1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kandel - Kulisse der Rechtspopulisten

3. März 2018

Eine Stadt im Belagerungszustand: Nach der Ermordung einer 15-Jährigen im Dezember 2017 marschieren in Kandel regelmäßig Rechtspopulisten auf. Immer wieder kommt es zu Gewalt. Aus Kandel berichtet Astrid Prange.

Deutschland | Wir-sind-Kandel-Demo
Relativ schwach besucht: die Kundgebung "Wir sind Kandel"Bild: DW/A. Prange

Wird der Mord an einer 15-jährigen Schülerin aus Kandel politisch missbraucht? In der rheinland-pfälzischen Stadt treffen rechte und linke Demonstranten aufeinander und spalten den Ort. Die Bevölkerung schaut zu.

Das Mädchen war am 27. Dezember 2017 in einem Drogeriemarkt von einem jungen Flüchtling, ihrem Ex-Freund, niedergestochen worden. Seitdem kommt der Ort nicht zur Ruhe. Bürgermeister Volker Poß (SPD) wird mit Hass-Mails eingeschüchtert, Flüchtlingshelfer sind Anfeindungen ausgesetzt. Und Mitarbeiter der Stadtverwaltung werden verbal angegriffen. Für Anhänger der AfD ist Kandel zu einem Symbol verfehlter Flüchtlingspolitik avanciert.

Der Gastredner passt nicht 

Kandel an diesem 3. März: Vier verschiedene Demonstrationen an vier verschiedenen Orten gibt es hier, und ein massives Polizeiaufgebot. Auf der Demo "Kandel ist überall" heizt ausgerechnet der deutsch-libanesische Fernsehjournalist Imad Karim den Hass auf Muslime an.

"Deutschland ist meine Heimat der Werte", sagt er. "Meine Kinder mit Namen Karim gehören zu Deutschland, einem Land, in dem Frauen frei sind." Applaus braust auf unter den rund 2000 Teilnehmern. Imad Karim ist sich mit seinem Publikum einig: Der Islam passt nicht zu Deutschland.

Gemeint ist nicht nur der Islam, gemeint sind alle Menschen, die dieser Religion anhängen, insbesondere Flüchtlinge. "Wir Mütter haben keine Kinder bekommen, um sie von Merkels Gästen schänden zu lassen", sagt die Rechtsaußen-Politikerin Claudia Ludwig. Sie gehört der "Unabhängigen Bürger-Partei" (UBP) an und ist aus Recklinghausen angereist.

Die Bürger von Kandel selbst schwanken zwischen Schockstarre, Empörung und Angst. Die meisten Rollläden und Fenster sind verschlossen, genauso wie die Weinlokale. Immer wieder hallen an diesem Samstag Sprechchöre wie "Merkel muss weg", "Wir sind das Volk" und "Widerstand, Widerstand" durch den Ort.

Über Fremdenhass erhaben?

"Ich habe immer gedacht, wir wären über Fremdenhass erhaben", sagen zwei Bewohnerinnen des Ortes, die ihren Namen nicht nennen möchte. "Aber anscheinend ist dies nicht der Fall." Die beiden Frauen, die an der Demonstration "Wir sind Kandel" teilgenommen haben, sind enttäuscht, dass so wenige Kandeler Bürger zu der Kundgebung gekommen waren.

Viele wollen keine Rechtsextreme in ihrem OrtBild: DW/E. Schumacher

Die beiden älteren Damen wünschen sich nichts sehnlicheres, als dass Ruhe einkehrt. Die meisten Demonstranten seien nicht aus Kandel, sondern kämen von außen, sagen sie. Die AfD habe Unterstützer aus ganz Deutschland mobilisiert. Eine Behauptung, die angesichts des häufig vernommenen sächsischen Akzents nicht ganz unwahrscheinlich scheint.

Die Angst der Einheimischen ist nicht unbegründet. Auch ein Künstlerehepaar bekam die Gewaltbereitschaft einiger Demonstrationsteilnehmer zu spüren. Ihre vor dem Atelier aufgestellten Plakate "Zu kurz gekommene, verpisst Euch" wurden zerstört, ihr Hauseingang gestürmt und ihre Fensterscheiben mit Bierflaschen beworfen. Nur das Eingreifen der Polizei verhinderte Schlimmeres.

Die politische Spaltung der Stadt sorgt für Beklommenheit und Misstrauen untereinander. Während bei der schwach besuchten Bürgerversammlung "Wir sind Kandel" lokale Politiker auftreten, ist bei der Antifa-Demo, die später stattfindet, keine politische Prominenz anzutreffen. Niemand will zusammen mit der Antifa auftreten.

Heimliche Unterstützer

Demonstrantin Christine Heil, die an der Antifa-Aktion teilnimmt, bedauert das. "Wir dürfen nicht dem rechten politischen Spektrum, das Angst vor Ausländern schürt, die Öffentlichkeit überlassen", sagt sie. Und dann fügt sie enttäuscht hinzu: "Den meistern Einwohnern von Kandel ist es egal, was passiert. Und es gibt auch viele heimliche Unterstützer der AfD."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen