken allgegenwärtig. In Spanien muss man auch im Freien eine Maske tragen und diese Regel wurde fast überall, wo wir waren, auch beachtet.
Ein ungewöhnlich frühes Abendessen in Spanien
Jede Insel hat ihre eigenen Corona-Vorgaben, die der jeweiligen "Alarmstufe" entsprechen. Es wird von 1 bis 5 unterschieden - wobei 5 die höchste Alarmstufe ist. Fuerteventura war gerade auf Stufe 3 hochgestuft worden, als wir ankamen. Das bedeutete, dass die Außenbereiche von Bars und Restaurants nur noch bis 22 Uhr geöffnet waren - bei Stufe 2, in der sich die Insel mittlerweile wieder befindet, beginnt die Ausgangssperre erst um 23 Uhr.
Während viele Geschäfte und Restaurants, an denen wir auf der Fahrt durch die kleineren Dörfer der Insel vorbeikamen, geschlossen waren, erwachte die Stadt Corralejo am Abend zum Leben und die Bars und Restaurants füllten sich mit jungen Menschen aus ganz Europa. Nach Monaten der Kontaktbeschränkung war es aufregend und zugleich auch nervenaufreibend wieder unter Menschen zu sein und ein Getränk an einer Bar zu bestellen, da in Berlin seit November Bars und Restaurants nur noch Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten dürfen. Es fühlt sich fast wie in "alten Zeiten" an, dachte ich - bis eine Kellnerin zu uns kam und uns schneller Desinfektionsmittel in die Hände sprühte, als wir "Hola" sagen konnten.
Gegen 21.30 Uhr leerten sich die Restaurants. Für meine spanische Freundin ein ungewohntes Bild, wie die Leute sich beeilten, um nach Hause zu kommen zu einer Zeit, zu der sich Spanier normalerweise erst zum Abendessen hinsetzen.
Die "schlimmste Osterwoche der letzten Jahre"
Auch wenn das Reisen ohne Menschenmassen ein Traum für Touristen sein kann, ist es für viele, die in der Tourismusbranche arbeiten, ein Alptraum. Die Arbeitslosigkeit auf den Kanarischen Inseln stieg bis Ende 2020 auf 25 Prozent und ist damit die höchste in Spanien. Etwa 40 Prozent der Kanaren arbeiten im Tourismussektor, viele aber wurden entlassen oder mussten sich auf die geringe Unterstützung der Regierung verlassen.
"Es ist die schlimmste Osterwoche der letzten Jahre", erzählte mir Tom Smulders, Präsident des Verbandes der Beherbergungsbetriebe von Las Palmas auf Gran Canaria. Nur 30 Prozent der Hotels auf der Insel sind geöffnet und waren während der eigentlichen Hochsaison nur zu 50 Prozent ausgelastet.
Die Inseln aber haben einen Weg gefunden, ihren Hotels zu helfen, die Pandemie zu überleben. So gelang es einigen Ende 2020, ihr Personal weiterzubeschäftigen, indem sie Migranten aufnahmen, die illegal übers Meer aus Afrika gekommen waren und die von den Behörden zunächst in Zeltlagern untergebracht wurden. Für ihre Unterstützung erhielten die Hoteliers Geld von der Regierung.
Andere Angestellte wie Kitti Kovacs, die seit über drei Jahren auf Fuerteventura arbeitet, haben in der Pandemie den Job gewechselt. Sie verkauft jetzt für einen Reiseveranstalter Bootsfahrten zur Insel Lobos, einem beliebten Tagesausflugsziel von Corralejo aus. Zuvor war sie Rezeptionistin in einem Hotel, aber bei den unvorhersehbaren Hotelschließungen bot der Verkauf von Tickets mehr Sicherheit, da auch Einheimische die Tour häufig machen.
Kitti Kovacs beobachtet aber eine positive Entwicklung. "Die digitalen Nomaden retten uns." Auch die kanarische Regierung hofft, dass diese Langzeit-Gäste die Verluste im Tourismus ausgleichen werden. Auf Fuerteventura wurden bereits Co-Working-Spaces eröffnet und einige Hotels haben begonnen, stark vergünstigte Preise für lange Aufenthalte anzubieten.
Pandemie-sicher wandern und ein gruseliger Touristen-Spot
Um unsere nächste Insel, La Palma, zu besuchen, mussten wir einen weiteren Antigen- oder PCR-Test machen. Zum Glück war es relativ einfach, diesen am Flughafen zu bekommen. In den nächsten Tagen wanderten wir auf fast leeren Trekkingrouten durch Vulkanlandschaften und Wälder. Im charmanten Städtchen El Remo am Strand aßen wir in einem der typischen Fischlokale. Unser Kellner reinigte Stühle und Tische gründlich und besprühte sie mit Desinfektionsmittel. Dieses hohe Maß an Sorgfalt und Achtsamkeit bezüglich der Hygiene fiel mir auf unserer gesamten Reise positiv auf.
Unsere letzte Station war die Insel Gran Canaria. Die sonst bei Pauschaltouristen so beliebten Orte im Süden, Playa del Inglés und Maspalomas, wirkten ohne die Menschenmassen geradezu unheimlich - wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Restaurants und Cafés, die mit Tiefstpreisen für Cocktails warben, waren fast - wenn nicht ganz - leer.
Am Flughafen machte ich wieder einen Antigen-Test und war erleichtert, dass er negativ war - nicht nur, weil ich gut und gern auf das Virus verzichten kann, sondern auch, weil mich 14 Tage Quarantäne viel Geld gekostet hätten.
Wir kehrten also erfrischt und entspannt nach Berlin zurück, das glücklicherweise nicht grau, sondern sonnig war. Die fünf Tage Quarantäne danach habe ich genutzt, die Reise Revue passieren zu lassen. Ich habe sie nicht bereut: Trotz der vielen Corona-Maßnahmen konnte ich mich erholen und meine Urlaubsreise genießen.
Anmerkung: Das Auswärtige Amträt weiterhin von nicht "notwendigen touristischen Reisen" auf die Kanarischen Inseln ab. Wer mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland fliegt, muss vor Reiseantritt ein negatives Covid-19 Testergebnis vorweisen und sich danach in häusliche Quarantäne begeben.