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HandelIndien

Kann Indien auf russisches Öl verzichten?

Murali Krishnan in Neu-Delhi
29. Oktober 2025

60 Prozent der indischen Rohölimporte kommen aus Russland. Nach den neuen US-Sanktionen gegen russische Ölkonzerne steht Indien unter Druck. Wird das Land seine Energiestrategie überdenken?

Indien Guwahati 2023 | Raffinerie der Indian Oil Corporation nach Rosneft-Deal
Der Kauf von russischem Rohöl dürfte für Indien durch die neuen US-Sanktionen komplizierter werden.Bild: Biju Boro/AFP

Indische Ölraffinerien sowie Banken und Reedereien, die Geschäfte mit den sanktionierten russischen Unternehmen abwickeln, müssen mit Sekundärsanktionen rechnen, falls sie ihre Transaktionen nicht bis zum 21. November einstellen.

Die neue Sanktionen von US-Präsident Donald Trump gegen die russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft setzen Indien unter Druck, seine Energiestrategie zu überdenken.

Die Trump-Regierung hatte im August angekündigt, aufgrund der fortgesetzten Ölkäufe Neu-Delhis in Russland einen 50-prozentigen Zoll auf ausgewählte indische Exporte in die USA zu erheben. Im September dieses Jahres kaufte Indien laut Daten des globalen Handelsanalyseunternehmens Kpler täglich rund 1,6 Millionen Barrel russisches Rohöl.

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Meera Shankar, ehemalige indische Botschafterin in den USA, erklärte gegenüber der DW, es sei bemerkenswert, dass die US-Sanktionen nicht gegen russisches Öl im Allgemeinen, sondern direkt gegen zwei große russische Energiekonzerne verhängt wurden.

"Ein vollständiger Ausschluss russischen Öls vom Weltmarkt würde die Energiepreise in die Höhe treiben, was weder in den USA noch in Europa politisch oder wirtschaftlich akzeptabel wäre", sagte sie.

"Der Großteil des russischen Öls wird von privaten Unternehmen in Indien importiert, die ihre Entscheidung auf Grundlage einer Nutzen-Risiko-Abwägung treffen werden. Die indische Regierung hat im Rahmen ihrer Bemühungen um eine Diversifizierung der Energiequellen angeboten, die Energiekäufe aus den USA zu erhöhen."

Reliance Industries, derzeit Indiens größter Importeur von russischem Rohöl und größter Exporteur von raffinierten Erdölprodukten, hat offenbar signalisiert, die Käufe von Rosneft herauszunehmen. Das gaben vergangene Woche mehrere anonymen Quellen aus der Raffineriebranche an, die mit der Nachrichtenagentur Reuters sprachen.

Ein Sprecher von Reliance erklärte offiziell, die Raffinerie prüfe die Auswirkungen der jüngsten westlichen Beschränkungen für russisches Öl und werde ihre Betriebsabläufe anpassen, um die Anforderungen der geltenden Sanktionen und regulatorischen Rahmenbedingungen zu erfüllen.

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Dies schließt die Einhaltung der neuen EU-Richtlinien zur Beschränkung der Einfuhr von raffinierten Erdölprodukten aus Russland ein. Reliance fügte hinzu, man werde alle Vorgaben der indischen Regierung uneingeschränkt befolgen.

Trump erhöht den Druck

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 begann Indien, russisches Rohöl mit einem hohen Preisnachlass zu kaufen. Russland ist für Indien nun der größte Lieferant von Rohöl. Vor dem Ukraine-Krieg deckte Indien seinen Ölbedarf vor allem aus dem Nahen Osten ab.

Die günstigen russischen Ölimporte ermöglichten Indien Milliardeneinsparungen, obwohl der Preis für russisches Rohöl in der Folge gestiegen ist. Obwohl Indien für die Unterstützung des russischen Krieges kritisiert wurde, wurden die Importe russischen Rohöls vom Westen implizit als stabilisierender Faktor für die globalen Ölpreise befürwortet. Die Trump-Regierung erhöht nun den Druck auf Russland.

Das US-Finanzministerium erklärte, der Schritt ziele darauf ab, "die Fähigkeit des Kremls zu schwächen, Einnahmen für seine Kriegsmaschinerie zu generieren". Indien muss nun entscheiden, ob russisches Öl das Risiko von Sekundärsanktionen und das Scheitern eines potenziellen Handelsabkommens mit den USA wert ist.

"Indien hat keine andere Wahl, als den US-Sanktionen nachzugeben, da die Gefahr besteht, dass unsere Banken und Unternehmen im Energiesektor mit Sekundärsanktionen belegt werden", sagte Arun Kumar, ehemaliger Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Delhi, gegenüber der DW und fügte hinzu, dass Indien in der Vergangenheit den US-Forderungen nachgekommen sei, auf iranische und venezolanische Ölimporte zu verzichten.

Wo liegen Indiens alternative Bezugsquellen?

Lekha Chakraborty, Professorin und Leiterin des National Institute of Public Finance and Policy in Delhi, erklärte gegenüber der DW, dass indische Raffinerien wie Reliance bereits umstrukturieren und verstärkt Öl aus dem Nahen Osten importieren, um die wegfallenden russischen Rohöllieferungen zu kompensieren.

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"Wir beobachten bereits einen deutlichen Anstieg der Käufe von irakischem Basra-Rohöl mittlerer Qualität, das mittlerweile fast 20 Prozent der indischen Ölimporte ausmacht - neben den 22 Prozent aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten", fügte sie hinzu.

"Diese strategische Neuausrichtung wird die Versorgung sichern, hat aber ihren Preis: Höhere Kraftstoffpreise könnten Indiens angestrebtem Wachstum von 7 Prozent einen Dämpfer versetzen. Die Gewinnmargen in der Fertigung und im Transportwesen werden sinken", sagte sie.

"Indiens Wirtschaftswachstum dürfte eher kurzfristig gebremst werden, da sich die globalen Herausforderungen verschärfen. Der Wegfall der günstigeren russischen Importe ist zwar nicht optimal für das Wachstum, aber diese Störungen sind vorübergehend, und Indien ist gut aufgestellt, um sich schnell anzupassen", sagte sie.

Chakraborty betonte, dass Indien mit Devisenreserven in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar (602 Milliarden Euro), einem sich rasch diversifizierenden Handelsportfolio und aktiven Gesprächen über den Abschluss eines Handelsabkommens mit Washington weiterhin über eine beachtliche wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit verfüge.

"Durch die rasche Neuausrichtung des Ölhandels, das Verhandeln über gegenseitige Zölle und die Vertiefung regionaler Partnerschaften minimiert Indien das Risiko einer geopolitischen Isolation und beweist seine Fähigkeit, Krisen zu überstehen - selbst in Zeiten, in denen globale Allianzen auf die Probe gestellt werden", fügte sie hinzu.

Indiens strategische Autonomie

Ajay Bisaria, ehemaliger indischer Diplomat und heutiger Unternehmensberater für Geopolitik, erklärte gegenüber der DW, Indien verfolge in seiner Energiepolitik eine langfristige Strategie und wolle sich größtmögliche Flexibilität bewahren.

"Indiens Energieansatz basiert auf strategischer Autonomie und zielt stets darauf ab, seinen Verbrauchern das günstigste Öl zu sichern", sagte er.

"Idealerweise wünscht sich Indien einen globalen Markt, auf dem Energiequellen austauschbar sind. Geopolitische Realitäten und unvorhersehbare Kurswechsel in der US-Politik erschweren dies jedoch erheblich", so Bisaria weiter.

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"Indien schließt den Kauf von russischem Öl mittelfristig nicht aus, doch die neuen US-Sanktionen stellen indische Unternehmen in diesem Sektor vor große Herausforderungen. Dennoch vermeidet die Regierung es, Unternehmen explizit zum Stopp russischer Importe zu verpflichten, um sowohl Flexibilität als auch Verhandlungsmacht zu wahren", fügte er hinzu.

Angesichts der laufenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen Indien und den USA verschafft der Stopp russischer Ölimporte diplomatischen Spielraum und ermöglicht es Indien gleichzeitig, die Lieferungen aus Russland wieder aufzunehmen, sobald sich die Lage entspannt.

"Sobald die Sanktionen aufgehoben sind, kehrt der Alltag zurück. Sanktionen werden Indiens Entscheidungen zwar erschweren, aber nicht erzwingen", sagte Bisaria.

Indische Analysten erklärten gegenüber der Times of India, sie erwarteten kurzfristig einen Rückgang der russischen Rohölimporte, gingen aber davon aus, dass Raffinerien weiterhin russisches Öl über nicht sanktionierte Zwischenhändler beziehen würden. Es bleibt jedoch derzeit unklar, wann und in welchem Umfang dies geschehen wird und ob die USA diesen alternativen Bezugsweg ebenfalls ins Visier nehmen könnten.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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