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Kann sich der Iran einen Krieg wirtschaftlich leisten?

18. April 2024

Der Iran leidet seit Jahren unter hoher Inflation, Währungsverfall und internationalen Sanktionen. Neue westliche Maßnahmen und ein längerer militärischer Konflikt könnten das Land vor massive Herausforderungen stellen.

Iran Teheran | Alltag
Bild: Rouzbeh Fouladi/ZUMAPRESS/picture alliance

Während die USA und die EU über neue Sanktionen gegen Teheran nachdenken, trumpft der Iran mit einer Erfolgsmeldung auf: Das Land hat mehr Öl als je zuvor in den letzten sechs Jahren exportiert. Und das trotz neuer US-Sanktionen, die 2018 der damalige Präsident Donald Trump in Kraft gesetzt hatte.

Irans Ölminister Javad Owji verkündete im März, dass die Ölexporte 2023 "mehr als 35 Milliarden Dollar" in die iranischen Kassen gespült hätten. Die "Feinde des Iran" wollten zwar seine Öl-Exporte stoppen, "aber heute können wir Öl überall hin exportieren, wo wir wollen, und das mit minimalen Rabatten", zitiert die Financial Times den Ölminister.

Die eingenommenen Dollar-Milliarden sind für das Land enorm wichtig, um innenpolitisch für sozialen Frieden zu sorgen. Denn ein großer Teil der Bevölkerung leidet unter den Folgen der internationalen Sanktionen: Sie haben zu einem Verfall der Landeswährung Rial geführt und die Inflation kräftig in die Höhe getrieben.

Die Inflation ist mit zuletzt rund 40 Prozent ohnehin hoch und jede Verschärfung der geopolitischen Spannungen drückt zusätzlich auf den Wert des Rial, erklärt Djavad Salehi-Isfahani, Wirtschafts-Professor an der US-Hochschule Virginia Tech, im Interview mit der DW.

Die Menschen im Iran leiden seit Jahren unter starker Inflation und hohen Lebensmittelpreisen Bild: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Der Dollar habe in den letzten Wochen, als man mit einer Verschärfung des Konflikts mit Israel rechnete, um rund 15 Prozent an Wert gegenüber der iranischen Landeswährung zugelegt. Das habe dazu geführt, dass der Rial in den vergangenen Monaten ein Viertel seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren hat, rechnet Isfahani vor. "Diese Abwertung des Wechselkurses schlägt sich sehr schnell in höheren Preisen nieder, weil der Iran viele Waren importiert." Außerdem hätten viele Waren, die man im Land selbst produziert, auch eine Importkomponente. "Ich denke daher, dass sich das Land aktuell auf eine höhere Inflation einstellen muss."

Lebensstandard auf dem Niveau von 2005

Weil sich der Iran nicht selbst mit Nahrungsmitteln versorgen kann, treiben der Wertverfall der Währung und die starke Inflation die ohnehin schon hohen Preise für Lebensmittel noch weiter oben. "Das wird sich stark auf das Wohlergehen der Armen auswirken, weil Nahrungsmittel etwa die Hälfte ihrer Ausgaben ausmachen", sagt der Experte für die Wirtschaft des Nahen Ostens.

Auch für die Mittelschicht habe sich die wirtschaftliche Lage in den letzten beiden Jahrzehnten spürbar verschlechtert. "Der Lebensstandard ist wegen der Sanktionen wieder auf dem Stand von vor 20 Jahren", so Isfahani. Die Wirtschaftsleistung liege dagegen "etwa auf demselben Niveau oder vielleicht ein paar Prozent höher". Trotzdem würde auch sie sehr empfindlich auf weitere Rückgänge reagieren.

Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung im Frühjahr 2022Bild: Privat

Nach den Zahlen des Datendienstleisters Statista hat im Jahr 2022 die Landwirtschaft geschätzte 12,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Iran beigetragen: Die Industrie steuerte rund 40 Prozent und der Dienstleistungssektor etwa 47 Prozent bei.

Wirtschaftliche Situation steht und fällt mit Ölexporten

Dabei ist das Land extrem abhängig vom Rohöl-Export. Seit mehr als 90 Prozent des Öls nach China verschifft werden, laufen auch die Sanktionen des Westens immer mehr ins Leere. Umso mehr sorgen sich die Machthaber in Teheran, dass der Ölsektor als wichtigste Devisenquelle Ziel eines militärischen Vergeltungsschlags Israels werden könnte.

Kann sich der Iran einen Krieg mit Israel leisten?

02:07

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"Ich bin mir sicher, dass sie sehr besorgt sind, weil ein Krieg, der die Infrastruktur für den Ölexport beschädigt, einen schweren Schlag für die Wirtschaft bedeuten würde", bringt es Isfahani auf den Punkt. Nach dem Schock der 2018 durch Trump verhängten Sanktionen habe der Iran mittlerweile wieder 80 Prozent seiner damaligen Exportmenge erreicht. Die meisten Experten führten das auf die Aufweichung der Sanktionen zurück, seit Joe Biden an der Macht ist, so Isfahani.

"Die iranische Wirtschaft ist in der Tat zum Teil durch die Zunahme der Ölexporte gewachsen. Nicht der gesamte Anstieg des BIP, der sich auf etwa fünf Prozent pro Jahr beläuft, was im Vergleich zu dem, was in der Region insgesamt nach der Covid-Pandemie passiert, nicht schlecht ist", erklärt Isfahani.

Allerdings habe sich das nicht in einem höheren Lebensstandard für die Bevölkerung niedergeschlagen, betont der Iran-Experte. Denn viele finanzielle Ressourcen seien in den Ausbau des Militärs und anderer Maßnahmen des Regimes geflossen.

Die Islamischen Revolutionsgarden erhalten im Januar 2024 neue Ausrüstung in der Hafenstadt Bandar AbbasBild: Sephanews/ZUMA Press/picture alliance

Korruption und Intransparenz

Viel Geld versickert ohnehin in den intransparenten Strukturen der schiitischen Machthaber in Teheran. Im Index von Transparency International, der die wahrgenommene Korruption misst, steht Iran auf Platz 149 von 180 Ländern. Deutschland rangiert dort auf Platz neun, die USA auf dem 24. Rang.

Besonders undurchsichtig ist die Rolle der Revolutionsgarden (eine Parallelarmee) und religiösen Stiftungen, die zentrale Teile der Wirtschaft kontrollieren. Sie zahlen keine Steuern, müssen keine Bilanzen vorlegen und sind vor allem dem politischen und religiösen Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, unterstellt.

Für den Nahost-Experten Martin Beck von der University of Southern Denmark (SDU) ist die Wirtschaft des Iran geprägt durch "eine Vermengung der politischen mit der wirtschaftlichen Sphäre, die eine mit hoher Korruption verbundene staatliche Verteilungs- und Klientelpolitik befördert".

Niedrige Wirtschaftsleistung pro Kopf

Aber obwohl sich die Einnahmen aus dem Ölexport in den vergangenen Jahren zunehmend stabilisiert haben, ist der Iran alles andere als ein ökonomisches Schwergewicht. Obwohl seine Bevölkerung mit rund 88 Millionen fast zehnmal so groß ist wie die seines Erzfeindes Israel (neun Millionen), war seine Wirtschaftsleistung 2022 mit 413 Milliarden US-Dollar deutlich niedriger als die des jüdischen Staates mit 525 Milliarden US-Dollar.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag 2022 im Iran mit geschätzten rund 4043 US-Dollar weit abgeschlagen hinter Israel (54.336 US-Dollar) und dem regionalen Rivalen Saudi-Arabien mit rund 34.441 US-Dollar. Wie dramatisch der Absturz der Wirtschaftsleistung im Staat der Mullahs ist, macht der Vergleich zum Jahr 1990 deutlich: Damals lag das Bruttoinlandsprodukt laut Statista pro Kopf im Iran bei 10.660 US-Dollar, also mehr als doppelt so hoch. 

2022 lebten 26 Millionen Menschen im Iran unter der Armutsgrenze (Angaben des Ministry of Cooperatives, Labour, and Social Welfare in Teheran) Bild: ISNA

Wie sich die Wirtschaft des Landes weiter entwickelt, hängt vor allem davon ab, ob neue westliche Sanktionen die iranischen Ölexporte spürbar drosseln können.

Ölexporte sind entscheidend

Teheran ist es gelungen, in den ersten drei Monaten des Jahres durchschnittlich 1,56 Millionen Barrel (ein Barrel sind rund 159 Liter) Rohöl pro Tag zu verkaufen - und zwar fast alles nach China. Das war nach Informationen des Datenanbieters Vortexa der höchste Wert seit dem dritten Quartal 2018.

"Die Iraner beherrschen die Kunst, Sanktionen zu umgehen", wird Fernando Ferreira von der Rapidan Energy Group in den USA in der Financial Times zitiert. "Wenn die Biden-Regierung wirklich etwas bewirken will, muss sie den Fokus auf China verlagern."

Die USA sind zwar mittlerweile viel unabhängiger von Öl-Exporten aus dem Nahen Osten. Trotzdem würden höhere Ölpreise durch eine Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran auch die Weltmarkt-Preise - und damit die Inflation weiter in die Höhe treiben. Für US-Präsident Joe Biden wäre das in einem Wahljahr mehr als ungünstig und eine Steilvorlage für seinen Herausforderer Donald Trump.

Doch ganz gleich, ob es zu einer Verschärfung der Sanktionen kommt oder nicht. Wäre die iranische Wirtschaft aktuell bereit für eine mögliche militärische Eskalation mit Israel?

Die Antwort von Djavad Salehi-Isfahani ist deutlich: "Insgesamt ist sie nicht bereit für einen längeren militärischen Konflikt. Deshalb haben sie (die Machthaber in Teheran, Anm. d. Red.) sehr darauf geachtet, sich nicht zu sehr in den Gaza-Krieg einzumischen. Und der Angriff auf Israel war eher symbolisch als einer, der Schaden anrichten wollte."

"Iran will Konflikt mit Israel nicht eskalieren lassen"

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Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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