Bundeskanzler Merz: Nie Antisemitismus, nie Israel-Hass
17. September 2025
Bundeskanzler Friedrich Merz hat vor wachsendem Antisemitismus gewarnt und sich entschieden gegen jeden Israel-Hass gestellt. Kritik an der israelischen Regierung müsse möglich sein, sagte Merz in Berlin. Er selbst habe sich ja auch kritisch geäußert.
Der Bundeskanzler weiter: "Unser Land nimmt an der eigenen Seele Schaden, wenn diese Kritik zum Vorwand für Judenhass wird. Oder wenn sie gar zur Forderung führt, dass die Bundesrepublik sich von Israel abwenden solle."
"Besondere Verantwortung Deutschlands"
Ausdrücklich bekräftigte Merz die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel. Das deutsche Bekenntnis zur Existenz und zur Sicherheit des Staates Israel sei "unverhandelbarer Bestandteil der normativen Fundamente unserer Verfassung". Der Kanzler hatte mehrfach das Vorgehen der Regierung von Premier Benjamin Netanjahu im Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen kritisiert und den Export deutscher Rüstungsgüter nach Israel eingeschränkt.
Kritisch und ausgesprochen empört äußerte sich der Kanzler über Judenhass in Deutschland. Seit dem "barbarischen Angriff" der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 werde Antisemitismus "lauter, offener, unverschämter, gewaltsamer". Ihn entsetze und beschäme das.
Er wandte sich auch gegen politische Versuche, antisemitische Rhetorik in Deutschland zu normalisieren. Im Bundestag und in den deutschen Landesparlamenten würden "Stimmen von Geschichtsvergessenen laut". Dabei nannte er die in Teilen rechtsextreme Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) nicht ausdrücklich.
Merz hielt bei einem Empfang des Zentralrats der Juden in Deutschland die Festrede. Mit der Feier, zu der etwa tausend Gäste in das Jüdische Museum Berlin gekommen waren, beging die Organisation zugleich ihr 75-jähriges Bestehen. Der Zentralrat wurde am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gegründet und versteht sich als politische, gesellschaftliche und religiöse Vertretung der jüdischen Gemeinden im Land über die unterschiedlichen religiösen Strömungen hinweg. Derzeit gibt es bundesweit 105 Gemeinden.
Der Vorsitzende des Zentralrats, Josef Schuster, hatte in seiner Begrüßung vor einem Schwanken Deutschlands gegenüber Israel gewarnt. "Solidarität mit Israel darf nicht relativiert werden. Sie ist keine außenpolitische Option, sondern immer wieder betonter Teil unserer Staatsräson", betonte er.
Schuster sagte, nicht alle Entscheidungen der Regierung Netanjahu seien "für uns nachvollziehbar". Mit den Äußerungen einiger Minister der Regierung Netanjahu haderten auch Juden außerhalb Israels. Das dürfe aber niemals als Rechtfertigung dafür dienen, dass sich Deutschland von Israel abwende oder seine Unterstützung verringere. "Aus gutem Grund heißt es Staatsräson und nicht Regierungsräson." Israel sei dauerhaft in seiner Existenz bedroht.
"Es wird ungemütlicher für Juden"
Der 71-jährige Schuster nannte es eine Realität, dass Antisemitismus, der seit jeher an den extremen Rändern verwurzelt sei, "bis direkt in die Mitte unserer Gesellschaft vorgedrungen ist. Es wird ungemütlicher für Juden." Zunehmend zeige sich der Antisemitismus nicht nur in seinen gewalttätigen Auswüchsen, sondern auch im Alltag. Das oft selbstverständlich beschworene "Nie wieder" müsse ernsthaft hinterfragt werden.
Bereits am Montagabend hatte sich Merz bei der Wiedereröffnung einer 1938 von den Nazis weithin zerstörten Synagoge in München in einer ausgesprochen emotionalen Rede zu jüdischem Leben in Deutschland geäußert.
Das jüdische Neujahrsfest beginnt am Montagabend und endet am Mittwoch.