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Politik

Kann Van der Bellen das Land einen?

5. Dezember 2016

Österreichs designierter Bundespräsident ist parteilos, doch zu Hause ist er bei den Grünen. Seinen eigenen Kopf wird er auch im neuen Amt behalten - und könnte damit für Überraschungen sorgen. Ein Porträt.

Österreich Präsidentschaftswahlen Alexander Van der Bellen
Bild: picture-alliance/APA/H. Neubauer

Heute, am Tag nach der Wahl, werde man von Alexander Van der Bellen nichts mehr hören, verkündete sein Wahlkampfteam. Der designierte Bundespräsident werde sich frühestens Dienstag, auf jeden Fall aber erst nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses durch den Innenminister öffentlich äußern, ließ das Team die Österreicher in einer kurzen Mitteilung wissen.

Die vorsichtig-verhaltene Reaktion mag typisch sein für den 72-jährigen Wirtschaftsprofessor, der nun, nach einem zweiten, überaus zähen Wahlkampf an der Spitze des österreichischen Staates stehen wird. Sein ruhiges Auftreten, das auch seinen Wahlkampf gekennzeichnet hatte, sicherte ihm nun offenbar auch den Erfolg bei den Wählern. Schon dem vorläufigen Endergebnis zufolge hat Van der Bellen den zweiten Gang der Stichwahl mit 51,7 Prozent gewonnen.

Kirchweihe und Tracht

Der Erfolg dürfte auch auf einen neuen Stil der Selbstpräsentation zurückgehen: Hatte Van der Bellen bei der ersten Wahl noch zurückhaltend, fast schon distanziert gewirkt, gab er sich nun deutlich volksnäher. Das, vermutet die österreichische Zeitung Der Standard, war offenbar eine erfolgreiche Strategie. "Er hat Kirchweihen und Zeltfeste besucht, Tracht getragen. Das hat ihm zu mehr Stimmen aus dem bürgerlichen Lager verholfen."

Am Ende eines langen Wahlkampfes: Van der Bellen und seine Frau am WahltagBild: Reuters/L. Foeger

Einen eher volkstümlich ausgerichteten Auftritt hatte er im ersten Wahlgang nur virtuell inszeniert – nämlich auf seiner Website, wo er sich als Wanderer mit Hunden in Tirol zeigte - ein doppeldeutiges Bild, das sowohl auf seine grüne Vergangenheit anspielte - den Wahlkampf trat er als parteiloser Kandidat an - und ihn zugleich als Heimat verbundenen Bürger präsentierte. In Zeiten der Massenmigration hat der Begriff "Heimat" auch in Österreich vor allem bei konservativen Wählern verstärkte Wertschätzung erfahren. "Ich glaube an unser Österreich", hatte Van der Bellen dementsprechend verlauten lassen.

Rückhalt im bürgerlichen und linken Lager

Zugleich aber sprach der bedächtige Van der Bellen auch jene Kreise an, denen die Auftritte des Kandidaten der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Norbert Hofer, eine Spur zu schrill und zu aggressiv waren. "Möglicherweise", vermutet das Nachrichtenmagazin Profil, "waren auch die jüngsten Attacken Hofers gegen Van der Bellen, er sei Kommunist und Spion mit einem Nazi als Vater gewesen, doch kontraproduktiv für Norbert Gerwald Hofer. Zumindest hatte der FPÖ-Politiker im letzten TV-Duell sein wahres Gesicht gezeigt. Er versuchte, das Lager der Unterstützer Van der Bellens als „Establishment" zu verunglimpfen."

Harter Wahlkampf: Bereits Ende November trat Van der Bellen im ersten Wahlgang anBild: picture-alliance/AP Photo/R. Zak

Auf dieses Establishment konnte er offenbar ebenso rechnen wie auf seine Stammklientel, die ihm bereits im ersten Wahlgang die Treue gehalten hatte. "Links der Mitte räumte Van der Bellen alles ab", schreibt die Zeitung Die Presse.

In die Politik fand Van der Bellen relativ spät. Lange Zeit sympathisierte der Professor der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Innsbruck und Wien mit den Sozialdemokraten. Als im Jahr 1984 ein Wasserkraftwerk an der Donau gebaut werden sollte, war das für ihn Anlass, sich den Grünen anzuschließen, die das Projekt verhindern wollten. Zehn Jahre später zog er für die Grünen in das österreichische Parlament ein. Wesentlich trug der auf Ausgleich bedachte Van der Bellen dazu bei, die damals zerrissene Partei wieder zu einen.

Lockeres Verhältnis zu den Grünen

Ein typischer Grüner ist Van der Bellen aber nie gewesen. Die Distanz zu den politischen und stilistischen Gepflogenheiten seiner Partei könnte auch seine Amtsführung als Bundespräsident prägen. "Es wäre möglich, dass sich viele seiner Anhänger noch über Alexander Van der Bellen in der Hofburg wundern werden", schreibt das Magazin Profil. "Denn die Positionen, die er etwa in seiner Biografie „Die Kunst der Freiheit" vertritt, sind nicht immer ganz nach dem Geschmack eines durchschnittlichen Grünen."

Gescheitert am ruppigen Stil: Van der Bellens Gegner Norbert Hofer (FPÖ)Bild: Reuters/L. Foeger

Auch sonst beschreibt das Magazin einen politischen Charakter, der durchaus Eigensinn beweist. "Political Correctness findet er teilweise albern, Freihandel findet er gut – auch gegen TTIP und Ceta hatte er da noch nichts. Dafür beklagte er im Buch die „freiwillige Gleichschaltung" der Medien. Etwa in Bezug auf Russland."

Nach einem teils sehr schrill und aggressiv geführten Wahlkampf dürfte es ihm zunächst aber darauf ankommen, das Land wieder zu einen. Van der Bellen siegte zwar deutlicher als erwartet. Doch sein Widersacher Norbert Hofer kam  auf über 48 Prozent der Stimmen. Dessen Wähler muss van der Bellen nun von sich und seinem bürgerlichen Stil überzeugen. Nur so wohl wird Österreich in der Lage sein, seine politische Mitte wiederzufinden.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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