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Politik

Kanzler Kurz: Eindeutig islamistischer Anschlag

2. November 2020

Der Anschlag in Wien war nach Worten von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz eindeutig islamistisch motiviert. Mehrere Menschen wurden bei dem Angriff getötet oder verletzt.

Österreich Anschlag in Wien - PK Sebastian Kurz
Bild: Lisi Niesner/REUTERS

"Es war ein Anschlag aus Hass, aus Hass auf unsere Grundwerte, aus Hass auf unser Lebensmodell, aus Hass auf unsere Demokratie", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Morgen in einer TV-Rede an die Bevölkerung. Bei dem Anschlag am Montagabend seien vier Menschen "aus nächster Nähe kaltblütig von dem Attentäter getötet worden", sagte Kurz. Dabei handele es sich um einen älteren Mann, eine ältere Frau, einen jungen Passanten und eine Kellnerin. Ein Polizist, der sich dem Täter in den Weg gestellt habe, sei angeschossen und verwundet worden, sagte Kurz. 14 weitere Menschen seien zum Teil schwer verletzt worden, einige davon würden nach wie vor in Krankenhäusern um ihr Leben ringen.

Der Anschlag in der österreichischen Hauptstadt ist das schwerste Attentat seit Jahrzehnten in dem Land. "Wir werden uns von den Terroristen nicht einschüchtern lassen und uns mit aller Kraft verteidigen", sagte Kurz. Es gehe nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten. Es gehe um einen Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei. "Und diesen Kampf werden wir mit aller Entschiedenheit führen."

Täter war Sympathisant des IS

Der von der Polizei getötete Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz "Islamischer Staat" gewesen, hatte zuvor Innenminister Nehammer erklärt. Er war 20 Jahre alt und hatte nordmazedonische Wurzeln. In der Vergangenheit wollte er nach Syrien ausreisen, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen, so der Minister gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Er sei daran gehindert worden und stattdessen am 25. April 2019 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Am 5. Dezember wurde er demnach "vorzeitig bedingt entlassen", er galt als junger Erwachsener und fiel damit unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes.

Die Wohnung des Verdächtigen sei auf der Suche nach belastendem Material durchsucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz. "Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt", sagte Nehammer. Die entsprechenden Ermittlungen liefen auf Hochtouren. So habe es im Umfeld des Täters einige Großrazzien gegeben. Konkret seien 15 Hausdurchsuchungen vorgenommen und mehrere Personen festgenommen worden. 

Inzwischen hat sich Österreich an die Behörden in Nordmazedonien gewandt. Das teilte das  Innenministerium in der Hauptstadt Skopje mit. Die österreichische Polizei habe über den Polizeiverbund Europol um Zusammenarbeit und relevante Informationen über den Attentäter ersucht, berichtete der Fernsehsender A1 unter Berufung auf die Mitteilung.

Österreichische Regierungsmitglieder gedenken der Opfer mit einer SchweigeminuteBild: Peter Lechner/Bundesheer/APA/dpa/picture alliance

Erste Schüsse nahe Synagoge

Ob die Wiener Hauptsynagoge Ziel des Angriffs war, lasse sich noch nicht bestätigen, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne derzeit nicht gesagt werden, ob der Stadttempel eines der Ziele war. Sowohl die Synagoge in der Seitenstettengasse als auch das Bürogebäude an derselben Adresse seien zum Zeitpunkt der ersten Schüsse aber bereits geschlossen gewesen, so Deutsch.

Österreich hält nach Angaben aus dem Kanzleramt für drei Tage Staatstrauer. Das sei in einer Sondersitzung des Kabinetts am Dienstagmorgen beschlossen worden. Um 12 Uhr wurde landesweit eine Gedenkminute abgehalten. Auf bundeseigenen Gebäuden wurde zudem Trauerbeflaggung veranlasst.

Flaggen auf Halbmast vor der Österreichischen Botschaft in Berlin Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Wie zuvor Kanzler Kurz wandte sich auch Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen mit einer TV-Ansprache an die Bevölkerung. Er sieht trotz der Terror-Attacke die liberale Demokratie nicht gefährdet. "Der Hass wird in dieser Gesellschaft nicht auf fruchtbaren Boden fallen", sagte das Staatsoberhaupt. Der Anschlag habe der freien, toleranten Gesellschaft gegolten. "Hass kann niemals so stark sein wie unsere Gemeinschaft in Freiheit, in Demokratie, in Toleranz und in Liebe." 

Sechs verschiedene Tatorte

Der Angriff hatte gegen 20.00 Uhr in einem Ausgehviertel begonnen, wo kurz vor Beginn neuer Corona-Ausgangssperren viele Menschen unterwegs waren. Die ersten Schüsse fielen laut Polizeiangaben in der Seitenstettengasse, einer belebten Straße im Zentrum. Dort befindet sich auch die jüdische Hauptsynagoge Wiens. Insgesamt gab es laut Polizei sechs Tatorte. An dem Angriff seien mehrere Täter mit "Langwaffen" beteiligt gewesen.

 Die Angreifer zielten nach Darstellung von Augenzeugen wahllos auf Menschen in den Lokalen und den Gastgärten. Auf Videos, die der Privatsender "Oe24" ausstrahlte, war ein maskierter Schütze zu sehen, der auf offener Straße zumindest zwei Schüsse abfeuerte. Ein anderes Video zeigte eine große Blutlache vor einem Restaurant.

Auch Stunden nach der Tat war das gesamte Zentrum der österreichischen Hauptstadt weiträumig abgesperrt. Neben der Polizei waren auch Soldaten zum Objektschutz im Einsatz.

Merkel: "Islamistischer Terror ist unser gemeinsamer Feind"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen sein Beileid ausgesprochen: "Die erschreckenden Nachrichten über die nächtlichen Anschläge in der Wiener Innenstadt mit mehreren Toten und vielen Verletzten sind in Deutschland mit Bestürzung und großer Anteilnahme aufgenommen worden", teilte das
Bundespräsidialamt in Berlin mit.

Zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Merkel erschüttert über die Angriffe geäußert. "Ich bin in diesen schrecklichen Stunden, in denen Wien Ziel terroristischer Gewalt geworden ist, in Gedanken bei den Menschen dort und den Sicherheitskräften, die der Gefahr entgegentreten", erklärte die Kanzlerin auf Twitter. "Wir Deutschen stehen in Anteilnahmen und Solidarität an der Seite unserer österreichischen Freunde", schreibt die Kanzlerin weiter. "Der islamistische Terror ist unser gemeinsamer Feind. Der Kampf gegen diese Mörder und ihre Anstifter ist unser gemeinsamer Kampf."Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb auf Twitter: "Wir dürfen nicht dem Hass weichen, der unsere Gesellschaften spalten soll." Auch wenn das Ausmaß des Terrors noch nicht absehbar sei, seien die Gedanken bei den Verletzten und Opfern.

Französischer Präsident bietet Hilfe an

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach Österreich sein Mitgefühl aus. Die Franzosen teilten den Schock und die Trauer der Österreicher, schrieb Macron auf Deutsch und Französisch auf Twitter. Nach Frankreich werde nun ein weiteres befreundetes Land angegriffen.

Macron habe Österreichs Kanzler Sebastian Kurz volle Solidarität und Unterstützung Frankreichs zugesagt und Hilfe angeboten, falls diese notwendig sei, hieß es aus Kreisen des Präsidentenpalastes in Paris. In Frankreich hatte es in den vergangenen Wochen drei Anschläge gegeben. Die Ermittler gehen jeweils von einem islamistischen Hintergrund aus.

EU verurteilt Tat als "feigen Akt"

EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte die mutmaßliche Terrorattacke als feigen Akt gegen das Leben und die menschlichen Werte. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und den Menschen in Wien nach dem schrecklichen Anschlag", teilte Michel mit. Europa stehe an der Seite Österreichs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich "schockiert und traurig über den brutalen Angriff in Wien". Europa stehe "in voller Solidarität an Österreichs Seite", erklärte auch sie auf Twitter. 

Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte den Angriff in Wien. Er verfolge die Entwicklung mit großer Sorge, schrieb er ebenfalls auf Twitter. 

Nach dem Terroranschlag in Wien haben Bundes- und Grenzpolizei in Bayern Kontrollen sowie Fahndung an der Grenze zu Österreich noch in der Nacht verstärkt. Man stehe in engem Kontakt mit den österreichischen Behörden und dem Bundeskriminalamt, um die aktuelle Gefährdungslage in Bayern zu bewerten, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in München

bri/as/ww (dpa, rtr, afp)

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