Die Blaue-Reiter-Maler Wassily Kandinsky und Gabriele Münter waren auch ein Paar. Ihre Liebe begann mit dem Reisen - wie eine Ausstellung in München zeigt.
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Kandinsky und Münter: Unter freiem Himmel
Malend eroberten sie sich idyllische Landschaften und städtische Panoramen. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter fanden ihre Motive unter freiem Himmel.
Bild: Wassily Kandinsky, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
Gabriele Münter, Baumblüte in Lana (1908)
Sanft in der Farbwahl, ausdrucksstark in der Bewegung - so hielt die Malerin Gabriele Münter diese Frühlingslandschaft in der Gegend von Meran im italienischen Südtirol mit dem Pinsel fest. Auf ihren Reisen kamen sich Münter und ihr Lehrer Wassily Kandinsky menschlich wie künstlerisch näher. Das zeigt die Ausstellung "Unter freiem Himmel" im Lenbachhaus in München.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Wassily Kandinsky, Segelboot auf dem Meer (um 1902)
Ein einsames Segelboot verliert sich in der Weite des Meeres. Wassily Kandinsky machte es zum Teil eines Farbexperiments: Er presste die aus den Tuben gedrückten Ölfarben mit Spachtel oder Palettenmesser auf den Malgrund, so dass sich an den Rändern kleine Farbgebirge auftürmten. Das Motiv geriet zur Nebensache: Kandinsky ging es mehr um den visuellen Effekt des Bildes, um den Klang der Farbe.
Bild: Gabriele Münter Stiftung 1957
Gabriele Münter, Kandinsky beim Landschaftsmalen (1903)
Der Maler Kandinsky sitzt im Gras, die zusammenklappbare Staffelei auf den Knien. Als Gabriele Münter im Sommer 1903 wieder am Malkurs ihres Lehrers in bayerischen Kallmünz bei Regensburg teilnahm, waren die beiden schon ein Paar. Kennen und lieben gelernt hatten sie sich ein Jahr zuvor in Kochel. Auch jetzt zogen sie oft zu zweit los - mit Fahrrad und leichtem Malgepäck ins Grüne. Und malten.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Wassily Kandinsky, Kallmünz - Gabriele Münter beim Malen I (1903)
Häufig fotografierten und malten sich die Künstler gegenseitig. Kandinsky und Münter tauschten Briefe, Werke und Fotografien aus, und näherten sich dabei künstlerisch wie privat an. Während des zweiten Mal-Sommers der Klasse Kandinsky in Kallmünz 1903 kamen sie dann zusammen. Da Kandinsky noch verheiratet war, traten sie anfangs in Gesellschaft ungern als Paar auf.
Schneebedeckte Wiesen vor Häusern - im winterlichen Schwabing des Jahres 1902 entstand diese Bild Wassily Kandinskys. Da nannte er seine Malereien noch "Kleine Ölstudien", in denen er die graue Schattierung des Schnees ebenso erkundete wie das Dunkelbraun-Schwarz von Bäumen oder das Ockergelb-Grün der Häuserfronten. Dabei ging es ihm, wie er notierte, um die "klingende Atmosphäre der Farben".
Bild: Gabriele Münter Stiftung 1957
Wassily Kandinsky, Bleistiftstudie des Hafens in Amsterdam (1904)
Nach dem zweiten gemeinsamen Malsommer begann das Paar zu reisen. Wandernd mit Zug, Kutsche oder Einspänner erkundeten sie Orte in Europa und Afrika. Im Frühsommer 1904 führte ihre Reise sie auch in die Niederlande. Dort entstand diese Bleistiftstudie Kandinskys vom Amsterdamer Hafen, festgehalten in einem kleinen, reisetauglichen Skizzenbüchlein.
Bild: Lenbachhaus, Ernst Jank
Wassily Kandinsky, Rapallo - Meereslandschaft mit Dampfer (1906)
"Bei einigermaßen anständigem Wetter malte ich jeden Tag ein oder zwei Studien", notierte Wassily Kandinsky über seine intensive Arbeitsphase vor 1906. Dabei entstand im norditalienischen Ligurien diese "Meereslandschaft mit Dampfer" - eine expressive Farborgie in Grün- und Blautönen.
Bild: Ankauf des Förderverein Lenbachhaus e.V. 2019
Wassily Kandinsky, Münter mit Fahrrad auf einem Feldweg (Foto: Sommer 1903)
Gabriele Münter schiebt Ihr Fahrrad über einen schmalen Wiesenpfad bei Kallmünz. Dabei trägt sie - für Frauen jener Zeit ungewöhnlich - einen weit geschnittenen Hosenrock, eine sogenannte "Radbux". Münter und Kandinsky malten und fotografierten bei ihren Ausflügen an der frischen Luft. So heißt auch die Ausstellung im Lenbachhaus: "Unter freiem Himmel", zu sehen bis 6. Juni 2021.
Bild: Wassily Kandinsky, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
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Auf den Fersen des frischverliebten Maler-Paars, das zwischen 1904 und 1908 insgesamt 18 Monate gemeinsam verreiste."Unter freiem Himmel. Unterwegs mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter" heißt die Schau im Lenbachhaus. In ihren frühen gemeinsamen Jahren durchstreiften die beiden Landschaften und fertigten dabei Zeichnungen und kleine Ölstudien an. Oder, wie Münter vor allem, mitunter auch malerisch komponierte Fotografien. "Das schöne an diesen Arbeiten ist", sagt Kuratorin Sarah Louisa Henn vom Lenbachhaus, "dass wir damit verschiedene Perspektiven auf die gleichen Motive bekommen."
Es war die Zeit, als sie sich als Paar noch nicht in Gesellschaft zu zeigen wagten. Wassily Kandinsky war noch verheiratet. Aber sie unternahmen gemeinsam Ausflüge in die bayerische Provinz oder brachen zu künstlerischen Reisen auf, die sie nach Amsterdam, Marseille, Tunis, Brüssel, Mailand, Rapallo, Paris und Bozen führten. Sie malten, nicht selten am gleichen Ort, sehr unterschiedlich. Entsprechend vielfältig sind die Motive.
Prägend für den Blauen Reiter
Kennengelernt hatten sich die beiden im Jahr 1902 - ebenfalls unter freiem Himmel. Die junge Malerin nahm an Kandinskys Sommer-Malkurs in Kochel teil. Ausgestattet mit Kamera, Paletten, kleinen Malpappen, zusammengefalteter Staffelei und verschließbaren Farbtuben ging es per Fahrrad durch die Landschaften des bayrischen Voralpenlandes.
Dabei entstanden Landschaftsbilder und Fotografien. Und es begann die künstlerische Annäherung zweier Maler, die später für die Expressionisten der Künstlergruppe des Blauen Reiters so prägend wurden.
Kandinsky und Münter näherten sich demselben Motiv, nutzten verschiedene Techniken und verwendeten unterwegs entstandene Fotografien oft als Vorlage für Zeichnungen, Holzschnitte und Gemälde. Und sie diskutierten leidenschaftlich über ihre künstlerische Weiterentwicklung.
Dank einer Schenkung Gabriele Münters besitzt die Städtische Galerie im Lenbachhaus die bedeutendste Sammlung von Werken des Blauen Reiters. Bei ihrer aktuellen Schau kann das Museum aus dem Vollen schöpfen. Die Ausstellung "Unter freiem Himmel, unterwegs mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter" ist noch bis 6. Juni 2021 zu sehen.